Kommentar / Bericht zurEinweihung des namibischen Nationaldenkmals (2002) |
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Granatenwerfer und andere Helden - Namibia weiht seine neue nationale Gedenkstätte ein von Joachim Zeller »Das Denkmal ist tot« – dieses immer wieder bemühte Diktum wird stets aufs neue widerlegt. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht von der Einweihung neuer Denkmäler berichtet wird. Ganz offensichtlich mag kein Staat dieser Erde, keine Opfergruppe oder politische Bewegung auf dieses Medium der politischen Kommunikation verzichten. Jüngstes Beispiel ist die neue nationale Gedenkstätte Namibias, die am 26. August zum jährlichen »Heldengedenktag« eingeweiht wurde. Die pompöse Anlage des »Heroes Acre«, südlich der Hauptstadt Windhoek gelegen, wartet mit fast allen Versatzstücken überkommener Denkmalkunst auf: Ein himmelstürmender Obelisk, davor die bronzene Kolossalfigur des »Unbekannten Soldaten« in Gestalt eines bewaffneten Guerillakämpfers, der ein in Marmor gefasstes Gräberfeld mit »Ewiger Flamme«, Eisernem Kreuz und Eichenlaub überblickt. Eine den Obelisken umschließende Bildreliefwand zeigt die Chronologie des Unabhängigkeitskampfes, den die Namibier für ihre Befreiung vom kolonialen Joch durchfechten mussten. Bis zu 20.000 BesucherInnen können auf dem Gelände Platz finden, wenn zukünftig der Ruf zu Erinnerungsfeiern ergeht. Foto: Heiko Wegmann, September 2006 Auftraggeber der Anlage ist die Regierungspartei SWAPO, geplant und ausgeführt wurde sie von nordkoreanischen Architekten und Bildhauern. Dass die neue Gedenkstätte – die ‚afrikanische’ Stilelemente weitgehend vermissen lässt – ein Import aus Nordkorea ist, sticht sofort ins Auge. Das Windhoeker Heldenmal bietet mit seinen im Gleichschritt marschierenden Befreiungskämpfern ein im Stile des sozialistischen Realismus daherkommendes Heldenpathos, wie es in unzähligen Gedenkstätten zwischen Pjöngjang, Moskau und Havanna verewigt wurde. Mancher mag sich aber auch an die überdimensionierten Präsidenten- und Kriegerdenkmäler in den USA erinnert fühlen, die dem in ihrer mangelnden künstlerischen Qualität und Trivialität in nichts nachstehen. All diese Denkmäler wollen Ehrfurcht durch ihre schiere Größe erheischen, ja einschüchtern; sie fordern vom Betrachter das gebeugte Knie ein. Da alle Nationen dieser Welt zentrale Stätten für den Gefallenenkult haben, mochte auch das noch junge, erst spät unabhängig gewordene Namibia nicht nachstehen. Und es überrascht nicht, dass es sich in seinem, eine neue Deutung der Geschichte notwendig machenden Selbstfindungsprozess auf die Tradition des opferreichen Freiheitskampfes gegen die koloniale Fremdbestimmung – zunächst unter deutscher, später unter südafrikanischer Vorherrschaft – beruft. Doch nicht nur durch seine Mächtigkeit und einseitig kriegerische Prägung weckt das neue Nationaldenkmal falsche Vorstellungen von der Vergangenheit. Wenn auch dem bewaffneten Kampf eine große Bedeutung zukam, so wird jedenfalls der zivile Widerstand der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen oder der Kirchen lediglich an untergeordneter Stelle gewürdigt. Foto: Heiko Wegmann, September 2006 Ein solcherart selektives Geschichtsbild, das der Gesellschaft von der in Namibia allein regierenden SWAPO als verbindlich dekretiert werden soll, wurde schon in den Kommentaren der »Allgemeinen Zeitung« und des »Namibian« moniert. Der »Heldenacker« diene der »Selbstdarstellung des Regimes Nujoma« und feiere »exklusive Zugehörigkeit«. Er erinnere lediglich an diejenigen, »die das Helden-Etikett durch ihr Engagement in der SWAPO bzw. auf Seiten des ‚politisch korrekten’ antikolonialen Widerstands zuerteilt bekommen« haben. Anders ausgedrückt, wird hier das Interesse des jungen Staates Namibia (will heißen der SWAPO) deutlich, legitimierende Herrschaftsmythen auf Dauer festzuschreiben. Ob die neue nationale Erinnerungsstätte von allen Namibiern als Identifikationsort angenommen wird – Präsident Nujoma versteht das Denkmal als »eines jener konkreten Aussagen unserer nationalen Aussöhnungspolitik, unserer Souveränität und Einheit der Nation« – muss sich daher erst noch erweisen. Die Buhrufe, die das ehemalige SWAPO-Mitglied und der jetzige Präsident der oppositionellen Kongressdemokraten (CoD), Ben Ulenga, erntete, als er einen Kranz am Grab des »Unbekannten Soldaten« niederlegte, lassen jedenfalls Zweifel daran aufkommen. Bei Windhoek wurde ein Siegesdenkmal geschaffen, das in seinem Bildprogramm meint, ohne Trauermotiv für die Gefallenen auszukommen, was natürlich dem erwünschten triumphalen Charakter abträglich gewesen wäre. Es ist ein Mahnmal, das die Geschichte Namibias als Heilsgeschichte präsentiert, die ihr Ziel mit der 1990 gewonnen staatlichen Unabhängigkeit erreicht hat. Nicht zuletzt lässt es sich auch als eine Art Gegendenkmal lesen, das selbstbewusst gegen die zahlreichen Monumente der früheren weißen Kolonialherren auftrumpft – Kolonialdenkmäler übrigens, die nach der Unabhängigkeit Namibias nicht angerührt wurden. (Es sei hier nur das aus der deutschen Kolonialherrschaft stammende, von weißer Dominanz und schwarzer Unterordnung kündende »Reiterdenkmal« erwähnt, das noch immer im Zentrum der Hauptstadt steht.) Foto: Heiko Wegmann, September 2006 Der Windhoeker »Heldenacker« fügt sich in die lange Reihe des Monumentalkitsches ein, wie ihn staatliche Selbstdarstellung hervorgebracht hat. Einen unfreiwillig komischen, wenn nicht gar hochnotpeinlichen Zug erhält das neue Nationaldenkmal durch den Umstand, dass die martialische, eine Handgranate werfende Hauptfigur des »Unbekannten Soldaten« eine kaum zu übersehende Ähnlichkeit mit dem namibischen Präsidenten Sam Nujoma aufweist. Abgesehen davon, ob ein waffenstarrender Guerillakämpfer heute noch ein gesellschaftliches Leitbild abgeben kann, nimmt der hier einmal mehr offenkundig werdende Personenkult um Nujoma groteske Formen an. Joachim Zeller aus Swakopmund (Namibia) ist Historiker und lebt nun in Berlin. Dieser Bericht erschien zuerst in: iz3w Nr. 264 (2002), S. 05; die Fotos wurden hier im Oktober 2006 hinzugefügt. |