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Aus: iz3w 275/2004, S. 42

Personen Lokalpresse

»Global und frei verfügbar« - Die Basler Mission stellt 28.000 Kolonialbilder im Internet aus

von  Stephan Günther

Die Entstehungsgeschichte liest sich wie ein moderner Abschnitt in Umberto Ecos »Der Name der Rose«: 1970 stößt ein Gärtner im Basler Missionshaus zufällig auf einen Haufen verstaubter Alben und Briefumschläge mit alten Fotografien, die achtlos in einem Wandschrank deponiert sind. Einige Jahre später entdeckt eine Missionssekretärin auf dem Dachboden des Missionshauses weitere historische Aufnahmen. Erst in den letzten 12 Jahren wurden diese Fundstücke geordnet und datiert, etwa 28.000 der insgesamt etwa 50.000 Bilder wurden nach einem Konzept der Ethnologin Barbara Frey Näf und des Archivars Paul Jenkins inventarisiert, mikroverfilmt, reproduziert und beschrieben. Herausgekommen ist eine einzigartige Sammlung von Kolonialfotografien aus der Zeit zwischen 1860 und 1950, die seit gut einem Jahr nun kostenlos im Internet zugänglich ist – unter www.bmpix.org.

Die meisten der Bilder wurden in den ehemaligen Tätigkeitsgebieten der Mission aufgenommen: In Ghana, Kamerun, Togo, Südindien, Borneo und Südchina. Die Sammlung, die früher fast ausschließlich von den Archivaren und wenigen Wissenschaftlern genutzt wurde, soll jetzt »global und frei verfügbar« sein. »Es ist ein gewaltiges Signal der Basler Mission«, so Beat von Wartburg, Verlagsleiter der Christoph Merian Stiftung, die das Projekt finanziert hat, »von diesem Besitzstand loszulassen und dieses Kulturgut an die Länder zurückzugeben.« Jedenfalls virtuell; die Originale verbleiben in Basel.

Weil historische Zeugnisse – zumal fotografische – in den ehemaligen Kolonial- und Missionsgebieten meist sehr rar sind, versprechen sich die Ausstellungsmacher eine große Resonanz und einen »Interkulturellen Dialog«. Der Archivar Jenkins hofft, dass »viele Menschen in Afrika und Asien unterschiedlichster kultureller und religiöser Prägungen mit den Bildern arbeiten und ihre Ergebnisse austauschen werden.« Um die eurozentristische Ausrichtung – die Aufnahmen wurden zum Großteil von EuropäerInnen gemacht – zu schmälern, wurden Autoren aus den Herkunftsländern der Fotografien engagiert, um die Bilder mit eher essayistischen Beiträgen zu interpretieren.

Die »Visual Interpreters«, Rahul Mehrotra, indischer Architekt aus Mumbai/Bombay, und Emmanuel Akyeampong, ghanaischer Historiker, der zur Zeit das Programm für Afrikastudien in Harvard (Boston) leitet, haben die Bilder gegliedert – der eine nach Tempeln, Häusern, Moscheen; der andere nach regionalen und thematischen Gesichtspunkten: Die Kapitel zu Sklaverei, Religionen, Mission, Gesundheitswesen oder regionalen Märkten bieten jeweils eine Reihe historischer Aufnahmen aus unterschiedlichen Missionsgebieten mit einem englischsprachigen Kommentar.

Vieles spricht allerdings auch für sich allein. Die Bilder der Missionslehrerin Anna Wuhrmann, vorwiegend Porträts aus Kamerun aus den Jahren 1911 bis 1915, sind durch die Fotografin selbst kommentiert. Zu einem Bild einer Spinnerin schreibt sie etwa: »In der landwirtschaftlichen Versuchsstation lebte ein deutscher Beamter, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und die Eingeborenen wie gleichwertige Menschen behandelte. Er interessierte sich lebhaft für alles, was der Neger aus eigener Initiative fertig brachte, und freute sich über alles, was dem Schwarzen gelang. Ein europäisches Spinnrad ist auch sein Geschenk.«

Der Aufbau der Internetseite ermöglicht sowohl die gezielte Suche nach einzelnen Bilddokumenten als auch den virtuellen Gang durch die Ausstellung. Letzteres ist über die beschriebene Funktion »Visual Interpreters« möglich, wobei nur von den Interpreten ausgewählte Fotos gezeigt werden. Die Suchfunktion (»Search«) dagegen bietet Zugriff auf alle Bilder des Archivs. Recherchiert werden kann nach Regionen, Themen oder auch Fotografen. Die Webdesigner haben damit eine beeindruckende Übersichtlichkeit geschaffen – in einer schier unüberblickbaren Masse von Bildern.

        Stephan Günther ist Mitarbeiter im iz3w. Die Bildergalerie der Basler Mission/ mission 21 ist unter www.bmpix.org zu finden.