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Veröffentlicht auf freiburg-postkolonial.de am 26.5.2018

 

 

 

cover Garson

Rezension von:

 

Paul Garson:

African Colonial Prisoners of the Germans.

A Pictorial History of Captive Soldiers in the World Wars (2016)

 

Ein als Nord-Afrikaner kostümierter weißer Soldat ersticht seinen Kameraden in deutscher Wehrmachtsuniform heimtückisch von hinten in den Rücken. Die gestellte Aufnahme aus dem Zweiten Weltkrieg stammt wohl aus dem Privatalbum eines deutschen Soldaten. Der „weiße Mann“ inszeniert sich hier als Opfer, obgleich er doch Täter war, welche Perfidie.
Die Fotografie findet sich in dem Bildband, den der Journalist und Fotograf Paul Garson herausgegeben hat. Der Autor hat für seine „pictorial history“ von afrikanischen Kriegsgefangenen der Deutschen in beiden Weltkriegen rund 250 Bilddokumente zusammengetragen, darunter Pressefotografien und Schnappschüsse von Militärangehörigen, Postkarten, Zeitschriftenillustrationen, Karikaturen, Briefmarken, Filmplakate bis hin zu Reklamesammelbildern. Motivisch dominieren solche Fotografien, die kriegsgefangene Afrikaner nach ihrer Gefangennahme oder in Kriegsgefangenenlagern zeigen. Aber auch Fotografien umgekommener afrikanischer „Hilfssoldaten“ der Alliierten sind darunter. Bekanntlich war es ein Tabu, solche Bilder von toten weißen Soldaten aufzunehmen.

Zwar bietet der Band ein aufschlussreiches Konvolut von Bildern, die den Einsatz von Afrikanern auf den europäischen Kriegsschauplätzen dokumentieren. Doch wird das Buch alles in allem seinem Anspruch nicht gerecht. In der allgemein gehaltenen Einführung werden neben der Militärgeschichte einige Aspekte der Geschichte der afrikanischen Diaspora in Europa abgehandelt. So weit so gut. Aber der im engeren Sinne bildwissenschaftlichen Analyse kommt nur eine Nebenrolle zu. So entsteht der Eindruck, dass die Bilddokumente nur als „Illustrationen“ aufgefasst und präsentiert werden. Zudem hat Garson seinen Text ohne weiterführende Literaturangaben verfasst. Im Anhang findet sich lediglich eine kurze Liste mit (ausschließlich englischsprachigen) Publikationen und Filmdokumentationen. Garson ignoriert die Veröffentlichungen zur visual history. Das ist für eine Publikation dieser Art inakzeptabel. Denn die historische Bildforschung hat sich im Zuge des „iconic turn“ der letzten Jahre auch mit den visuellen (Massen-)Medien des Kolonialzeitalters und der Epoche der Dekolonisation befasst.
Die Abdruckqualität der Fotografien ist mäßig. Gravierender ist, dass Quellenangaben zur Herkunft der Bilder fehlen. Und was die Bildlegenden betrifft, so erschöpfen sie sich überwiegend in einer oberflächlichen Beschreibung der Motive. Manches Mal liegt Garson auch ziemlich daneben, wenn er etwa im Zusammenhang mit einer Abbildung des „Coburger Mohren“ behauptet, Martin Luther hätte während seines sechsmonatigen Aufenthaltes auf der Veste Coburg im Jahr 1530 die Bibel ins Deutsche übersetzt (S. 62. Der Reformator übertrug das Neue Testament bereits rund neun Jahre zuvor auf der Wartburg bei Eisenach in die deutsche Sprache).

Insgesamt handelt es sich zwar um einen verdienstvollen Bildband zur Geschichte der Präsenz von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa, aber die LeserInnen hätten viel stärker an die Hand genommen werden müssen, damit sie nicht den sich in den Bildern manifestierenden kolonialen Blick und den rassistischen Wahrnehmungsmustern auf den Leim zu gehen drohen.

Joachim Zeller, Mai 2018

Paul Garson: African Colonial Prisoners of the Germans. A Pictorial History of Captive Soldiers in the World Wars, McFarland & Company Inc. Publishers, Jefferson/North Carolina 2016, 209 Seiten

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Siehe auch:

  • Maß, Sandra: Weiße Helden – schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918-1964 (2005) Zur Rezension
  • Bechhaus-Gerst, Marianne: Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen. Eine Lebensgeschichte (2007) Zur Rezension
  • Michels, Stefanie: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten. Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika (2009) Zur Rezension
  • Wigger, Iris: Die „Schwarze Schmach am Rhein“. Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse. (2007) Zur Rezension
  • Scheck, Raffael: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten (2009) Zur Rezension