RezensionKriegsbewältigung und Geschichtsbewußtsein bei den Herero |
Gesine Krüger: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewußtsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkriegs in Namibia 1904 bis 1907; Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1999; 344 S., 69,– DM Jedes Jahr im August findet in Namibia der Herero-Tag statt. An diesem Tag treffen sich Menschen aus allen Teilen des Landes an den Gräbern der Herero-Chiefs in Okahandja, um an den 1904 ausgebrochenen Krieg zwischen Herero und Deutschen zu erinnern. Damals erhoben sich die Herero gegen die als zunehmende Bedrohung empfundene deutsche Kolonialherrschaft; einige Monate später schlossen sich auch die Nama dem Kampf an. 14.000 deutsche Soldaten brauchten drei Jahre, um den Aufstand niederzuschlagen, was den Steuerzahler die gewaltige Summe von 585 Millionen Reichsmark kostete. Der Krieg endete mit der fast völligen Vernichtung der Aufständischen. Von den rund 80.000 Herero starben zwischen 75 und 80 Prozent im Verlauf der Kämpfe und in den „Konzentrationslagern“, von den etwa 20.000 Nama überlebte nur die Hälfte. Um die traditionellen Stammesstrukturen zu zerschlagen, konfiszierte die Kolonialverwaltung nach dem Krieg das gesamte Vermögen beider Ethnien und vertrieb sie von ihrem Land. Seit 1990 fordern die Herero nun schon eine finanzielle Wiedergutmachung von Deutschland. Doch die Bundesregierung konnte sich bisher noch nicht einmal zu einer offiziellen Entschuldigung durchringen. Über den „ersten Krieg des Wilhelminischen Deutschlands“ ist schon viel geschrieben worden. Dagegen ist die Nachkriegszeit noch kaum erforscht. Die Hannoveraner Historikerin Gesine Krüger hat diese Lücke nun teilweise geschlossen. In ihrer Studie, in der sie sich auf die Herero konzentriert, weist sie überzeugend nach, dass diese nach dem Krieg keineswegs - wie vielfach angenommen - als „Akteure der Geschichte“ verschwanden. Stattdessen machten sich sogleich an die Wiederherstellung der Herero-Gesellschaft. Die Herero verzichteten zwar in Zukunft auf jeden militärischen Widerstand gegen die deutschen und die auf sie folgenden südafrikanischen Kolonialherren, fanden aber andere Formen des Protests. Neue Institutionen wie die otjiserandu, die so genannten Truppenspieler, entstanden, die die Aufgaben der traditionellen, durch den Krieg zerschlagenen übernahmen. Die Hoffnungen auf eine Rückgabe ihres Landes blieben allerdings unerfüllt. Die Herero nutzten aber immer wieder Beerdigungen und Feste wie den Herero-Tag zur „symbolischen“ Besetzung der alten Heimat. Um 1945 fand der Rekonstruktionsprozess der Herero-Gesellschaft schließlich seinen Abschluss. „Bewältigt“ haben die Herero den Krieg von 1904 bis 1907 jedoch bis heute nicht. THOMAS MORLANG
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