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Presse-Dokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de:

Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg über seinen Besuch bei König Msinga von Ruanda (Teil 1)

siehe auch:

Strizek, Helmut: "Geschenkte Kolonien. Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft" (2006)

Zur Rezension

Freiburger Zeitung, 29. Oktober 1907, 1. Blatt, 1. Seite

Am Hofe Msingas.

Den Reiseberichten, die Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg von seiner Expedition ins innerste Afrika der Täglichen Rundschau zur Veröffentlichung zusendet, entnehmen wir die nachstehenden anschaulichen Schilderungen aus einem bisher von Europäern noch wenig berührten Gebiete des dunklen Erdteils:

Ein Schauspiel ganz eigenartiger Originalität boten die Tage am Hofe Msingas, des mächtigsten Negerfürsten Ruandas, ein Schauspiel, das in solcher Machtentfaltung zu zeigen nur noch wenig schwarzen Herrschern möglich ist.
Die Tage, die uns in mühsamen Märschen durch Ruandas panoramareiches Bergland führten, vorbei an den Stätten alteingesessenen heidnischen Kultes, an den Ueberresten alter Haine, die von früheren Sultanssitzen reden, an Ruandas riesigen Rinderherden, die dem Lande seinen Charakter verleihen, ließen eine gewisse Erregung, die im Volke herrschte, nicht verkennen. Wir sahen, daß der Sultan Msinga uns einen großen Empfang bereiten wolle, denn auf jede Frage nach dem Minalen* (*Oberhaupt eines Bezirkes; unter diesen wieder kleine Watualen) eines Bezirkes wurde geantwortet, er sei zum Msinga gegangen, und viele reisende Watussi , nach dem Ziel befragt, nannten ebenfalls des Sultans Residenz Niansa. Verpflegungskarawanen und Kleinviehherden, von Watussi geführt, hatten dasselbe Ziel. So stand es fest, der Sultan zog alle großen seines Reiches in seine Residenz zusammen. Daher wuchs auch die Spannung bei uns und bei unseren Leuten. Ohne es auszusprechen, fühlte jeder die Bedeutung der nächsten Zeit voraus, und jeder sehnte den Augenblick herbei, nun endlich den Mann von Angesicht zu sehen, dessen Name jedes Kind Ruandas kennt, dessen Wort in seinem Lande Evangelium ist außer, dessen Willen es keinen Willen im ganzen Reich Ruanda gibt.
Schon einige Tage vor der Ankunft in der Residenz Niansa erschien eine große Karawane, die Verpflegung und eine große Menge Ziegen brachte, unter Führung der Watualen Nanturu und Busissi, welche Msingas Grüße brachten und auf seinen Befehl uns Führerdienste leisten sollten. Es war ein „beschämend imponierender“ Eindruck, den man gewann, als diese Riesengestalten typischen Tussi-Charakters vor einem Gefolge von 50 ebensolchen Recken, in der Originaltracht dieses Stammes, das nur als Festgewand gilt, in vornehmer Ruhe, die langen Watussispeere in der Hand, den Bergeshang zu uns herunterschritten. Man vergißt, daß diese Leute Neger sind; u. wenn ein Vergleich mit einem anderen Negervolke möglich wäre, so würde ein solcher am besten noch auf die Massai passen, denen sie in Charakter und Gesichtsschnitt sehr ähneln, da sie, wie diese, ebenfalls hamitisches Blut in sich haben.
Täglich mehrte sich die Zahl der hinzukommenden Watussi, und als uns die Morgensonne des 8. August die Residenz im strahlenden Lichte zeigte, zogen mehrere hundert Leute unserer Karawane voraus.
Kurz vor dem Einmarsch wurde Halt gemacht und Hauptmann Grawert begrüßt, der kaiserliche Resident von Usumbara, der uns bisher in liebenswürdigster Weise alle Wege geebnet hatte und nun zu unserer Begrüßung herankam.
Dann wurde die Karawane geordnet, die Askari vorgezogen, die Fahnen enthüllt und unter dem Klange der Signaltrompeten der Einmarsch in Niansa angetreten, nicht, wie es sonst geschah und wir im Bukoba-Bezirke gesehen hatten, schon jetzt durch herbeiströmende Menschenmassen geehrt, und mit Zuruf und Händeklatschen begrüßt, sondern von ferne, von den Hügeln und Höhen, von vielen Tausenden neugieriger Augen verfolgt, aber nicht behelligt.
Das Lager wurde in der Nähe des Sultanshauses, auf einem von Hauptmann von Grawert hergerichteten Platze aufgeschlagen, während die uns begleitenden Watualen sich empfahlen, um zum Sultan selbst hineinzugehen und sich für den Besuchsgang zu rüsten. Nachdem dann das Lager fertig, gesäubert und geordnet war, sandten wir dem Msinga die Botschaft, daß wir ihn erwarteten.
Neben dem Wege, der das Lager mit dem Sultanshof verband, hatten sich inzwischen große Menschenmassen, meist Wahutu, eingefunden, die neugierig die Vorgänge im Lager beobachteten. Doch diese störten augenscheinlich den Sultan bei seinem beabsichtigten Besuch, denn plötzlich erschienen zwei mit rotem Zeug angetane Läufer aus der Palastumzäunung, blieben halten und schleuderten ihre langen Stäbe mit vollster Wucht ins Publikum hinein, um es durch diese zarte Aufforderung zu ersuchen, „etwas zurückzutreten“. Augenblicklich war der Platz leer. Einige Steinwürfe vollendeten die Säuberung. Dann löste sich der Zug vom Menschengewirr, das den Eingang zur Palastumzäunung umlagerte, los und bot ein Bild ursprünglichster Originalität, das nur, wie hier, fernab vom allgemeinen Pfad der Reisenden, sich so erhalten kann.
Zu zweien und zweien schritten die Söhne der vornehmen Watussi und diese selber, mehrere hundert, daher; die kleineren voraus, die folgenden immer großer werdend, bis zu den Riesengestalten von zwei Metern und darüber, die Msingas Thronsessel umgaben. Vor diesem ging eine Musikbande von Waiwazwergen; alle gruppierten sich um uns, im Kreise uns umgehend, alle trugen den langen Watussispeer über der Schulter und hatten als „Paradeanzug“ eben jene Originaltracht angelegt, die nur zu ganz besonderen Gelegenheiten getragen wird: den Kopf und das kammartig von Ohr zu Ohr geschnittene Haar umgibt eine dünne Perlenschnur, den Hals bis tief auf die Brust herab eine Fülle dünner Schnüre aus Bananenbast, an denen kleine Perlenschmuckspangen verschiedenster Farbe, Form und Größe, Mitato genannt, befestigt sind. Die Lenden umhüllt ein schmales Fell aus Rinderhaut, das Haar nach innen, dessen oberen Rand ein dünn, schwarz weiß gestreift genähtes Rinderfell umsäumt. Von des Schurzes unterem Rand reichen lange, ebenfalls schwarz-weiß geringelte Schnüre bis zu den Füßen. Eine Masse dünnen Drahtes umringt die Knöchel; Armbänder aus Kupferdraht und bunten Perlen die Gelenke.
So bewegte sich der Zug in vornehmer Ruhe bis an unseren Standort heran, hinter dem die Wache unserer Karawanentruppe ins Gewehr trat. Des Sultans Thronsessel, ein langer Korb, dessen Bambus-Tragstangen auf den Schultern von Watwa-Leuten ruhten, senkte sich zur Erde, worauf ich dem Sultan, unter präsentiertem Gewehre der Askari, zur Begrüßung entgegentrat. Er antwortete mit den deutschen Worten: Guten Morgen, Ew. Hoheit.
Msinga ist eine ebenfalls 2 Meter hohe, imponierende Gestalt, dessen Gesichtsausdruck zwar durch einen Augenfehler und stark vorspringende Oberzähne leidet, aber nicht unsympathisch ist. Er ist ein Mann von Verstand und ein Fortschrittler. Seine Fragen streiften die verschiedensten Interessensphären, und viele Kleinigkeiten bemerkte er sofort. So stellte er auch bei der Unterhaltung, die wir, im Kreise auf Stühlen sitzend, vor meinem Zelte abhielten, recht bemerkenswerte Fragen, die von Ueberlegung und logischem Denken zeugten. Alle großen Watualen umstanden uns. (Schluß folgt.)


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