Kurd Schwabe -Der Kolonialoffizier und seine Bilder in Freiburg |
siehe zum Schwabe-Nachlass auch die Beiträge: Unsere Vergangenheit wurde uns geraubt" - Interview von Anja Bochtler mit Ellen Namhila, Vertreterin der Archive des antikolonialen Widerstands- und Befreiungskampfes in Namibia (2008) Mehr Geteilte Geschichte, geraubte Erinnerung - Über die Freiburger Schädelsammlung und die Rückgabe von Kulturgütern, Editorial der Zeitschrift iz3w Nr. 307 (2008) Mehr
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„Aus Namaland und Kalahari...“ Studioausstellung mit historischen Fotografien aus eigenen Beständen, 08.05.2002 – 13.10.2002 So oder ähnlich lauteten die Titel der zeitgenössischen Berichte über die einstige Kolonie Deutsch-Südwestafrika, in denen um 1911 vom "Buschmann-Problem" oder von der "Buschmann-Gefahr" die Rede war. Dazu kam es, nachdem die Deutsche Kolonialmacht die großen Aufstände von Herero und Hottentotten niedergeschlagen und ihre Kontrolle über weite Teile des Schutzgebietes deutlich erhöht hatte. In der Folge sahen sich die San-Buschmänner der Grundlage ihrer Lebensweise der Jagd- und Sammelwirtschaft zunehmend entzogen. Sie gingen dazu über, Vieh zu stehlen, Kolonnen von heimkehrenden Ovambo-Wanderarbeitern zu überfallen und die Deutsche Schutztruppe in einen Kleinkrieg zu verwickeln. Auf Safari in Freiburg Das Adelhausermuseum in Freiburg präsentiert derzeit die Ausstellung »Zwischen Namaland und Kalahari: Historische Fotographien.« Aus dem Nachlass von Kurd Schwabe, einem Hauptmann der deutschen Kolonialarmee im heutigen Namibia, werden 15 Ensembles aus jeweils drei bis vier Fotografien gezeigt. Diesen wurden erläuternde Texte zur Seite gestellt. Doch wo man eine kritische Kommentierung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands erhofft, offenbart sich ein schauriges Sammelsurium kolonialer Afrikabilder. Der Krieg gegen die Herero in Namibia von 1904 bis 1907 ist für seine Grausamkeit berüchtigt. Von den etwa 80 000 »Aufständischen« überlebte nur ein Viertel. Die deutschen »Helden« hatten von ihrem Generalleutnant von Trotha den Befehl erhalten, einen Vernichtungskrieg zu führen, und sich pflichtbewusst daran gehalten. Dabei wurden auch praktische Erfahrungen bei der Einrichtung und dem Unterhalt von Konzentrationslagern gesammelt. Die logistischen und moralischen Vorgaben zu diesem Feldzug kamen vom Großen Generalstab aus Berlin, dem auch Kurd Schwabe angehörte. Der Hauptmann hatte sich seine Sporen 1893/94 in »Deutsch-Südwest« im Kampf gegen die Nama und Ovambo verdient und arbeitete jetzt an der Verwaltung der Kolonien. Nebenbei widmete er sich seinen literarischen Ambitionen, damals keine Seltenheit unter den Afrikafahrern. Zur allgemeinen Erbauung der Deutschen trug Schwabe mit so schönen Werken wie »Mit Pflug und Schwert in Deutsch-Südwestafrika« und »Im deutschen Diamantenlande« bei, während sein Kollege General Paul von Lettow-Vorbeck als Kinderbuchautor mit »Heia Safari« das Afrikabild mehrerer Generationen von Deutschen prägte. Auch die Macher der Ausstellung im Völkerkundemuseum Freiburg bedienen die kolonialen und rassistischen Gewohnheiten beim Blick auf Afrika. In ihrer Ausstellung findet sich kein einziges kritisches Wort über das Vorgehen des deutschen Militärs in Namibia. Nirgends wird gefragt, was sie dort überhaupt zu suchen hatten, nicht eine Anmerkung findet sich zu den Folgen kolonialer Zurichtung. Vielmehr wurden die Bilder und Texte so arrangiert, dass sie die Safarierlebnisse der »deutschen Schutztruppe« illustrativ nacherzählen. Man erfährt beispielsweise, dass der »Buschmann Fritz Aribib den Deutschen loyal blieb« und dafür im Gegenzug die großzügige Jahresrente von 500 Mark »bis zu seinem Tod« erhielt. Auf die Brutalität des Herero-Feldzuges wird nicht eingegangen; vielmehr erscheint die deutsche Okkupation durch den lapidaren, militärisch geprägten Sprachstil der Begleittexte als natürlich notwendig. Ein Foto zeigt den Waterberg, der im nebenstehenden Text als »Schicksalsberg der Herero« bezeichnet ist. Dass dort zigtausende Menschen ihr Leben lassen mussten, erfährt man beiläufig im Nebensatz. Im selben Duktus wie damals werden in der Ausstellung die politisch-militärischen Anordnungen erläutert, »die ein Wiedererstarken des Herero-Volkes verhindern sollten«. Und sie lobpreist, dass dem Hottentotten-Häuptling Hendrik Wittboi vom deutschen Gouverneur Leutwein ein »ehrenvoller Friede« gewährt wurde. Na, immerhin! Mit kolonialer Katalogisierungswut und -macht und in sträflicher Wiederholungstat widmet die Ausstellung jeweils ein Kapitel den »Nama«, den »Ovambo«, den »Hottentotten«, den »Berg-Dama« oder gar den »Rehobotho Bastards«. Vor allem diese »ethnischen« Tafeln samt den abgebildeten Portraits sind allenfalls als Dokument einer anthropologischen Rassenlehre brauchbar. Im Kontrast zu den ‘Negern’ darf die Idylle der Deutschen in Deutsch-Südwest nicht fehlen: Es sind »Farmen«, »Städte« und »Schutztruppen« zu sehen. Letztere grüßen von einem Gruppenbild vor der Buschkneipe »Zum Deutschen Kaiser«. Wie so viele andere kulturelle Einrichtungen auch muss das Freiburger Museum mit seinem Geld haushalten. Doch gekürzt hat es vor allem beim Geschichtsbewusstsein. Die Ausstellung, die lediglich altbekannte Klischees bebildert und die deutsche Kolonialgeschichte erneut als Mischung aus Kinderbuch und Militärepos konstruiert, hätte es sich jedenfalls sparen können. Andrea Riester Dieser Text erschien zuerst in: Nr. 264 (Oktober 2002), S. 46, Rubrik: kurz belichtet... sowie in der AStA-Zeitung 5/2003 der Uni Oldenburg Bild: Neu und alt - Die Schwabestrasse Ecke Nelson Mandela Avenue in Windhoek, Namibia (H. Wegmann, 2006)
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