logo

Veranstaltungsberichte auf freiburg-postkolonial.de

Logo2

Personen Lokalpresse

siehe auch zum Thema:

Adibeli Nduka-Agwu und Daniel Bendix:

Die weiße Darstellung ‘Afrikas’ in der deutschen Öffentlichkeit. Wie ein Kontinent genormt, verformt und verdunkelt wird Mehr

 

Zur Diskriminierung von AfrikanerInnen im Freiburger Alltag - Auftakt einer SPD-Diskussionsreihe

Von Anja Bochtler, 22.10.2007

Sie ärgern sich über das platte Afrika-Bild in den deutschen Medien, fühlen sich in der Ausländerbehörde so unwohl "wie beim Zahnarzt" und werden ständig von Polizisten kontrolliert: Im Alltag der Menschen, die aus 42 von insgesamt 53 Ländern des afrikanischen Kontinents nach Freiburg gekommen sind, ist vieles mühsamer als bei den "Einheimischen" mit weißer Hautfarbe. Das wurde gestern bei der Diskussion "Versteckter Rassismus — offene Stadt?" schnell deutlich, zu der die Freiburger SPD und Migrantinnen und Migranten aus Afrika ins "Palladium" am Hauptbahnhof eingeladen hatten.

Dieses Gefühl, "ein Mensch zweiter Klasse" zu sein, hatte Philip Bona aus Sierra Leone zum ersten Mal vor 20 Jahren. Damals erlebte er bei der Wohnungssuche in Freiburg, dass es Vermieter gibt, die keine Mieter mit schwarzer Hautfarbe haben wollen. Mittlerweile hat er studiert und in verschiedenen Berufen gearbeitet, ist jetzt Lehrbeauftragter für "Entwicklungsländerforschung" und Vater eines zehnjährigen Sohnes. Manches hat sich in all den Jahren nicht verändert — das hat Philip Bona kürzlich gemerkt, als er wieder auf Wohnungssuche war.

Dabei ist zwar klar: Die Situation von Migranten aus afrikanischen Ländern unterscheidet sich, je nach dem, was sie hier sind — Studierende, Geschäftsleute, Arbeitnehmer, Flüchtlinge mit oder ("untergetaucht") ohne Papiere. Und doch gibt es typische Situationen, von denen die drei Männer und zwei Frauen auf dem Podium immer wieder berichten: Die Erfahrung, dass Schwarze ins Freiburger "Agar", in den Umkircher "Heuboden" und in andere Discos "nicht gut reinkommen", wie es Christelle Nadege Teguem aus Kamerun, die Fortstwissenschaften studiert, ausdrückt. Der Frust darüber, dass immer nur Deutsche auf Afrika-Podien sitzen und deutsche Filmemacher — zudem teils klischeebeladene — "Elend"-Filme über Afrika drehen, während Filmemacher wie Samuel A. Wilsi, der in Togo geboren wurde, kaum wahrgenommen werden. Der Verdacht, dass zumindest afrikanische Flüchtlinge von Ärzten schlechter behandelt werden — wozu die das Asylbewerberleistungsgesetz mit der dort verankerten eingeschränkten medizinischen Versorgung sogar anhält, wie die Pharmazeutin Masseni Diarasssouba von der Cote d’Ivoire betont.

Und immer wieder die deutschen Behörden: "Wie beim Zahnarzt" fühlt sich der Jurist Adome Blaise Kouassi von der Cote d’Ivoire bei der Ausländerbehörde. In einer Befragung unter afrikanischen Migranten sagten 95 Prozent, dass sich die Beamten dort keine Zeit nehmen und sie zum Unterschreiben von Papieren drängen, deren Inhalt sie nicht verstehen, erzählt Masseni Diarassouba: "Das darf juristisch gar nicht sein." Im Zug müsse immer nur sie — "als Dunkelhäutige" — der Polizei ihren Ausweis zeigen: "Das ist pure Diskriminierung". Es gebe viel offenen und latenten Rassismus, stimmt Roberto Alborino im Publikum zu.

Nicht einig sind sich die Zuhörer, ob sich dieser Rassismus verstärkt gegen Menschen mit schwarzer Haut oder allgemein gegen einen Teil der "Ausländer" richtet. Wie auch immer: Die afrikanischen Migranten wollen in Freiburg einen "Afrikarat" gründen — und, so hoffen sie, mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten diskutieren, die bei diesem Auftakt der SPD-Reihe "Diskus — Brennpunkt Migration" nicht dabei waren.

PfeilZum SeitenanfangPfeil


Weitere Veranstaltungsberichte auf freiburg-postkolonial.de

  • Kopp, Christian: Kolonialismus als "Entwicklungshilfe" - Das Symposium des Deutschen Historischen Museums Berlin „Der Traum vom Paradies? Das Deutsche Reich in der Südsee“ (2007) Mehr
  • Kristen, Claus: Unerwartete Bewegung - Berliner Seminar bringt Dynamik in Wiedergutmachungsforderungen für deutsche Kolonialverbrechen (2006) Zum Text
  • Melber, Henning: Reparationsforderungen bleiben aktuell - Berliner Seminar leistet Mittlerdienste (2006) [Zur Debatte um Entschädigung und Entschuldigung wegen Deutscher Kolonialverbrechen in Namibia] Zum Text
  • Stock, Christian: Berlin antikolonial (zur Anticolonial Africa Conference (2004) Zum Text
  • Zeller, Joachim: Berliner Gedenkveranstaltung zur Waterbergschlacht von 1904 (2004) Zum Text
  • Zeller, Joachim: Granatenwerfer und andere Helden - Namibia weiht seine neue nationale Gedenkstätte ein (2002) Zum Text

PfeilZum SeitenanfangPfeil