Ein verklärendes Bild der deutschen Repressionsorgane
Auf die Spuren der Kaiserlichen Landespolizei von Deutsch-Südwestafrika begibt sich Sven Schepp. Sein Buch "Unter dem Kreuz des Südens" beeindruckt schon auf Grund des Umfangs und des DIN A-4-Formats. Und neugierig machen zunächst auch der Titel sowie die auffallenden historischen Schwarz-Weiß- und Farbillustrationen, Tabellen, statistischen Übersichten, Faksimiles. Abbildungen von AfrikanerInnen sucht man allerdings vergebens, mit Ausnahme von einigen so genannten „Polizeidienern“.
Der Autor möchte zwei Themenbereiche miteinander verknüpfen: Zum einen soll eine wissenschaftlich fundierte Abhandlung der Geschichte der kaiserlichen Landespolizei als Teil der zivilen Administration des damaligen „Schutzgebietes“ (im Original ohne Anführungszeichen!) Deutsch-Südwestafrika geboten werden. Zum anderen soll durch die Präsentation von möglichst authentischen biographischen Forschungen die Lebenswege von ehemaligen Angehörigen der Landespolizei und deren Familien rekonstruiert werden. Diese sollen repräsentativ sein für „persönliche Einzelschicksale von Menschen der deutschen Kolonialepoche“. Neben der Auswertung von historischen Quellen aus Namibia und Deutschland wird auf private Nachlässe von Nachkommen ehemaliger Polizeibeamter zurückgegriffen.
Nun ist es nicht nur legitim, sondern unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten geradezu eine Notwendigkeit, sich auch mit der Alltagsgeschichte der Kolonialdeutschen, mit Biographien von kolonialen Sachwaltern oder mit den Strukturen und dem Mechanismus der kolonialen Administration in den überseeischen Kolonialgebieten Deutschlands zu befassen. Doch die sicherlich mit viel Fleiß erarbeitete Studie erweckt ein eigenartiges Gefühl; nicht zuletzt weil schon in der Einleitung die aktuelle Forschungsliteratur zur deutschen Kolonialgeschichte ignoriert wird. Es wird zwar konstatiert, dass der Ausbruch und der Verlauf des Herero- und Nama-Krieges zu Beginn des 20. Jahrhunderts im heutigen Namibia recht gut erforscht worden ist, aber Schepps Frage „Was geschah nach den Eingeborenenkriegen?“ erschreckt dann doch. Denn mitnichten wird auf den Widerstand und Verweigerung der „Eingeborenen“ nach 1907 explizit eingegangen. Ablehnend vom Verfasser kommentiert, wird immer wieder eine angeblich „starke Demilitarisierung“ der Kolonialadministration ausgemacht. Die Landespolizei sei deshalb ein „neutraler Vermittler zwischen Bevölkerung und Administration“ gewesen.
Es kommt indes noch schlimmer, wenn Schepp zustimmend Meinungen von zeitgenössischen Kolonialdeutschen übernimmt und behauptet, dass der Landespolizei in Deutsch-Südwestafrika „eine übertriebene Fürsorge bei der Behandlung von Schwarzafrikanern“ vorgehalten worden sei. Über den repressiven Charakter der Polizeitruppe wird auf den mehr als sechshundert Seiten hingegen kaum etwas gesagt. Es handelt sich um eine sehr einseitige, vornehmlich deskriptive Darstellung, die – wenngleich auch spezifisch die Polizei bislang nicht im Mittelpunkt historischer Forschungen stand – die einschlägigen Diskurse um Gewalt und Völkermord in den deutschen Kolonien negiert. Somit entsteht ein verklärendes Bild von der Rolle und der Bedeutung der deutschen Verwaltung und ihrer Repressionsorgane in Deutsch-Südwestafrika.
Ulrich van der Heyden
Sven Schepp: Unter dem Kreuz des Südens. Auf Spuren der Kaiserlichen Landespolizei von Deutsch-Südwestafrika (=Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte, Bd. 8), Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2009. 618 Seiten, 59.- Euro.
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