Heiko Wegmann:Freiburg und der Gouverneur von "Deutsch-Südwestafrika" Theodor Leutwein(2006, zuletzt aktualisiert: 23.5.2014) |
Inhalt:
Zur Person: Beginn der Militärkarriere in Freiburg, Kolonialdienst Theodor Gotthilf Leutwein wurde am 9.5.1849 in Strümpfelbrunn in Baden geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Konstanz studierte er zunächst zwei Semester Rechtswissenschaft in Freiburg i. Br., bevor er hier 1868 seine militärische Laufbahn beim 5. Badischen Infanterie-Regiment (nach Reichsgründung mit dem Zusatz "Nr. 113") eingetreten. Am 15. Oktober 1869 wurde er zum Leutnant befördert. 1870/71 nahm er als Adjutant des 5. Badischen Landwehr-Bataillons am Krieg gegen Frankreich teil. Dieser mündete in der Gründung des Deutschen Reiches im Spiegelsaal von Versailles und legte damit auch die Grundlage für die folgende deutsche Kolonialpolitik. Danach trat Leutwein zunächst zum Freiburger Regiment zurück. 1879 bis 1882 war er auf der Kriegsakademie Berlin. Von 1881 bis 1882 wurde er zum Großen Generalstab kommandiert. 1882 kehrte er wieder nach Freiburg zurück, wo er 1885 zum Hauptmann befördert wurde. 1887 bis 1893 betätigte er sich als Lehrer für Taktik an den Kriegsschulen in Neiße und Hersfeld und kam in das Infanterie-Regiment 46 in Posen, in dem er im Januar 1893 zum Major aufrückte. 1893 ging er schließlich als Major in die Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und führte in den Folgejahren diverse Feldzüge gegen die einheimische Bevölkerung (etwa die Witbooi) durch bzw. ordnete sie an und befehligte sie. 1895 stieg er zum Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe auf und löste Curt von Francois als Landeshauptmann ab. 1898 wurde Leutwein schließlich zum Gouverneur der Kolonie befördert. Unter ihm begann die systematische Errichtung der deutschen Herrschaft nach dem Prinzip "teile und herrsche". Während des Herero-Krieges 1904 übertrug der Berliner Generalstab die Befehlsmacht über die Schutztruppe von Leutwein auf den Schlächter General von Trotha. Leutwein stieg 1905 zwar militärisch noch weiter zum Generalmajor auf, das Jahr markiert jedoch gleichzeitig auch das Ende seiner Herrschaft in Deutsch-Südwestafrika, denn aufgrund seiner Ablehnung der Vernichtungspolitik Trothas ließ er sich in den Ruhestand versetzen. Er schrieb u.a. das Buch "Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika" (Berlin 1906) sowie die Artikel "Die Konzessionsgesellschaften" (in: Deutsche Revue, August 1906) und "Zur Besiedlungsfrage" (in: Deutsche Revue, Juni 1908). Bild: v.l.n.r: Theodor Leutwein, Zacharias Zeraua, Dolmetscher Kleinschmidt, Manasse Tyiseseta, Samuel Maharero, im Jahr 1895. Leutwein, Freiburg und Völkerkunde Leutwein hatte eine besondere Beziehung zu Freiburg und fühlte sich der Stadt sehr verbunden. Als Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika 'unterstützte' er das im Aufbau befindliche Völkerkundemuseum der Stadt: "Die Korrespondenz zwischen ihm und dem Freiburger Völkerkundemuseum beginnt mit einem Brief des damaligen Oberbürgereisters Dr. Winterer vom Herbst 1898, der außer an Leutwein auch an Major Dürr, Kommandeur des III. Seebataillons in Kiautschou und an den kaiserlichen Gesandten in Buenos Aires, Freiherr von Mentzingen, ging. Winterer legt darin dar, man hoffe in Freiburg das seit drei Jahren geplante Museum im nächsten Frühjahr eröffnen zu können, daß es aber speziell aus den jeweiligen Regionen noch an Ausstellungsstücken mangele, und bittet die Herren, da man sich 'angesichts der häufigen Fälschungen nicht gerne der Vermittlung von Händlern' bediene, um Adressen von Leuten, an die man sich wenden könne. Leutwein antwortete darauf aus Windhoek, er werde der Bitte des Museums seiner alten Garnisionsstadt gerne nachkommen, wozu er auf seinen häufigen Expeditionen Gelegenheit haben werde. Sodann habe er zwei Bezirkshauptleute um Mitwirkung gebeten, und zwar für die Herero und Ovambo den Bezirkshauptmann von Outjo, Premierleutnant Franke, sowie für die Hottentotten den des Bezirks Gibeon, Herrn von Burgsdorff. (...) Beide Herren scheinen mit ihren militärischen Angelegenheiten zu beschäftigt gewesen zu sein, um sich dem Freiburger Anliegen weitergehend zu widmen, denn über sie gelangten keine Ethnografika ins Museum. Stattdessen kündigte Leutwein Ende 1899 und Anfang 1900 den Abgang zweier Sammlungen nach Freiburg an, wobei die eine von einem Hauptmann Fromm in Omaruru in seinem Auftrag erworben worden sei und von ihm, Leutwein, dem Museum zum Geschenk gemacht werde. Die andere Sammlung habe der Chefarzt der Schutztruppe zusammengestellt, der 's. Zt. in Freiburg studiert (:Korps Hasso Borussia) und seitdem dieser schönen Stadt ein treues Andenken bewahrt' habe. (...) Lübberts und Leutweins Sammlungen bestanden aus einmal 22 und einmal 50 Gegenständen der Herero und Damara. Lübbert scheint seine Sammlung systematisch angelegt zu haben, denn sie bestand u.a. aus der kopletten Kleidung einer reichen Hererofrau, einer armen Hererofrau, eines Hereromannes und eines Kindes. Die Kleidung der reichen Hererofrau mit dem charakteristischen Eisenschmuck wurde 1903 zur Ausstattung einer Kostünmfigur verwendet." (Dürrenberger 1995, S. 91f.). Leutwein schrieb noch einmal 1902 aus Gundelfingen sowie 1905 an das Museum: "In seiner letzten kurzen Mitteilung an das Freiburger Museum, die bereits mit Generalmajor a.D. gezeichnet ist, meint man, etwas von seiner Resignation zu spüren. Er kündigt seinen Besuch für den 29.10.1905 an, bittet aber, sich nicht extra zu bemühen, sich aber bei zufälliger Anwesenheit des Angeschriebenen (wohl Ficke) zu freuen, ihn begrüßen zu können." (Dürrenberger 1995, S. 93). Leutwein, Lübbert und Dürr wurden 1900 in die marmorne Ehrentafel für besondere Stifter und Förderer des Museums für Natur- und Völkerkunde eingetragen, die bis heute - völlig unkommentiert! - im Eingang des Museums hängt (Bild der Tafel / 317 KB). Weitere Freiburg-Verbindungen: Bruder und Sohn In der Forschung war bislang unbekannt, was Leutwein gerade nach Gundelfingen brachte. Aufklärung bringt eine Zuschrift an die Freiburger Zeitung im Jahre 1935 anlässlich der Reichskolonialtagung in Freiburg. Sie wies darauf hinwies, dass Leutweins Bruder lange Jahre mit großer Beliebtheit als evangelischer Pfarrer in Gundelfingen amtiert habe. Er hatte also den gleichen Beruf wie ihr Vater eingeschlagen. Wenig bekannt ist auch, dass auch Theodor Leutweins Sohn wie sein Vater dem 5. Badischen Infanterieregiment Nr. 113 angehört hatte. Paul Leutwein (1882-1956) wurde dem Freiburger Regiment am 9. Februar 1900 vom Kadettenkorps als Fähnrich überwiesen. Am 18. Januar 1901 zum Leutnant befördert, ließ er sich zum 18. Juli 1903 für eine Reise nach Deutsch-Südwestafrika beurlauben. Während des Herero-Nama-Krieges trat er dann 1904 zur Kaiserlichen Schutztruppe für DSWA über, die unter dem Befehl seines Vaters stand (bis von General Lothar von Trotha das Kommando übernahm). In das Freiburger Regiment trat er nicht mehr zurück, sondern setzte seine Militärlaufbahn andernorts fort. Paul Leutwein verbrachte über drei Jahre in Freiburg, wo er in der Erbgroßherzog-Friedrich-Kaserne (Sautierstraße 4) wohnte. Später wurde er einer der führenden deutschen Kolonialpublizisten (siehe auch Seiten des Bundesarchivs zu Paul Leutwein, wo sich ein Nachlass befindet). Rückkehr nach Freiburg, Überlingen und wieder Freiburg Die Freiburger Zeitung berichtete im August 1905, dass Theodor Leutwein nach Freiburg gezogen sei. Angesichts des festgefahrenen Krieges in Südwestafrika schrieb sie: "Die jetzigen Verhältnisse in den Kolonien haben dem früheren Gouverneur recht gegeben. Seine Politik, den Aufständischen zwar derbe Zuchtmittel zu zeigen, ihnen dann aber auch die Hand zur Versöhnung zu reichen, scheint jetzt wieder befolgt werden zu sollen" (Freiburger Zeitung, 25.08.1905, 1. Blatt., 2. S., ganzer Artikel). Weiter wird ihm zugute gehalten, in seiner dortigen Zeit mehrere Aufstände "glücklich" niederschlagen zu haben. Am 10.12.1905 wurden auf der Titelseite der Freiburger Zeitung lange Passagen aus einem Artikel Leutweins anlässlich des Todes des Nama-Kapitäns Hendrik Witbooi wieder gegeben ("Generalmajor a. D. Leutwein über den Tod Hendrik Witbois", ganzer Artikel). Bild: Leutwein Street in Swakopmund/Namibia (H. Wegmann, 2006) Das gedruckte und zu Werbezwecken öffentlich verbreitete Mitgliederverzeichnis der Freiburger Ortsgruppe des imperialistischen "Deutschen Flottenvereins" vom 15. Dezember 1905 führt ihn als Generalmajor a.D. mit Wohnsitz in der Karlstraße. Zu den 822 Mitgliedern zählten z.B. auch Brauereidirektor H. Ganter (Schwarzwaldstr. 35) und mehrere korporative Mitglieder wie Burschenschaften, die "akademische Gesellschaft Schwarzwald" oder der "Sozialwissenschaftliche Studentenverein". Leutwein wohnte ab ca. 1909 in Ueberlingen/Bodensee (in dieser Zeit gehörte er z.B. dem Ehrenausschuss des "Kolonialkriegerdank" an), zog aber 1919 wieder nach Freiburg, wo er 1921 im Alter von 72 Jahren starb. Sein Grab befindet sich auf dem Hauptfriedhof (Feld 63, Reihe 1, Nr. 15-16, s.u.). Im Einwohnerbuch der Stadt Freiburg von 1941 wird seine zweite, sehr viel jüngere Frau Clara Leutwein als "General-Witwe" in der Rehlingstraße 4 verzeichnet. 1935 hatte sie ein Grußtelegramm an die Mitte Juni in Freiburg stattfindende Tagung des mittlerweile stark NS-lastigen Reichskolonialbundes gerichtet, von der auch eine Delegation einen Kranz am Grabe ihres Mannes ablegte. Regelmäßige Huldigungen am Grab erfuhr der Verstorbene durch den Freiburger "Verein ehemaliger Kolonialkrieger und Überseedeutscher". 1933 erschien bspw. auch ein Artikel von deren 1. Vorsitzenden Josef Kaiser über Theodor Leutwein und die ersten Monate des Herero-Krieges (Freiburger Zeitung, 26.04.1933 Artikel). Im Jahre 1992 kam eine Abordnung des Deutschen Pfadfinderbundes aus Windhoek/Namibia zur 'Einweihung' des gerade renovierten Grabes von Leutwein nach Freiburg (siehe Dokumentation einer Debatte in der Badischen Zeitung Juli/August 1992 um Leutwein und den Besuch an seinem Grab). In dieser Zeit engagierte sich dieser Pfadfinderbund auch in Namibia selbst für das Andenken an Leutwein: "1992 legte der Horst Windhoek des Deutschen Pfadfinderbundes auf vereinseigenem Gelände den Grundstein für einen 'Wachturm'. Der Turm, so der Landesführer des Pfadfinderbundes, soll 'Wache halten und den Kampfgeist, der in uns schlummert, wecken, sollte unsere deutsche Identität bedroht werden' (Allgemeine Zeitung, 27.11.1992). (...) Als 1993 die nach dem ehemaligen Deutschen Gouverneur Theodor Leutwein benannte Straße in Windhoek den Namen Robert Mugabe-Avenue erhielt - die Umbenennung sorgte in der deutschsprachigen Presse des Landes für einige Aufregung -, erhielt der Turm dessen Namen. Und 1994 schließlich wurde von den Pfadfindern mit einem feierlichen Gedenkakt die zuvor aus der Windhoeker Kathedrale entfernte Kolonialkrieger-Gedenktafel am Leutwein-Turm angebracht und neu eingeweiht." (Zeller 2000, S. 264). In Leutweins Geburtsort Strümpfelbrunn bei Heidelberg brachten Mitglieder und Freunde des Bezirks Rhein-Neckar der Deutsch-Namibischen Gesellschaft 1992 am alten Pfarrhaus in der Alten Marktstr. 37 eine Erinnerungstafel zu seinen Ehren an. In Freiburg gab es mehrere Anläufe, eine Straße nach Theodor Leutwein zu benennen. So wandte sich u. a. im August 1936 der langjährige Vorsitzende der Deutschen Kolonialgesellschaft (ab 1936 Reichskolonialbund), Oberstleutnant a. D. Max Knecht, mit der Bitte um koloniale Strassenbenennungen an den NS-Oberbürgermeister Dr. Franz Kerber. Dieser erklärte nach Rücksprache mit Hoch- und Tiefbauamt, dass die Stadt grundsätzlich bereit sei, Straßen und Plätzen koloniale Namen zu geben, es seien im Moment nur keine verfügbar. Im Dezember 1936 startete Knechts Nachfolger, der Kolonialschriftsteller Dr. Hans Offe, einen weiteren Versuch. Offe, der 1934/35 selbst in "Südwestafrika" und Südafrika gelebt hatte, zielte nun ganz besonders auf eine Leutweinstraße ab. Sein OB Kerber dargelegter Plan war, bei der Aufführung eines kolonialen Theaterstücks im Freiburger Stadttheater und im Beisein von Leutweins in Freiburg lebender Witwe, die Umbenennung einer Leutweinstraße zu verkünden. Kerber hegte zunächst Zweifel, ob sich Leutwein mit Pionieren wie Lüderitz, Peters, Wissmann oder Nachtigal vergleichbare Verdienste erworben habe. Zudem lehnte er die thematische Umbenennung einer einzelnen Straße aus städteplanersichen Gründen grundsätzlich ab. Er fasste vielmehr die Benennung eines ganzen Neubauviertels mit Kolonialnamen ins Auge und holte zu diesem Zwecke eine Vorschlagsliste mit bedeutenden Namen beim Gauverband Baden des Reichskolonialbundes ein. Der Gauverband empfahl der Stadt Freiburg gerade auch Leutwein, weil dessen Verdienste um Deutsch-Südwestafrika ganz erheblich seien und er darüber hinaus Badener und besonders mit Freiburg verbunden gewesen sei. Die Freiburger "Stadterweiterungsstelle" wurde daraufhin von Kerber damit beauftragt, ein planmäßig feststehendes, aber noch unbezeichnetes Baugebiet zu benennen. Eine parallele Intervention kam von der Kameradschaft Freiburg des Kolonial-Kriegerbundes im Februar 1937. Kameradschaftsführer Dr. Wilhelm Winterer schlug dem OB Kerber vor, den innenstädtischen Karlsplatz in Leutwein-Platz umzubenennen. Der Freiburger Leutwein habe auf dem Karlsplatz als alter 113er selber Rekruten ausgebildet. Eine koloniale Umbenennung durch die Stadt sei ein wirksames Mittel, um den toten Punkt der kolonialen Ideen zu überwinden und praktisch vorwärts zu kommen. Aus dem internen wie externen Schriftverkehr der Stadt lässt sich zwar der bestimmte Wille erkennen, das Vorhaben - unter Einbeziehung Leutweins - tatsächlich umzusetzen. Allerdings war die Zahl der Neubaugebietezu beschränkt und es hatten sich vor den Kolonialbefürwortern schon einige andere Interessengruppen mit ihren Themen vormerken lassen (vonbedeutenden "Rasseforschern" bis zu Komponisten). Daher folgten auf weitere Nachfragen seitens des Kreisverbandes immer nur weitere Absichtserklärungen der Stadt (Stadtarchiv Freiburg, C4/XII/30/01).
Bild: Leutwein-Hof in Windhoek/Namibia (H. Wegmann, 2006) Zum Seitenanfang Vielen Militärs und deutschstämmigen Siedlern war die Politik des an Verhandlungslösungen gegenüber der schwarzen Bevölkerungsmehrheit interessierten Gouverneurs Leutwein nicht scharf genug. Und auch angesichts des Vorgehens seines Widersachers, des besonders verbrecherischen Generals von Trotha, wird Leutwein bis heute häufig als der "rationale" und den "Eingeborenen" wohlgesonnene, mithin liberale Kolonialist dargestellt. Trotz der deutlichen Unterschiede zu Trotha sollte jedoch nicht vergessen werden, was letztlich der Zweck und die Mittel seines Aufenthaltes in der Kolonie von 1893 bis 1905 waren: der systematische Ausbau der deutschen Herrschaft über das Land, Errichtung einer deutschen Siedlerkolonie bei Unterwerfung der (farbigen) BewohnerInnen des Landes, "Rassentrennung" und Ausbeutung der Bodenschätze. Nicht umsonst argumentierte Leutwein wiederholt gegen Trothas Vernichtungspolitik gegenüber den Herero, dass man die "Eingeborenen" nicht alle umbringen dürfe, weil man die Arbeitskräfte doch als wichtigen Faktor zur wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes benötige. In die Debatte der KolonialhistorikerInnen ist jedoch mittlerweile Bewegung gekommen. So schrieb Joachim Zeller (2002) in einer Rezension über Jürgen Zimmerers an der Freiburger Universität erstellte Studie "Deutsche Herrschaft über Afrikaner" (2001), dass die verschärfte Rassenpolitik seit Trotha nicht nur als Bruch anzusehen sei: "Die in den Jahren nach 1907 auf Grundlage der neu erlassenen Verordnungen betriebene 'Eingeborenenpolitik', die auf die möglichst totale Erfassung und Kontrolle der afrikanischen Bevölkerung zielte, um damit Zugriff auf deren Arbeitskraft zu haben, stellte keinen grundsätzlichen Neubeginn dar; vielmehr konnten die deutschen Kolonialherren nunmehr ihre längst vor dem Krieg formulierte Herrschaftsutopie in dem 'Schutzgebiet' durchsetzen. (...) Damit unterzieht Zimmerer aber auch die Vorkriegspolitik einer Neubewertung, war doch die Arbeit des langjährig amtierenden Gouverneurs Theodor Leutwein in der Literatur bisher zu gut weggekommen. Zimmerer argumentiert, dass die direkte Unterwerfung der in der Siedlungskolonie lebenden afrikanischen Völker schon unter Leutwein beabsichtigt gewesen sei. Viele Gesetzestexte lagen schon fertig formuliert in der Schublade, so dass der Krieg, gleichsam als 'Katalysator' wirkte und die hochwillkommene Gelegenheit bot, die bisher mangels militärischer und finazieller Mittel lediglich indirekte Herrschaft in eine direkte umzuwandeln. (...) Abschließend kann mit Zimmerer resümiert werden, dass es die oberste Zielsetzung des südwestafrikanischen Kolonialstaates war, eine neue, auf 'Rassentrennung' basierende Gesellschaftsordnung zu errichten, eine Gesellschaftsordnung, die zutreffend als 'rassische Privilegiengesellschaft' charakterisiert wird, innerhalb derer die weißen Kolonialherren den Afrikanern lediglich die Rolle als Billiglohnarbeiter (fast) ohne jede Rechte zugestanden. So bleibt daran zu erinnern, dass den Deutschen der zweifelhafte Ruhm zukommt, die eigentlichen Erfinder der Apartheidspolitik in Südwestafrika gewesen zu sein, jenem unseligen System, das später die seit 1915 regierenden Buren perfektionierten und das erst mit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 sein Ende finden sollte." Es ist traurig, aber wahr: Während Leutweins Grab und das Andenken an ihn von bestimmten Gruppen gepflegt werden, gibt es in Freiburg kein Mahnmal für die Opfer des deutschen Kolonialismus. Das Adelhauser Museum wäre neben der Universität eine wichtige Institution, die Freiburgs Verwicklungen mit dem Kolonialismus öffentlich aufarbeiten und anlässlich der hier vorhandenen Exponate in Kontakt mit VerteterInnen der Nachkommen kolonisierter Gesellschaften treten sollte. Eine kritische Kommentierung der Ehrentafel wäre ein kleiner, aber richtungsweisender Schritt.
Freiburger Berichte
Heiko Wegmann, 2.5.2006; zuletzt aktualisiert: 24.02.2010 Fotos vom Grab Leutweins in Freiburg (Heiko Wegmann 2006)
Ein drastisches Beispiel für das herrische Selbstbild deutscher Kolonisatoren (Buchtitel von 1907)
Informationen des Nationalarchivs Windhoek über Leutwein A pastor's son. In February 1968 he joined the army, where he was promoted to Second Lieutenant (15.10.1869), Lieutenant (12.4.1877), Captain (15.1.1884), Major (27.1.1893), Lieutenant-Colonel (22.5.1899), Colonel (16.6.1901), and Major-General (22.4.1905). During this period he served in various regiments but also attended the Military Academy in Berlin, and tutored at a military college in Freiburg. In November 1893 Leutwein was seconded to the German Foreign Affice and sent to German South West Africa, officially to "report" but, unofficially, to take over from von François. On 31 December 1893 he arrived in the Protectorate. He started off by forcing smaller tribes (/Khauan and Red Nation) by military force into subjugation. His first main achievement was a military campaign against Hendrik Witbooi, resulting in a negotiated peace in which Witbooi recognised German sovereignty. During his ten years of effective colonial leadership, Leutwein established the administrative and economic infrastructure of the new settler colony. His policies against the African population, called the "Leutwein system" and characterised by a mixture of diplomacy, divide-and-rule and military coercion, were heavily criticised by settlers in his own time as being too lenient against "the natives". In 1904, the Herero and Nama wars marked both the collapse of Leutwein's government policies, as well as the end of his career. He was dismissed as commander of the Schutztruppe in June 1904, and as Governor towards the end of 1904, and replaced by General von Trotha. He left German South West Africa in December 1904, spurned by the majority of the settlers and disfavoured by the Kaiser. In August 1905 he retired and lived in southern Germany until his death. Supporter of the "Nationalliberale Partei". In 1906, he published his autobiographical "Elf Jahre als Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika", a major historical source on that period. --- Collections/Papers:
Literatur:
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