Rezension von:"Postkoloniale Theorie - Eine kritische Einführung" |
Freiheit für den Widerspruch Während die Postcolonial Studies im englischsprachigen Raum spätestens seit den 1980er Jahren einen unverzichtbaren Bestandteil des sozial- und kulturwissenschaftlichen Kanons bilden, ist die postkoloniale Kritik und Theoriebildung in Deutschland bis vor kurzem nicht wahrgenommen oder gar abgelehnt worden. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich viele WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen hartnäckig weigern anzuerkennen, dass Deutschland ein Land mit kolonialer Vergangenheit ist. Doch auch die Linke in Deutschland hat die theoretischen Ansätze aus dem Umfeld der Postcolonial Studies als Instrumentarium zur Kritik von Rassismus, Imperialismus, Multikulturalität, repressiver Migrationspolitik oder deutscher Leitkulturdebatte vielfach mit dem Argument "postmoderner Beliebigkeit" abgelehnt. Erst seit Ende der 1990er Jahre werden auch hierzulande postkoloniale Theorien breiter rezipiert und für Deutschland kontextualisiert (etwa Kien Nghi Ha: "Ethnizität und Migration", 1999, und "Hype um Hybridität", 2005, sowie Encarnación Gutiérrez Rodriguez und Hito Steyerl: "Spricht die Subalterne Deutsch - Postkoloniale Kritik und Migration", 2004). Nun haben María Do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan mit ihrem Buch Postkoloniale Theorie - eine kritische Einführung erstmals in deutscher Sprache einen systematisch angelegten Überblick der Geschichte und Methodologie sowie der zentralen Begriffe, Theoreme und VertreterInnen der Postcolonial Studies veröffentlicht. Die beiden Autorinnen merken allerdings bereits im Vorwort an, dass ihr Anspruch, eine kritische Einführung vorzulegen, gerade jetzt, "wo im deutschsprachigen Kontext von einer merklichen Rezeption postkolonialer Theorie gesprochen werden kann", zwar möglicherweise jenen das Wort reden könne, die hierzulande nach wie vor eine Auseinandersetzung mit postkolonialen Theorien ablehnen, "noch ehe sie sich einen Platz im kritischen Diskurs sichern konnte." Überwogen habe schließlich jedoch die Überzeugung, dass "die Anstöße, die aus der Richtung postkolonialer Theorie kommen", nicht nur "wissenschaftlich fruchtbar", sondern "auch politisch wichtig und notwendig sind". Stefanie Kron Diese Rezension erschien in: iz3w Nr. 291 (März 2006), S. 45
|