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Veröffentlicht auf freiburg-postkolonial.de am 12.12.2012

 

 

 

cover Schulz-Kampfhenkel

Rezension von:

 

Sören Flachowsky, Holger Stoecker (Hg.):

 

Vom Amazonas an die Ostfront.

Der Expeditionsreisende und Geograph

Otto Schulz-Kampfhenkel (1910-1989)

Dass sich die Interessen des Deutschen Reiches unter Adolf Hitler nicht nur in Europa befanden (siehe dazu Karsten Linne), beweist neuerlich das von Sören Flachowsky und Holger Stoecker heraus gegebene Buch „Vom Amazonas an die Ostfront“. Holger Stoecker stellt in seinem Beitrag den Aufstieg Otto Schulz-Kampfhenkels (OSK) vom Kaufmannssohn zum einflussreichen NS-“Wissenschaftler“ dar. OSK arbeitete zwar Zeit seines Lebens an seiner Inszenierung als Wissenschaftler, geleitet wurde er jedoch mehr von einer amateurhaften Reise- und Abenteuerlust: Er steckte zwar bereits früh in seiner Studienzeit sein Ziel ab, Forschungsexpeditionen zu unternehmen, es würde aber nie eine wissenschaftliche Publikation von ihm erscheinen. Die erste Reise führte ihn 1930 in die Sahara. Früh trat er auch in die NSDAP ein. Bereits 1933, zwei Jahre bevor seine Burschenschaft (Franconia Freiburg) sich 1935 der nationalsozialistischen Partei annäherte, war OSK deren Mitglied geworden. Ob seine Parteimitgliedschaft ihm eher opportun erschien oder tiefer in seiner Einstellung begründet lag und er sie ab diesem Punkt offen vertreten wollte, wird im Buch nicht abschließend geklärt.

Seine 1935 durchgeführte „Amazonas-Jary-Expedition“ diente ihm als Türöffner für seine Karriere. Ursprünglich vor allem als zoologische Unternehmung geplant, entwickelte OSK vor Ort ein starkes Sammlungsinteresse und schaffte auch etliche Ethnografica nach Deutschland. Geschickt bereitete er die Expedition anschließend medial als Pioniertat mit einem Film und Vorträgen auf und erreichte damit große Popularität (siehe auch die Freiburger Presseberichte unten im Anhang). Der Erfolg dieser Aufbereitung lag wohl in dem deutschen Drang nach Beherrschung bisher als menschenleer betrachteter Natur sowie der mit dem Nationalsozialismus einhergehenden Überhöhung deutscher „Leistungen“ begründet. Dass seine Expedition freilich nicht so innovativ wie inszeniert war, zeigen Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin in ihrem Buchbeitrag auf.

Dass das Bild des Pioniers für den Werdegang OSKs freilich von wichtiger Bedeutung blieb, klingt im Buch immer wieder an. Nur so konnte er schließlich Leiter der „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ des Oberkommandos der Wehrmacht werden, das vom Mai 1942 bis Januar 1943 eine umfassende Kartierung der Wüste Libyens vornahm. Unterstützt von den höchsten NS-Funktionären, die er zum Teil zuvor persönlich für seine Forschungsvorhaben interessierte, und mit neuester Technik ausgerüstet, konnte Schulz-Kamphenkel in dieser Phase seines Lebens das sein, was er wollte: Forscher von höchster Wichtigkeit. Seine Forschung hatte hier vor allem militärisch-strategischen Hintergrund. 1941 begann Deutschlands Afrikafeldzug zur Unterstützung des Achsenpartners Italien. OSKs Aufgabe war es in diesem Zusammenhang vor allem, die Sahara zu kartographieren und so mögliche Angriffspunkte der Alliierten auszumachen. Tatsächlich hatte Schulz-Kampfhenkel mit diesem Unternehmen Erfolg, seine Aussagen zu Angriffspunkten erwiesen sich im Nachhinein als richtig, auch wenn sie den Kriegsausgang in Afrika zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr beeinflussen konnten. Die Methoden OSK's, so bestätigt Michael Rolke, waren für seine Zeit außerordentlich präzise. Seine Karriere war aber vor allem militärisch begründet und das Forschungskommando operierte in Lybien selbst bewaffnet.

Nach den kriegerischen Niederlagen in Afrika wandte sich OSK, zurück in Deutschland, Forschungsaufgaben im besetzten Osteuropa zu. Geschickt vermarktete er auch hier seine bisherige Forschung, sodass er schließlich zum Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat ernannt wurde. Seine Forschungsaufgaben im Osten waren zunächst sowohl ziviler als auch militärischer Art, wandten sich jedoch aufgrund des Kriegsverlaufs ab August 1943 vor allem militärischer Erkundung zu. Schulz-Kampfhenkels „Forschungsgruppe zur besonderen Verwendung“ nahm etwa auch eine beratende Position beim Stellungsbau ein.

OSK in FR Bild: Filmvortrag 1938 Vortrag von OSK im Paulussaal in Freiburg, veranstaltet von der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" der Deutschen Arbeitsfront.

Schulz-Kampfhenkel verwies in seinen Berichten immer wieder auf die Bedeutung seiner Forschung für die 'deutschen Interessen'. In einem seiner Berichte führte er aus, dass Südamerika und Sibirien als Siedlungsräume geeignet, Afrika und Südasien hingegen nur zur Ausbeutung von tropischen Rohstoffen geeignet seien (vgl. S. 257). Frei von Ideologie war er damit keinesfalls. Seine Karriere war durchaus dadurch begründet, dass seine „Forschung“ mit der NS-Ideologie konform war. Auf die bereits gestellte Frage nach Opportunismus oder nationalsozialistischer Einstellung gibt der Band keine explizite Antwort, auch wenn man im Gesamtbild eher zur Annahme des letzteren tendiert. Der Eintritt OSKs in die NSDAP direkt nach der Machtübernahme, sowie sein Eintritt in die SS kurz darauf, die dem Buch zufolge vor allem dazu gedient haben könnte eine derzeit bestehende Eintrittssperre der NSDAP zu umgehen, lassen jedoch auch eine Interpretation zu die seine Mitgliedschaft eher opportun erscheinen lässt. Nach 1945 erlitt seine bislang auf das NS-System gestützte Karriere keinen Knick: Er konnte sich vielmehr auf seinen bisherigen Werdegang stützen und es erschien eine 'entnazifizierte' Ausgabe des Berichts seiner „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“. Bis zum Ende seines Lebens er drehte Bildungsfilme.

Die 394 Seiten des Bandes liefern ein umfassendes Bild des Lebens Otto Schulz-Kampfhenkels, insbesondere jedoch seiner Karriere während des Nationalsozialismus. Die dargestellte Expedition des „Sonderkommandos Dora“ gibt zugleich einen Einblick in das nationalsozialistische Interesse an Afrika. Die umfassende Darstellung bleibt dabei nicht bei einer reinen Biographie stehen, sondern bettet diese immer wieder in ihr Umfeld ein. Sowohl für Wissenschafts-, Technik-, NS- und Militärgeschichte lohnt sich damit die Lektüre. Der Anspruch, das Leben Schulz-Kampfhenkels „unter verschiedenen fachlichen Gesichtspunkten“ (S. 14) zu betrachten, stört während der Lektüre nicht. Quasi nebenbei wird der Blickwinkel verschoben: Immer wieder von einer fachlichen Einschätzung der Expeditionen Schulz-Kampfhenkels zu Darstellungen seiner Selbst-Inszenierung. Die technischen Abschnitte sind dabei jedoch zum Teil sehr ausgiebig geraten. Die Abwechslung, aber ebenso die nicht verfehlte Einbettung der Biographie in ihren Kontext machen das Buch dennoch interessant und gut zu lesen.

Holger Rosebrock

Sören Flachosky, Holger Stoecker (Hg.): Vom Amazonas an die Ostfront. Der Expeditionsreisende und Geograph Otto Schulz-Kampfhenkel (1910-1989), Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien, 2011, 394 S., 44,90 €, ISBN: 9783412207656


In Freiburg, wo Otto Schulz-Kampfhenkel studiert hatte, berichteten die Zeitungen gerne über ihn und er war verschiedentlich anläßlich von Aufführungen hier vor Ort. Im Folgenden ein paar Beispiele aus der Freiburger Zeitung:

  • "Schulz-Kampfhenkel in Freiburg" Mehr und "Gelimtes Tagebuch. Vom unbekannten Brasilien" Mehr (1937)
  • Vortrag Schulz-Kampfhenkel Amazonas-Expedition Mehr und Mehr (1938)
  • Schulz-Kampfhenkel privat Mehr (1938)
  • Schulz-Kampfhenkel in Freiburg bei Aufführung, Voranzeige Ufa-Film "Rätsel der Urwaldhölle" Mehr (1938)


Inhaltsverzeichnis "Vom Amazonas an die Ostfront."

Richard Haas
Zum Geleit
7

Sören Flachowsky und Holger Stoecker
Stationen einer Selbstinszenierung. Eine Einführung
11

Holger Stoecker
Die Jagd auf letzte „weiße Flecken der Erde“.
Stationen eines juvenilen Expeditionsreisenden, 1910–1941
23

Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin
Von „Herrenmenschen“ und „Waldmenschen“. Die ethnographische Inszenierung
der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ von 1935 bis 1937
97

Michael Ohl
Das Fell in die Sammlung, das Fleisch in den Kochtopf.
Otto Schulz-Kampfhenkel als Zoologe und Tierfänger
129

Henrick Stahr
„Zaubergeräte der Zivilisation“. Die multimediale Inszenierung
der Amazonas-Jari-Expedition
164

Wolfgang Davis
„Rätsel der Urwaldhölle“ – Der Film
190

Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky
„Die geladene Maschinenpistole in der Rechten, in der linken den Filmapparat.“
Schulz-Kampfhenkel im „Sonderkommando Dora“ – Erkundungen in der Wüste
Libyens vom Mai 1942 bis Januar 1943
206

Sören Flachowsky
„Die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel steht jetzt für Ostaufgaben
zur Verfügung.“ Otto Schulz-Kampfhenkel als Beauftragter für Sonderaufgaben der
erdkundlichen Forschung
240

Karsten Plewnia
Das Forschungskommando „Süd“ der Forschungsstaffel z.b.V. in Laibach.
Feldforschungen im Karstgebiet Jugoslawiens 1944/45. Eine Fallstudie
303

Sören Flachowsky, Michael Ohl und Holger Stoecker
Schwieriger Neubeginn und Rückkehr zur Normalität.
Otto Schulz-Kampfhenkel im Nachkriegsdeutschland
321

Anhang 353
Autorenverzeichnis 385
Personenregister 389

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