Die Vertreterinnen der radikalen Frauenbewegung erhofften sich, über die Höherstellung der weißen Frauen in den Kolonien und die Teilhabe an der dortigen Gesellschaft auch eine Emanzipation der Frauen in Deutschland zu erreichen. Dietrich zitiert aus der „Neuen Generation“: „In den Kolonien müssen die jungen Männer, zum Schaden der Kultur, sich >unvermeidlich< mit fremden Frauen vermischen, und es wird dadurch ein gefürchtetes Mischlingsgeschlecht herangezogen, während in der Heimat Hunderttausende von blühenden jungen Frauen um Liebes- und Mutterglück betrogen werden.“
Annette Dietrich stellt in „Weiße Weiblichkeiten“ ausführlich den Bezugsrahmen ihrer Arbeit in den Postolonial und Critical Whiteness Studies dar. Längere Kapitel beschäftigen sich mit der deutschen Nation, dem deutschen Kolonialismus, Rassismus, Frauen und Kolonialismus und schlussendlich mit den Debatten der bürgerlichen Frauenbewegung. Leider ist dem Buch deutlich anzumerken, dass es aus einer Dissertation hervorging. Der Aufbau wie auch die Sprache sind denen einer wissenschaftlichen Arbeit sehr verhaftet. Für eine kritische Beschäftigung mit dem deutschen Kolonialismus und speziell der Partizipation der Frauenverbände daran ist es jedoch eine lohnende Lektüre, die einige „blinde Flecken“ beseitigt. Wer sich bislang mit der Teilhabe von Frauen am deutschen Kolonialismus beschäftigen wollte, war auf eine relativ dünne Anzahl von Aufsätzen und Büchern, darunter besonders das Buch von Lora Wildenthal (German Women for Empire, 1884-1945) aus dem Jahre 2001, angewiesen. Die Frage, wie die Frauenbewegung über den kolonialen und rassistischen Diskurs 'emanzipatorische' Ziele durchsetzen wollte, blieb bisher weitgehend unbeleuchtet – hier schließt Dietrich Lücken. Sie konzentriert sich dabei auf die bürgerliche Frauenbewegung und die kolonialen Frauenverbände. Weitere Untersuchungsfelder, z.B. über die sozialistischen Frauen, harren weiter der Erforschung. Sie fordert in ihrem Fazit, dass die feministische Forschung sich künftig verstärkt kritisch mit der „Involviertheit emanzipatorischer Konzepte in die Herrschaftsgeschichte“ auseinander setzen müsse.
Ulrike Huber, 24.03.2008
Anette Dietrich: „Weiße Weiblichkeiten – Konstruktionen von >>Rasse<< und Geschlecht im deutschen Kolonialismus“, transcript Verlag, Bielefeld 2007, 430 S., kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-807-0. Auf der Verlagshomepage findet sich auch das Inhaltsverzeichnis (pdf)
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