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Die Rezension gibt es auch als Radio-Beitrag (RDL): anhören (mp3, 1,9 MB)

 

Siehe auch zum Thema:

Birthe Kundrus: Die imperialistischen Frauenverbände des Kaiserreichs. Koloniale Phantasie- und Realgeschichte im Verein (2005; 24 Seiten, pdf, 320 KB). Zum Text

 

Bürgerliche Frauenbewegung und deutscher Kolonialismus

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Weiße Weiblichkeiten – Konstruktionen von >>Rasse<< und Geschlecht im deutschen Kolonialismus“ - so lautet der Titel von Anette Dietrichs Buch, das aus ihrer Dissertation hervorging. Sie untersucht darin die Bedeutung des Kolonialismus für die Ausformung der nationalen Identität der Deutschen. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Positionen verschiedener deutscher Frauenverbände zum Kolonialismus. Dabei arbeitet sie heraus, inwiefern die Frauen – bzw. Verbände und Organisationen der Frauenbewegung bis zu explizit kolonialen Frauenverbänden – am Kolonialismus teil hatten und von ihm profitierten. Im Rahmen einer Diskursanalye wertet sie die Zeitschriften „Die Frau“, „Die Frauenbewegung“, „Mutterschutz“ und „Neue Generation“ aus.

Dietrich stellt in ihrer Arbeit die aktive Teilhabe der bürgerlichen Frauenbewegung am Kolonialismus und an der Herausbildung eines spezifischen Rassismus heraus. Sie betont, dass die bisherige Annahme, Frauen seien von der Macht und damit auch von der Beteiligung am Kolonialismus ausgeschlossen gewesen, nicht zu halten sei. Frauen hätten über die Postulierung spezifischer Vorstellungen von Reinlichkeit und Sittlichkeit am rassistischen Diskurs teil gehabt. So forderten sie unter anderem, Frauen sollten in die Kolonien auswandern dürfen, um die Rassenhygiene zu wahren und so die deutsche Herrschaft abzusichern. Mischehen zwischen weißen Männern und schwarzen Frauen sollten verhindert, die weiße männliche Sexualität kontrolliert werden. Die Konstruktion der weißen Weiblichkeit beinhaltete daher zwingend eine Abwertung der schwarzen Frauen, die eine Gefahr für die weiße deutsche Rasse darstellen würden.

Die Vertreterinnen der radikalen Frauenbewegung erhofften sich, über die Höherstellung der weißen Frauen in den Kolonien und die Teilhabe an der dortigen Gesellschaft auch eine Emanzipation der Frauen in Deutschland zu erreichen. Dietrich zitiert aus der „Neuen Generation“: „In den Kolonien müssen die jungen Männer, zum Schaden der Kultur, sich >unvermeidlich< mit fremden Frauen vermischen, und es wird dadurch ein gefürchtetes Mischlingsgeschlecht herangezogen, während in der Heimat Hunderttausende von blühenden jungen Frauen um Liebes- und Mutterglück betrogen werden.

Annette Dietrich stellt in „Weiße Weiblichkeiten“ ausführlich den Bezugsrahmen ihrer Arbeit in den Postolonial und Critical Whiteness Studies dar. Längere Kapitel beschäftigen sich mit der deutschen Nation, dem deutschen Kolonialismus, Rassismus, Frauen und Kolonialismus und schlussendlich mit den Debatten der bürgerlichen Frauenbewegung. Leider ist dem Buch deutlich anzumerken, dass es aus einer Dissertation hervorging. Der Aufbau wie auch die Sprache sind denen einer wissenschaftlichen Arbeit sehr verhaftet. Für eine kritische Beschäftigung mit dem deutschen Kolonialismus und speziell der Partizipation der Frauenverbände daran ist es jedoch eine lohnende Lektüre, die einige „blinde Flecken“ beseitigt. Wer sich bislang mit der Teilhabe von Frauen am deutschen Kolonialismus beschäftigen wollte, war auf eine relativ dünne Anzahl von Aufsätzen und Büchern, darunter besonders das Buch von Lora Wildenthal (German Women for Empire, 1884-1945) aus dem Jahre 2001, angewiesen. Die Frage, wie die Frauenbewegung über den kolonialen und rassistischen Diskurs 'emanzipatorische' Ziele durchsetzen wollte, blieb bisher weitgehend unbeleuchtet – hier schließt Dietrich Lücken. Sie konzentriert sich dabei auf die bürgerliche Frauenbewegung und die kolonialen Frauenverbände. Weitere Untersuchungsfelder, z.B. über die sozialistischen Frauen, harren weiter der Erforschung. Sie fordert in ihrem Fazit, dass die feministische Forschung sich künftig verstärkt kritisch mit der „Involviertheit emanzipatorischer Konzepte in die Herrschaftsgeschichte“ auseinander setzen müsse.

Ulrike Huber, 24.03.2008

Anette Dietrich: „Weiße Weiblichkeiten – Konstruktionen von >>Rasse<< und Geschlecht im deutschen Kolonialismus“, transcript Verlag, Bielefeld 2007, 430 S., kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-807-0. Auf der Verlagshomepage findet sich auch das Inhaltsverzeichnis (pdf)

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siehe auch die Audio-Beiträge:

"Dem deutschen Volke Raum zu schaffen…" –
Frauen in der Kolonialbewegung und den Kolonien

Produktion: Redaktion LaRadio von RDL, verantwortlich: Ulrike Huber, bearbeitete und gekürzte Fassung von freiburg-postkolonial.de im mp3-Format, Erstsendetermin 25.10.2005

Teil 1: Einführung - Der deutsche Kolonialismus (7 Min., 8 MB) Anhören
Teil 2: Frauen in der deutschen Kolonialbewegung und die Frage der Auswanderung (12 Min., 14 MB) Anhören
Teil 3: „Deutsch-Südwestafrika“ - Der rassistische Blick deutscher auf die einheimischen Frauen (8 Min, 9,6 MB) Anhören
Teil 4: Die koloniale Frauenbewegung in der Weimarer Republik und der NS-Zeit (6,2 Min, 7,2 MB) Anhören
Teil 5: Postkolonialismus, Täterinnenschaft von Frauen und Literaturangaben (5,24 Min, 6,2 MB) Anhören