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Veröffentlicht auf freiburg-postkolonial.de am 15.03.2012

 

 

 

Rezension von:

Rudolph Bauer / Inge Buck / Michael Weisser u.a.:

DerElefant!

Bilder, Gedichte, Dokumente zum Anti-Kolonialdenkmal in Bremen

Den „Elefant“ nennen sie ihn in Bremen. Fast zehn Meter hoch ragt die mächtige Tierskulptur in den Himmel, die in der Grünanlage an der Gustav-Deetjen-Allee gleich hinter dem Hauptbahnhof der Hansestadt steht. Viele wissen immer noch nicht, dass dieser aus Bockhorner Klinkersteinen gemauerte Elefant 1931/32 als „Kolonial-Ehrenmal“ errichtet wurde. Auftraggeber war seinerzeit die Abteilung Bremen der Deutschen Kolonialgesellschaft. Mit dem Denkmal sollte der Forderung neokolonialer Kreise nach Rückgabe des im Ersten Weltkrieg verlorenen deutschen Kolonialbesitzes in Übersee Ausdruck verliehen werden. Die Widmungsinschrift lautete denn auch: „UNSEREN KOLONIEN“.

„Bremen. Kolonialdenkmal“, Postkarte, nach 1932, ohne Verlagsangaben. (Postkarte: Sammlung Joachim Zeller)

Während der NS-Zeit stand der Elefant im Mittelpunkt der Bestrebungen, Bremen zur „Stadt der Kolonien im Dritten Reich“ zu machen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, den das Denkmal unbeschadet überstand, entfernte man dessen Inschrift, womit der Bremer Senat den vollständigen Abriss des Denkmals verhindern konnte. Die Abnahme der Inschriften hatte allerdings zur Folge, dass das Monument nun auf seinen erinnerungsfreien ästhetischen Wert als Tierplastik zurechtgestutzt wurde. Erst die Bremer Solidaritäts- und Anti-Apartheidbewegung der siebziger und achtziger Jahre schenkte dem Elefanten wieder Aufmerksamkeit. Von ihr kam auch die Anregung, den 'Elefanten' anlässlich der Unabhängigkeit Namibias 1990 zum „Anti-Kolonial-Denk-Mal“ umzuwidmen. Beim Staatsbesuch des damaligen namibischen Präsidenten Sam Nujoma Mitte Juni 1996 erfolgte die Einweihung einer Gedenktafel für die „Opfer der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia 1884-1914“.

Im Jahr 2009 wurde schließlich neben dem Anti-Kolonialelefanten ein Mahnmal „Im Gedenken an die Opfer des Völkermords in Namibia 1904-1908 und der Schlacht am Waterberg“ enthüllt. Die Initiative für die Denkmalstiftung ging vor allem von Thomas Gatter vom Bremer Afrika Archiv aus. Unterstützung fand er beim Schwachhauser Verein „DerElefant! e.V.“ (Gemeinnütziger Verein für Vielfalt, Toleranz und Kreativität durch Bildung, Kunst und Kultur). Gefördert wurde das Projekt durch den Bremer Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa, dem Beirat Schwachhausen und von Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Gestaltet ausSteinen und Felsbrocken aus der Waterberg-Region in Namibia, soll das neue Mahnmal an den Völkermord an den Herero und Nama erinnern. Für den Völkermord verantwortlich war die kaiserliche „Schutztruppe“ unter Generalleutnant Lothar von Trotha, der seinen Gegner, die Herero, nach der „Schlacht am Waterberg“ in die angrenzende wasserlose Omaheke trieb, wo Zehntausende verdursteten. Später hatte von Trotha seine Vernichtungspolitik noch auf die ebenfalls gegen die deutsche Kolonialherrschaft Widerstand leistenden Nama ausgeweitet.

Foto: Am 11.8.2009 wurde neben dem Anti-Kolonialelefanten ein Mahnmal "Im Gedenken an die Opfer des Völkermords in Namibia 1904-1908 und der Schlacht am Waterberg" eingeweiht.

Auf dem Foto ist am Rande des Mahnmals der damalige namibische Generaldirektor der nationalen Planungskommission, Peter Katjavivi, zu sehen (Foto: Heiko Wegmann 2009). Mehr dazu auf ez.bremen.de

Der im Sujet-Verlag erschienene Band „DerElefant!“ versammelt Text- und Bilddokumente, darunter Gedichte verschiedener Bremer AutorInnen, historische Texte aus der deutschen Kolonialgeschichte, Kolonialverträge, Zeitungsartikel aus dem Jahr 1932, Redetexte, Protokolle und Predigttexte aus den Jahren nach 1990 sowie alte und neue Fotografien. Moniert werden muss allerdings das Fehlen einer Bibliographie der bisher erschienenen (Forschungs-)Literatur zur Geschichte des Bremer Monuments (siehe unten). Davon abgesehen sei dieses Buch jedem empfohlen, der sich mit postkolonialer Gedenkkultur in der Bundesrepublik Deutschland befasst.

Joachim Zeller

Rudolph Bauer / Inge Buck / Michael Weisser u.a.: DerElefant! Bilder, Gedichte, Dokumente zum Anti-Kolonialdenkmal in Bremen, sujet-Verlag, Bremen 2010, ISBN 978-3-933995-49-0.

Literatur:

  • Kammerer-Grothaus, Helke: Ein roter Elefant in Bremen, in: Ziegelindustrie International 12, 1979, S. 794-797;
  • Mielsch, Beate: Denkmäler, Freiplastiken, Brunnen in Bremen 1800-1945, Bremen 1980, S. 40 f.;
  • Gramatzki, Rolf: Der Elefant. Denkmal - Kunstwerk - Zeichen, in: Elefant, Schulzeitung, hrsg. v. Schulverein des Gymnasiums an der Hermann-Böse-Str., Bremen 1982, S. 2-13;
  • Müller, Hartmut: Lüderitz und der koloniale Mythos. Kolonialbewegungen in Bremen, in: Diskurs. Bremer Beiträge zu Wissenschaft und Gesellschaft. Namibia - Die Aktualität des kolonialen Verhältnisses, Universität Bremen (Hg.), Heft 6., Bremen 1982, S. 125-149;
  • Wenzel, Rudolf: Jumbo, Jumbo. Der Zwitter an der Gustav-Deetjen-Allee, in: Kolonial-Denk-Mal Bremen - Schlüssel zur Dritten Welt, hrsg. v. Dritte-Welt-Haus Bremen u. Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung, Bremen 1984, S. 6-13;
  • Dahlberg, Kerstin u.a. (Hrsg.): Vom Kolonial-Ehrenmal zum Anti-Kolonial-Denk-Mal, Bremen 1990;
  • Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur, Frankfurt/M. 2000, S. 151 ff., 221 ff., 305f.

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