Braunschweig:Verhüllungsaktion am Kolonialkriegerdenkmal |
Am 18.07.2006 wurde in Braunschweig das Denkmal für die gefallenen Kolonialkrieger verhüllt. Hier finden Sie einen Pressebericht sowie Informationen zum Fortgang der Aktion. Die Braunschweiger Zeitung berichtete am Mittwoch, den 19.07.2006, wie folgt darüber: "Verhüllung macht sichtbar - Kunstprojekt der IGS Franzsches Feld am Kolonialdenkmal im Stadtpark Von Petra Sandhagen - Gleißend hell wirkt der Stoff im Sonnenlicht. Er zieht die Blicke im Stadtpark auf sich. Passanten, die sonst achtlos vorüber gehen, bleiben stehen und stutzen. Was verbirgt der Stoff doch gleich? Die Schüler sind mit den Reaktionen zufrieden. Durch die Verhüllung haben sie das Kolonialdenkmal sichtbar gemacht. 13 Schüler einer Arbeitsgemeinschaft an der Integrierten Gesamtschule Franzsches Feld haben unter Anleitung ihrer Lehrer Fredegar Henze und Astrid Schrobsdorff die Aktion ersonnen. Eine von ihnen ist Kirstin Burckhardt. Sie berichtet den Mitschülern, Gästen und Bezirkspolitikern, die gestern zur Verhüllung des Denkmals gekommen sind, wie sich die Gruppe dem Thema Kolonialismus genähert hat. Man habe das Wort Denkmal wörtlich nehmen wollen. Unter dem Motto 'Denk mal anders' möchten sie eine öffentliche Diskussion schaffen. Das Denkmal ist 1925 zu Ehren der deutschen Kolonialsoldaten, die im Deutsch-Südwestafrika-Krieg gefallen sind, errichtet worden, erläutert Henze. Die Aussage des Denkmals 'können wir so nicht stehen lassen', sagt Katharina Meyer. Denn von 1904 bis 1907 seien im heutigen Namibia nicht nur deutsche Soldaten gefallen. Das Hererovolk wurde zu mehr als der Hälfte vernichtet. 'Bis 2003 sind hier am Denkmal jährlich zum Volkstrauertag Kränze niedergelegt worden', erzählt die Schülerin. Eine Tafel mit einer kritischen Betrachtung des Kolonialdenkmals stehe erst seit einem Jahr neben dem Werk. Dabei habe der Bezirksrat den Anstoß für das Schülerprojekt gegeben, das das Kulturinstitut der Stadt mit rund 3000 Euro fördert. Die Bildhauerin Petra Förster hat die Schüler begleitet. Ein Spruchband soll zusätzlich zur Überlegung reizen. Zuerst der Ausspruch von Hans Meyer, dem deutschen Erstbesteiger des Kilimandscharo: 'Der Kilimandscharo heißt jetzt Kaiser-Wilhelm-Spitze. Er ist der höchste Berg Deutschlands.' Die Schüler wechseln die Sprüche am 11. August, am 31. August und am 15. September, jeweils um 10 Uhr. Die Arbeitsgemeinschaft will ihr zeitlich begrenztes Kunstwerk am 5. Oktober, 14 Uhr, wieder enthüllen. Bis dahin möchten sie ein Konzept entwickelt haben, welche endgültigen Spuren der kritischen Auseinandersetzung sie hinterlassen wollen." Fotos: vorher/nacher, AG Kolonialismus Braunschweig
Nachtrag vom 5.8.2006: Am 3.8.2006 erhielt freiburg-postkolonial.de eine Zuschrift, die sich gegen den oben genannten Zeitungsbericht wandte: "Bevor Sie solche Artikel wie über die Enthüllungsaktion in Braunschweig (18.07.06) abdrucken, sollten Sie sich mal über die wirklichen Hintergründe des Herero Aufstandes informieren. In der Deutschen Militärzeitschrift DMZ vom Juli - August 2004 Seite 30 bis 35 ist ein Artikel über den Hereroaufstand abgedruckt. Mich ärgert immer wieder die 'Blindheit auf dem linken Auge' und die Selbstzerfleischung unseres Volkes." Diese Zuschrift zeigt, dass der kritische Blick auf den Kolonialismus im Allgemeinen und eines der größten deutschen Kolonialverbrechen auch heutzutage keineswegs von allen geteilt wird. Am am 5.8.2006 teilte die "Braunschweiger AG Kolonialismus", nicht zu verwechseln mit der Schülergruppe, freiburg-postkolonial.de sogar mit: "Auf die Verhüllungsaktion am Braunschweiger Kolonialdenkmal durch eine Schülergruppe wurde in der Nacht vom 4./5.August ein 'Anschlag' ausgeführt. Statt des von den SchülerInnen angebrachten Zitats erscheint nun wieder der prankenbewehrte Löwe (siehe Foto)."
2. Nachtrag vom 11.8.2006, wieder eine Mitteilung von der "Braunschweiger AG Kolonialismus" "An alle Interessierten! Der 'Anschlag' auf die Verhüllungsaktion am Kolonialdenkmal erweist sich als Braunschweiger Provinzposse. Heute, 11.8.06, sollte um 10.00 Uhr ein neues Zitat an der Verhüllung angebracht werden, was natürlich nicht möglich war, da die Verhüllung zur Zeit nicht existiert. Trotzdem gab es ein Treffen vor Ort. Anwesend waren jeweils 1 VertreterIn der SchülerInnengruppe, des städtischen Kulturinstituts, der CDU, der SPD, der "Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" sowie zwei Mitglieder der Kolonialismus-AG. Es stellte sich folgendes heraus: Ein 'junger Mann' hielt die Verhüllungsaktion aufgrund des angebrachten Zitats ('Der Kilimandscharo heißt jetzt Kaiser-Wilhelm-Spitze. Er ist der höchste Berg Deutschlands') für eine Aktion von Rechtsradikalen. Kurzerhand zerriss er die Verhüllung, knickte eine erläuternde Tafel um, klemmte sich selbige unter den Arm und marschierte damit ins Rathaus, um sich bei der Fraktion der Grünen zu beschweren. Dort traf er niemanden an, hinterließ die Tafel beim Rathaus-Pförtner, beschwerte sich bei diesem und ging von dannen. Ob es sich um einen Fall von Ignoranz (hatte er die Tafel gelesen?) oder Zivilcourage oder um beides handelt, bleibt zunächst im Dunkeln. Die Aktion als solche soll auf jeden Fall fortgesetzt werden. Über mangelnde Resonanz lässt sich bislang nicht klagen... Unser Vorschlag, eine Internetpräsenz zur öffentlichen Diskussion ähnlich der Jokinen-Aktion in Hamburg einzurichten, wurde von der Schülerin und der Vertreterin des Kulturinstituts wohlwollend aufgenommen. Mit besten Grüßen, Claus Kristen & Till Eulenspiegel" Siehe auch Veranstaltung des Braunschweiger Friedensbündnisses zum dortigen Kolonial-Denkmal 2004 Mehr. |