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Rezension von:

Kolonialschuld und Entschädigung. Der deutsche Völkermord an den Herero 1904-1907

Personen Lokalpresse

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Neue Entschädigungsdebatte

Im Jahre 2001 verklagte die Herero People’s Reparations Corporation in den USA erstmals die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Bank AG, die Terex Corporation und die Deutsche Afrika Linie auf finanzielle Wiedergutmachung wegen Genozid, Enteignung, Zwangsarbeit und anderer Vergehen im Krieg gegen die Herero (1904-1907). Bis heute sind die Taten des »ersten deutschen Genozids« im heutigen Namibia ungesühnt geblieben. Der Bundestag konnte sich in seiner Erklärung vom 17. Juni 2004 noch nicht einmal zur Erwähnung des Wortes »Völkermord« durchringen. Und im August 2004 gab es zwar erstmals von Seiten der Bundesregierung eine klare Bitte an die Nachkommen der Herero um Entschuldigung, doch auch diese wurde als »nicht entschädigungsrelevant« formuliert. Wie erklärt sich dieser Skandal?

Janntje Böhlke-Itzen stellt in ihrem Buch Kolonialschuld und Entschädigung die relevanten Akteure, Argumente und Hindernisse der Debatte vor. Dies betrifft zum einen juristische Fragen: Wer vertritt wen und wer kann wo verklagt werden? Wie wird Völkermord definiert und seit wann kann dieser international verfolgt werden? Kann er verjähren? (Hierzu auch die Einführung von Norman Paech). Daneben gibt es aber auch eine verzweigte Debatte um die historische Sachlage, die sich nicht darin erschöpft, dass eine Seite die Völkermordthese vertritt, während die andere sie vehement bestreitet. Böhlke-Itzen skizziert die ganze Palette der Positionen, von denen, die noch heute den Deutschen Kolonialismus allgemein relativierend oder die zugegebenen Verbrechen mit seinen »positiven Seiten« aufrechnen, bis hin zur Regierung Namibias, die aus innen- wie außenpolitischen Gründen die Entschädigungsforderung ablehnt. Nach einem kompakten eigenen historischen Abriss und der Vorstellung der diversen Positionen arbeitet Böhlke-Itzen argumentative Widersprüche und Interessenslagen heraus.

Durchaus ergiebig ist der Ansatz, bei den Quellen auch Feuilletons und Leserbriefe deutscher wie namibischer Zeitungen zu berücksichtigen. Bei der Transformation der zugrunde liegenden Diplomarbeit in dieses Buch hätte man sich zwar die Hälfte der Fußnoten sparen sollen, ansonsten ist es aber sehr systematisch aufgebaut (was das Nachschlagen erleichtert) und zudem gut geschrieben. Obwohl die Klagen Ende 2004 vom Obersten Gericht der USA abgewiesen wurden, bleibt das Thema aktuell und das Buch sehr zu empfehlen.

Heiko Wegmann

Janntje Böhlke-Itzen: Kolonialschuld und Entschädigung. Der deutsche Völkermord an den Herero 1904-1907, Brandes & Apsel, Frankfurt 2004, 140 Seiten, 12,90 Euro / 22,70 SFR

 

Diese Rezension erschien in: iz3w Nr. 283, S. 29

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