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siehe auch: Aukongo, Stefanie-Lahya: Kalungas Kind. Wie die DDR mein Leben rettete (2009) Zur Rezension
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Lucia Engombe: Kind Nr. 95. Meine deutsch-afrikanische Odyssee. Aufgezeichnet von Peter Hilliges. Ullsteinverlag Berlin 2004, 383 Seiten, 8,95 Euro Dornenbusch und Tannenbaum - Lebenswege zwischen Namibia und Deutschland Ein Buch und ein Film geben Einblicke in ein wechselvolles wie historisch überaus interessantes Kapitel Namibisch-Deutscher Geschichte. Schon das Deutsche Reich hatte in "Deutsch-Südwestafrika" ein zunehmend brutales rassistisches Regime geführt, bis es die Kolonie mit dem Versailler Vertrag 1919 endgültig verlor. Als die folgende Kolonialmacht Südafrika in den 1960er Jahren das System der Apartheid installierte, regte sich in der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zunehmend Widerstand. 1966 nahm die von der größten Bevölkerungsgruppe der Ovambo dominierte South West African Peoples Organisation (SWAPO) schließlich den bewaffneten Kampf auf. Dieser wurde zunehmend von Nachbarländern wie Angola, Botswana und Sambia aus geführt, wo auch Flüchtlingslager entstanden. Doch selbst diese exterritorialen Flüchtlingslager wurden Angriffsziele Südafrikas. So wurde am 4.5.1978 das berüchtigte Massaker von Kassinga in Angola verübt, bei dem allein über 600 Menschen ermordet wurden. In der Folge ersuchte die SWAPO befreundete Staaten wie Kuba, die Tschechoslowakei und die DDR darum, Kinder aus den Lagern aufzunehmen. Sie sollten nicht nur Zuflucht vor Krieg und Hunger bekommen, sondern auch zur künftigen Elite eines unabhängigen Namibias ausgebildet werden. Die Kinder werden gut versorgt, lernen die deutsche Sprache, sind dem Regiment deutscher "Tugenden" unterworfen, besuchen deutsche Schulen (wenn auch in eigenen Klassen), haben innige Kontakte zu einzelnen deutschen ErzieherInnen und LehrerInnen, spielen im riesigen Park des Schlosses Bellin. Dies alles führt zu Entwicklungen jenseits der Bestimmung. Ihr Oshivambo gerät zusehends in Vergessenheit und dient allenfalls der vor Deutschen verschlüsselten Kommunikation. Die Erinnerungen an Afrika verblassen in ihrem eigenen DDR-Alltag. "Wenn ich an den Schulwänden Sprüche las wie Neger stinken, fand ich das eher komisch; wir waren keine Neger und fühlten uns nicht angesprochen" (S. 208). In Straßfurt werden sie weniger von der DDR abgeschottet und lernen auch Kubaner und Mosambikaner kennen. Gleichzeitig erleben sie zunehmend Rassismus und Neid auf ihre vermeintliche Privilegierung; bei den Pöbeleien und Prügeleien mit weißen DDR-Kids können sie sich als Gruppe gleichwohl gut behaupten. Dem Kulturschock und den Lebenswegen nach der Rückkehr widmet sich auch der Dokumentarfilm Omulaule heißt schwarz von Beatrice Möller, Nicola Hens und Susanne Radelhof. Darin kommen vor allem eine Reihe von "Ex-DDR-Kids" zu Wort, die allerdings keine Kids mehr sind und diesen Begriff auch nicht (mehr) mögen. Wurden sie in der DDR als AfrikanerInnen behandelt, so waren sie nun in Namibia die Deutschen, die Probleme hatten, sich auf Oshivambo mit ihren Familien zu verständigen und in neue und völlig ungeklärte Lebenssituationen geworfen wurden. Manche gingen aufs Land, wenige zeitweise oder ganz nach Deutschland und viele blieben in Windhoek. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass einige in der schwierigen Zeit nach der Rückkehr Unterstützung ausgerechnet durch Teile der deutschstämmigen Minderheit bekamen. Als Pflegekinder in den Familien oder als Schüler der deutschen Privatschulen traten sie in eine Welt ein, die Schwarzen bis dato weithin verschlossen war. Doch dort wurden sie wieder als Schwarze angesehen, die Deutsch reden - und gaben sich den Oshivambo-Begriff Omulaule als Gruppenbezeichnung: Schwarz. Bild: OmU Filmverleih Diese Rezension ist zuerst erschienen in: iz3w Nr. 286 (2005), S. 38-39 |