Rezension von"Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905 - 1907" |
Noch ein in Deutschland vergessener Kolonialkrieg Zwei 100-Jahrestage von Kriegsausbrüchen waren der Anlass, die öffentliche Aufmerksamkeit auf Aspekte der deutschen Geschichte zu lenken, die weitgehend in Vergessenheit geraten waren. So brachte etwa der Christoph Links Verlag zunächst einen gehaltvollen Sammelband zum deutschen Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (1904-1908) heraus. In 2005 wurde dann „Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905-1907“ nachgelegt. Die HerausgeberInnen Felicitas Becker und Jigal Beez haben darin siebzehn Artikel durchweg kompetenter AutorInnen - sich eingeschlossen - versammelt. Im ersten Teil wird ein vielschichtiges Bild der Region gezeichnet, die sich heute weitgehend mit Tansania deckt. Vorgestellt werden die Wanderungsbewegungen des 19. Jahrhunderts aus dem südlichen Afrika, der Sklavenhandel wie auch die wirtschaftliche Vormachtstellung Sansibars. Der Beitrag von Reinhard Klein-Arendt widmet sich den Akteuren der gewaltsamen Inbesitznahme des Landes. Zwar wurden die von Carl Peters kontrollierten Gebiete 1885 von Bismarck unter den „Schutz“ des Reiches gestellt, es sollten jedoch noch 15 Jahre mit vielen Eroberungszügen und Strafexpeditionen vergehen, bis sich die deutsche Herrschaft auf das ganze Land erstreckte und stabilisierte. Klein-Arendt bilanziert nüchtern die Gründe für den 1905 ausbrechenden Aufstand: „Militärische Eroberung, Besteuerung, Zwangsarbeit und Landenteignung, außerdem überhebliches Gebaren von Seiten der Deutschen, Brutalität und Ausbeutung von Seiten der ortsfremden Askari“. Die folgenden Artikel erzählen die Geschichte des Propheten Kinjiketile, der rasanten Verbreitung seiner Maji-Maji-Medizin, die unverwundbar machen sollte, und gehen auf das konkrete Kriegsgeschehen im südlichen Teil des Landes ein. Den symbolträchtigen Beginn der Erhebung verschiedenster Bevölkerungsgruppen markiert das Ausreißen von in Zwangsarbeit angebauter Baumwolle auf einer Plantage in den Matumbi-Bergen. Nach ein paar Erfolgen schlagen die Deutschen mit voller Härte zurück. Wenige Weiße Offiziere mit einer Askari-Söldnertruppe und einem Heer von Hilfskriegern und Lastenträgern mähen die Gegner mit Maschinengewehren nieder. Als diese auf Guerillakrieg umstellen, reagieren die Deutschen mit einer Strategie der verbrannten Erde, plündern, brennen Dörfer, Felder und Ernten nieder. Infolge dessen ausbrechende Hungersnöte und Seuchen sollen weit mehr Opfer gekostet haben als die unmittelbaren Kämpfe. Ludger Wimmelbücker diskutiert die weit auseinander gehenden Schätzungen der Opferzahlen und ihre Grundlagen. Während die Zahl von 15 Europäern fest steht, schwanken die Zahlen für die AfrikanerInnen zwischen 75.000 und 300.000; er selbst hält eine Zahl von 180.000 Kriegsopfern für wahrscheinlich. Einblicke anderer Art gibt die Spurensuche in zeitgenössischen Dokumenten, einem Swahili-Gedicht und späteren Berichten von ZeitzeugInnen. Inka Chall und Sonja Mezger konstatieren in ihrer Untersuchung der Kolonialpresse, dass der Maji-Maji-Krieg im Unterschied zum Herero- und Nama-Krieg in „Deutsch-Südwest“ kaum in der deutschen Öffentlichkeit präsent war. Zwar gab es hier viel mehr Opfer, doch waren weit weniger weiße Deutsche Soldaten und Siedler vor Ort – afrikanische Opfer zählten nicht. Gemeinsam war der Berichterstattung zunächst die Verwunderung über die Widerstandshandlungen, weshalb man nach ‚äußeren’ Ursachen suchte. In manchen Artikeln hemmen zwar die vielen Nennungen von Orten, Ethnien und Personen für Nichtspezialisten den Lesefluss, auf der anderen Seite spricht die Vielfalt der Perspektiven an. Am Ende fordert Isack Majura die Deutschen nachdrücklich zur Auseinandersetzung mit ihrer Kolonialvergangenheit in Ostafrika auf. Das Buch bietet eine gute Grundlage für diese neue Debatte. Heiko Wegmann, Juni 2006 Felicitas Becker und Jigal Beez (Hg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905 - 1907, Ch. Links Verlag, Berlin 2005, 238 S., 22,90 €; siehe auch zum Thema:
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