In den vergangenen Jahren sind im Zuge des „iconic turn“ zunehmend auch Bildpostkarten als historische Quelle entdeckt worden. In diesen Kontext gehört der Bildband, den Michael Hofmann herausgegeben hat. Das voluminöse Werk liefert einen Überblick über die Entwicklung der deutschen Kolonialarchitektur in den vormaligen Überseegebieten des Deutschen Kaiserreiches in Afrika, soweit sie auf Postkarten mit ihren fotografischen Abbildungen dokumentiert sind. Der Autor hat sich acht größere Kolonialstädte herausgegriffen und dokumentiert jeweils in einem kurzen Abriss die städtebauliche Entwicklung und die Stadtpläne aus der Zeit vor 1914. Wer den Band durchblättert, erhält interessante Einblicke in die kolonialdeutsche Baukultur, ob in Lome, Duala, Windhoek, Daressalam oder in Tanga. Die Bautätigkeit war für die kurze Zeit der deutschen Kolonialherrschaft durchaus umfangreich. Zur Erschließung der „Schutzgebiete“ wurden Festungsbauten, Kasernen, Gouverneurspaläste und andere Regierungsgebäude, Hafenanlagen, Kirchen, Missionsstationen, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Geschäfts- oder Wohnhäuser und Hotels errichtet. Die Aufnahmen dokumentieren die Moderne, die nunmehr Einzug in die Wildnis gehalten hat, so jedenfalls ist der Eindruck, den die Postkarten vermitteln. Mit der neugeschaffenen Infrastruktur scheinen die Landschaften gebändigt zu sein. Nicht zuletzt sollten mit ihr auch die Erfolge des kolonialen Projekts – und das hieß vor allem die kommerzielle Inwertsetzung der Kolonien – demonstriert werden.
Ohne Zweifel hat der Autor das Verdienst, mit den von ihm zusammengetragenen rund 400 historischen Postkarten einen hoch interessanten Quellenbestand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Doch erschöpft sich das Buch in der Aneinanderreihung der Karten. Eine adäquate bild- und geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung wird nicht einmal in Ansätzen geliefert. Weder wird die euro- bzw. deutschzentristische Perspektive der Bildpostkarten reflektiert, bei denen es sich meist um koloniale Propagandakarten handelt. Die Begrenzung auf das Genre der Postkarten führt dazu, dass etwa die Gefängnisarchitektur außen vor bleibt und somit eine der hässlichen Seiten der wilhelminischen Kolonialherrschaft ausgeblendet wird. Lediglich in wenigen Sätzen wird die Frage aufgeworfen, welche Folgen die Bautätigkeit der Deutschen für die einheimische Bevölkerung hatte. Um den damit einhergehenden dramatischen Kulturwandel aufzuzeigen, reicht es nicht, am Beispiel der Stadt Duala auf die zwangsweise Umsiedlung afrikanischer Bevölkerungsgruppen hinzuweisen. Die Verdrängung oder das Verschwinden der alten einheimischen Baukultur wird erst gar nicht thematisiert. Völlig ausgeblendet wird schließlich auch der Umgang mit der Kolonialarchitektur im Zeitalter der Dekolonisation. So bleibt festzustellen, dass die Aufarbeitung dieses spannenden Bildbestandes durch die historische Bildforschung wie die Architekturgeschichte noch aussteht.
Michael Hofmann: Deutsche Kolonialarchitektur und Siedlungen in Afrika, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2013, 256 Seiten, ISBN 978-3-86568-820-0. |