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"Einer unserer eifrigsten Kolonialstreiter..." - Der Freiburger Historiker Prof. Wolfgang Michael als kolonialer Sinnstifter und Aktivist Von Philip Aubreville, 05.10.2007 (zuletzt aktualisiert: 02.11.2007) Über 45 Jahre seines Lebens war der Historiker Wolfgang Michael an der Universität Freiburg tätig. Für den Althistoriker und Dekan der philosophischen Fakultät, Ernst Fabricius, war Michael einer „der besten Kenner der Geschichte Westeuropas“.1 Auf jeden Fall war er ein ausgesprochener England-Experte, der die Geschichte des Landes auch in zahlreichen Publikationen behandelte. Wie der folgende Beitrag darlegt, war Michaels Tätigkeit geprägt von deutsch-nationalistischer Identitätsstiftung und der Propagierung eines deutschen Rechts auf Kolonialbesitz. Der in Freiburg und weit darüber hinaus anerkannte Akademiker engagierte sich jahrelang führend in der Freiburger Kolonialbewegung und verbreitete den ‚Kolonialgedanken’ auch an der Universität. Als Sohn jüdischer Eltern wurde er schließlich ein Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns und flüchtete in die Schweiz.
Wolfgang Michael (* 22.7.1862 in Hamburg, † 22.2.1945 in Basel) war seit 1889 Privatdozent für neuere Geschichte an der Universität Freiburg und habilitierte zum Thema „Englands Stellung zur ersten Teilung Polens“. Ab 1894 war der damals 32jährige außerordentlicher Professor; 1918 folgte ein Lehrauftrag zur Abhaltung seminaristischer Übungen. Zwei Jahre später wurde Wolfgang Michael zum planmäßigen außerordentlichen Professor für westeuropäische Geschichte ernannt. Michael wurde zum 01.04.1924 „einstweilen emeritiert“, kurz darauf jedoch als Ersatz für den erkrankten Professor Rachfahl zum Sommersemester 1925 zurückbeordert.2 Trotz einer geplanten „endgültigen Emeritierung auf 1. April 1931“3 hielt Michael auch nach diesem Datum Vorlesungen. Die Nationalsozialisten leiteten gleich nach Machtübernahme 1933 Maßnahmen zur „Arisierung“ der Hochschulen ein. Der Entzug der Lehrbefugnis wurde Prof. Michael 1933 zunächst noch erspart, obwohl er nach Nazi-Doktrin „Volljude“4 war. Verschont blieb er jedoch nicht. Zwar intervenierte die Universität zu seinen Gunsten beim Ministerium in Karlsruhe, denn sie hielt ihn für nicht verzichtbar und sorgte sich in seinem Fall auch um das internationale Ansehen des Deutschen Reiches,5 doch seine endgültige Entlassung folgte zum 31.12.1935. Michael hielt sich noch bis mindestens 1938 in Freiburg auf,6 ehe er nach Basel zog, wo er am 22.02.1945 an einer „Grippe mit Bronchialkatarrh“ verstarb.7 Zum Seitenanfang 2. Michaels koloniale Tätigkeit an der Universität und sein Verhältnis zu England Am 24.02.1920 schrieb das Dekanat der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg: „Über die Bedeutung der Geschichte Englands, Frankreichs, der Kolonialgeschichte [...] für den akademischen Lehrbetrieb herrscht wohl vollste Übereinstimmung. Mehr wie in den letzten Jahrzehnten wird jeder, der sich am Staatsleben irgendwie beteiligen will, genaue Einsicht in das politische, wirtschaftliche und geistige Leben unserer Gegner gewinnen müssen.“8 Zur Ausbildung dieser neuen Elite für das deutsche Reich schlug man Wolfgang Michael vor, einen „der besten Kenner der Geschichte Westeuropas“.9 Dekan der philosophischen Fakultät war zu diesem Zeitpunkt der Althistoriker Ernst Fabricius, selbst ein vehementer Kolonialbefürworter.10 Dieser war offensichtlich nicht nur von Michaels Fähigkeiten überzeugt, was die Ausbildung politischen Führungspersonals anging, sondern sah den Kollegen auch auf seiner eigenen prokolonialen Linie. Dies zeigt sich in einem Vorgang, der am 5.6.1920 mit einer Anfrage des Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG), Gouverneur a.D. Theodor Seitz, an das badische Ministerium des Kultus und des Unterrichts begann. Darin schlug Seitz vor, trotz der kriegsbedingten Wegnahme der deutschen Kolonien an allen Hochschulen „Vorlesungen über Kolonialwirtschaft und Kolonialgeschichte unter besonderer Berücksichtigung unserer bisherigen Kolonien“ einzuführen. „Auch wenn anzunehmen ist, dass die Kolonialländer in der Handelsgeographie berücksichtigt werden, so erscheint es doch wichtig, dass Kolonien für die Zukunft noch mehr als bisher als lebensnotwendig für das deutsche Volk betont werden. (…) Es liegt auch im nationalen Interesse, den kolonialen Gedanken rege zu erhalten, was ja die Regierungen von Preußen, Altenburg, Anhalt und Oldenburg durch ihre Erlasse über die Weiterpflege des kolonialen Gedankens in den Schulen bekundet haben.“ 11 Dieses Schreiben wurde vom badischen Kultusministerium am 19.6.1920 als Rundschreiben an die verschiedenen Universitäten weitergeleitet. Dekan Fabricius antwortete darauf: „Aus unserer Fakultät hat Herr Professor Michael wiederholt Vorlesungen über Kolonialgeschichte gehalten und ist auch in Zukunft gern bereit, gelegentlich über diesen Gegenstand zu lesen.“12 Mit Wolfgang Michael schlug Fabricius hier einen Professor vor, dessen Hörerzahlen bei „Vorlesungen über Kolonialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte [...] besonders hohe Ziffern“13 aufgewiesen hatten. Von welcher Art derartige Vorlesungen gewesen sein könnten, macht ein im Jahre 1900 gehaltener Vortrag Michaels in der „Akademischen Gesellschaft“ in Freiburg deutlich: Dort gab sich der Geschichtsprofessor als sinnstiftender Konstrukteur einer kolonialen Tradition Deutschlands und erklärte, die ersten ‚kolonialen Gehversuche’ Deutschlands durch den brandenburgischen Kurfürsten Friederich im 17. Jahrhundert dürften nicht „in Vergessenheit geraten“.14 Weiter sagte er, der Kurfürst Friedrich habe sich beim - von Michael in diesem Kontext für legitim erklärten - Sklavenhandel durch „thunlichste Milde“15 ausgezeichnet. Dies ist in sofern erstaunlich, als dass gerade die Bekämpfung des (arabischen) Sklavenhandels oft als Legitimation des deutschen Kolonialismus in Afrika missbraucht wurde. Andererseits zeichnete Michael in seinem Vortrag das Bild des guten deutschen Kolonisatoren, den „keine Schuld“ an Unmenschlichkeiten treffe und unterstrich scheinbar positive Aspekte. Es ging ihm offensichtlich darum, Kontinuitäten des deutschen Kolonialismus aufzuzeigen und diesem somit eine etwas stabilere Stellung in einer Reihe mit den traditionellen Kolonialmächten wie England oder Frankreich im öffentlichen Bewußtsein zu verschaffen. Bild: Ausschnitt aus einem Bericht der Freiburger Zeitung vom 21.12.1900 über Michaels Vortrag "Die Kolonialpolitik des Großen Kurfürsten" Vorträge wie diese waren es wohl auch, die Michael dafür qualifizierten, an der im Sommersemester 1909 veranstalteten Vortragsreihe „Die deutschen Kolonien“ als Referent teilnehmen zu dürfen. Neun Referenten thematisierten in zahlreichen Einzelveranstaltungen den deutschen Kolonialismus aus verschiedenen akademischen Blickwinkeln – vom zoologischen bis hin zum staatsrechtlichen. Hierbei las Professor Michael dreimal zur Geschichte der deutschen Kolonien.16 Auch der Ortsverein Karlsruhe der DKG lud ihn als Redner im November 1909 in die damalige badische Landeshauptstadt ein.17 Michael war jedoch nicht nur als prokolonialer Redner gefragt. Am 15.10.1918, nicht einmal mehr einen Monat vor Ende des Ersten Weltkriegs, als alle Zeichen auf eine Niederlage der Mittelmächte hindeuteten, wurde er noch von einem H. Finke von der Akademischen Direktion Freiburg gebeten, „Akademische Kriegsvorträge“ zu halten.18 Sein ideologisches Engagement an der Heimatfront hatte offensichtlich nicht darunter gelitten, dass sein Sohn Wilhelm 1915 gefallen war.19 Das Deutsch-Englische Verhältnis Bereits im Oktober 1914 erklärte Michael Deutschland als Opfer und England als Verursacher und Hauptaggressor des Ersten Weltkriegs. Er definierte fast schon verschwörungstheoretisch Frankreich und Russland als missbrauchte Vollstrecker des antideutschen Willens des Vereinigten Königreiches. England benutze „das Revancheverlangen der Franzosen ebenso wie die elementare Macht des Panslawismus“, nur „um Deutschland, seinen gefährlichsten Konkurrenten, ein für alle Mal niederzuschlagen, oder richtiger, niederschlagen zu lassen. […] Die Hauptlast des Kampfes sollte den Bundesgenossen aufgeladen werden, England selbst aber den größten Vorteil aus ihren Siegen ziehen.“20 Bei Michael lässt sich – wie bei vielen Kolonialisten – ein sehr ambivalentes Verhältnis zu England beobachten, das von aufschauender Bewunderung zur großen Imperialmacht einerseits und Konkurrenz und verhasster Gegnerschaft andererseits geprägt war: „Die achtziger Jahre brachten den Beginn der deutschen Kolonialpolitik und damit schon einen Prüfstein für die deutsch-englische Freundschaft.“21 Großbritannien wolle „den erbleichenden Glanz seiner Weltmacht neu erstrahlenmachen, seine Herrschaft zur See befestigen, seinen Handel, seine Kolonien, den britischen Namen wieder hoch über alle anderen Nationen erheben“22 – und um all das zu erreichen, das Deutsche Reich ausschalten. Dadurch sei nicht nur Deutschland, sondern der gesamte Weltfrieden in Gefahr. Der angeblichen britischen Aggression aus niederen Beweggründen stellte Michael ein verantwortungsvolles deutsches Reich gegenüber.23 Seine Sicht auf England war allerdings keineswegs nur negativ konnotiert. So bezogen sich seine antibritischen Tiraden primär auf die britische Regierung, nicht auf die Bevölkerung des Inselstaates: „Wir haben doch wohl bemerkt, daß das britische Volk dieses Mal nicht so geschlossen hinter seiner Regierung steht, wie es sonst wohl der Fall war.“24 Als Belege hierfür führte Michael Gelehrtenproteste und Rücktritte von drei Regierungsmitgliedern an.25 Michael, der mit seinem Neffen mindestens einen in England lebenden Verwandten hatte,26 kam bei seinen Forschungen zur englischen Geschichte zwar immer wieder zu negativen Ergebnissen in der Bewertung,27 gleichzeitig korrespondierte er mit englischen Kollegen28 und wurde 1913 von der „Royal Historical Society“ in London eingeladen, korrespondierendes Mitglied zu werden.29 Nach Auskunft der RHS gegenüber dem Autor wurde Michael am 15.5.1913 zum Mitglied gewählt und als solches während des I. Weltkrieges wieder entfernt. 22 Jahre nach der Ernennung, am 10.10.1935, wurde er wieder gewählt - ein Jahr nachdem er auch Ehrendoktor der Universität Edinburgh geworden war (s.o.). Die genauen Gründe, warum er (wieder) einer reputierten Gesellschaft des „Gegners“ beitrat, sind unklar. Möglicherweise bot eine internationale Anerkennung dieser Art zunächst einen gewissen Schutz angesichts des nunmehr staatlichen Antisemitismus der Nationalsozialisten (s.u.), möglicherweise hing dies aber auch mit ganz anderen Gründen zusammen. Die Attitüde Michaels findet sich auch in konzentrierter Form in einer Rede, die er anlässlich einer kolonialrevisionistischen Veranstaltung im Freiburger Paulussaal hielt und die von der Freiburger Zeitung wie folgt wiedergegeben wurde: „Die Versammlung leitete der Vorsitzende der oberbadischen Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft, Herr Prof. Dr. Michael, der in seinen Begrüßungsworten darauf hinwies, daß wir hier um unser Recht betrogen würden. Es gelte, laut dagegen Einspruch zu erheben und der Regierung den Rücken zu stärken. Früher hatten auch die Engländer unser moralisches Recht auf die Kolonien anerkannt. Tausende von Askaris hätten im Kriege vortrefflich ihre Treue für Deutschland bewiesen und so den Beweis erbracht, daß unsere Eingeborenenpolitik auf dem richtigen Wege gewesen sei.“30 Hier lässt sich zum eine weitere mögliche Erklärung für sein zweischneidiges Verhältnis zum Vereinigten Königreich herauslesen: Großbritanniens wechselhafte Politik gegenüber dem Deutschen Reich – beispielsweise in Kolonialfragen - könnte dem Patrioten Michael beim Finden einer klaren Linie in seinem Verhältnis zu Großbritannien Schwierigkeiten bereitet haben. Des Weiteren tritt hier erneut sein Nationalismus zu Tage, der an der Floskel „unser Recht“ deutlich wird. Die anderen Nationen haben sich für Michael gegen Deutschland verschworen und es „betrogen“. Schließlich zeigt sich hier auch ein weiteres Mal die prokoloniale Haltung des Professors, der den Deutschen ein „moralisches Recht auf die Kolonien“ zuspricht und erneut einen Mythos beschwört, diesmal den der ‚treuen Askari’. Zum Seitenanfang 3. Prof. Michael in der Freiburger Kolonialbewegung Wolfgang Michael war eine der führenden Personen der Freiburger Kolonialbewegung und unterhielt in diesem Sinne auch reichsweit vielfältige Kontakte. 1904 trat der Professor als Mitglied des Vorstandes der oberbadischen Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft in Erscheinung, als er einen in der Freiburger Zeitung veröffentlichten „Aufruf zu Gunsten unserer Volksgenossen in Südwestafrika“ mit unterzeichnete. Darin hieß es anlässlich des gerade ausgebrochenen Herero-Krieges: „Ein schweres Verhängnis ist über unsere Kolonie Südwestafrika hereingebrochen. Leben und Eigentum vieler Ansiedler sind aufs schwerste bedroht; durch den Aufstand der Herero werden die Früchte jahrelanger mühseliger Arbeit vernichtet. Es ist die patriotische Pflicht jedes Deutschen, Hilfe zu bringen und das Los der vom Unglück betroffenen Landsleute nach Kräften zu lindern. Daher richten wir an alle unsere Mitbürger von Stadt und Land die dringende Bitte, nach Kräften dazu beizutragen, daß der Not unserer Volksgenossen in Südwestafrika gesteuert werde. Schnelle Hilfe ist dringend geboten, auch die kleinste Gabe ist willkommen.“ 31 Als die Ortsgruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft in Karlsruhe Wolfgang Michael 1909 zu einem Vortrag einlud (s.o.), hatte man nicht nur einen Bruder im Geiste zu Gast, sondern auch einen Vereinsgenossen. Im 1905 veröffentlichten Mitgliederverzeichnis des deutschen Flottenvereins in Freiburg, der den Ausbau der Kriegsflotte des deutschen Reiches verfolgte und für größeren Kolonialbesitz eintrat, wird Michael ebenfalls geführt.32 Des Weiteren sind in einem Brief seines Verlegers Dr. Walther Rothschild an ihn „wohl gute Beziehungen“ 33 zum Alldeutschen Verein, dem Verein für das Deutschtum im Ausland und zum „Kolonialverein“34 dokumentiert. Wie aus einem Brief seines Nachfolgers Maximilian Knecht an ihn hervorgeht, war Wolfgang Michael über zehn Jahre 1. Vorsitzender der Oberbadischen Abteilung der DKG mit Sitz in Freiburg.35 Sehr wahrscheinlich löste er 1913 den Bankier und Präsidenten der Handelskammer Julius Mez als 1. Vorsitzenden ab und wurde selber nach zwölf Jahren Anfang 1925 von Max Knecht abgelöst (durch Quellen nachgewiesen ist sein Vorsitz für verschiedene Jahre dieser Periode36). Da er bereits 1904 als Vorstandsmitglied auftrat (s.o.) und auch nachgewiesen ist, dass er 1912 Schriftführer der Abteilung war37, kann man davon ausgehen, dass er mindestens 20 Jahre in dem Verein tätig war. Michaels Vorgänger entstammte der bekannten Freiburger Fabrikantenfamilie Mez und hatte sich bereits jahrzehntelang für den deutschen Kolonialismus engagiert. Nach Michaels Übernahme seiner Freiburger Funktion wechselte er in den Vorstand der DKG auf Reichsebene. Schon 1901 schrieb er Michael einen Brief, in dem er ihm „im Namen des Colonialvereins“38 für einen nicht näher erläuterten „gestrigen Antrag“ dankte. Dies ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Korrespondenzen Michaels, deren weitere Teilnehmer sich wie ein Who’s who der prokolonialen Szene Freiburgs lesen: So unterhielt er neben Knecht u.a. Kontakte mit dem ehemaligen Kolonialoffizier Wilhelm Winterer,39 der nicht nur ein Historikerkollege und Kolonialpropagandist war,40 sondern es auch fast 20 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der kaiserlichen Schutztruppe für nötig hielt, seine einstige Zugehörigkeit zur „Schutztruppe für Deutsch Ostafrika“41 gegenüber Michael zu betonen. In diesem Kontext muss man auch die kolonialen Kontakte Michaels betrachten, die über die Freiburger Stadtgrenzen hinausgingen. So findet sich in seinem Nachlass beispielsweise ein Antwortschreiben des Staatssekretärs des Reichskolonialamtes, Wilhelm Solf. Dieser hatte keine zwei Wochen nach der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 keine größere Sorge, als „das besondere Interesse Deutschlands an seinen Kolonien betonen zu können.“42 Es wirkt, als habe Michael beim Staatssekretär eine gewisse Lobbyarbeit betrieben, wenn dieser schreibt, Michael könne „versichert sein, daß ich wie bisher so auch in Zukunft die Fürsorge für die deutschen Kolonien als eine meiner Hauptaufgaben betrachte.“ Insgesamt war Michael also im Freiburger Kolonialismus fest verankert. Er war Mitglied in den beiden wichtigsten Vereinen für kolonialpolitische Interessen, dem Flottenverein und der Deutschen Kolonialgesellschaft; bei letzterer sogar langjähriger Vorsitzender. Nicht nur dies, sondern auch Teile seiner Korrespondenzen zeugen von einem prokolonialen bzw. kolonialrevisionistischen Engagement, welches über reine Mitgliedschaften in einschlägigen Vereinen hinausging. Zum Seitenanfang 4. Verfolgung im Dritten Reich Als 1933 die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten stattfand, wurde der Antisemitismus Staatsdoktrin. Inwiefern Wolfgang Michael wegen seiner jüdischen Herkunft schon vorher diskriminiert musste, kann hier nicht mit Sicherheit geklärt werden. Es fällt allerdings auf, dass er trotz langjähriger Tätigkeit nie über einen Posten als Vertretungs- oder außerordentlicher Professors hinauskam. Fest steht, dass Michael ein äußerst angesehener Bürger war und noch an seinem siebzigsten Geburtstag am 22.7.1932 zahlreiche Glückwunschschreiben erhielt.43 Max Knecht attestierte dem Professor zum Geburtstag, dass es ihm immer „Herzenssache“ gewesen sei, "in Erkenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge dem Deutschen in seinem leider oft so kleinen Denken klar zu machen, dass ein 65-Millionen-Volk ohne Überseebesitz nicht lebensfähig“ sei. 44 Des Weiteren, so lobte Knecht weiter, habe „Herr Professor Michael mitgestritten, als es galt, gegen seine [der des deutschen Volkes; P.A.] Schmach von Versailles gegen die Kolonialschuldlüge und gegen den Raub unserer herrlichen Kolonien zu kämpfen.“45 Abschließend zählte Knecht seinen Vorgänger „zu unseren eifrigsten Kolonialstreitern“ und wünschte ihm, „die Früchte langjähriger Kolonialarbeit zu pflücken.“46 Hierin spiegelt sich nicht nur zum wiederholten Male die reaktionäre Einstellung Michaels, sondern auch, was für ein Engagement er an Tag legte. Der Freiburger Stadtverordnete, ehemalige Kolonialoffizier und Steuerberater Max Knecht bekleidete zu diesem Zeitpunkt nicht nur den Vereinsvorsitz der DKG, sondern auch zahlreiche weitere Ämter in Militär- bzw. Offiziersvereinen. 1937 wurde er zum SS-Obersturmbannführer ernannt und später zum SS-Standartenführer befördert. Zum 50. Geburtstag Adolf Hitlers wurden ihm 1939 der Ehrendegen der SS und die Ehrenmitgliedschaft der Freiburger Kameradschaft ehemaliger Baltikum- und Freikorpskämpfer verliehen.47 Weniger als ein Jahr nach all den Glückwünschen zählte Michael als so genannter „Volljude“ ganz offiziell zu den Geächteten im Deutschen Reich. Trotz des antisemitischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das die Versetzung „nicht-arischer“ Beamter in den Ruhestand vorschrieb, konnte er zunächst weiter lehren. Höchstwahrscheinlich wurde bei ihm die Ausnahmeregelung angewendet für Personen, die Söhne im Ersten Weltkrieg verloren hatten, was bei ihm der Fall war. Zum 31.12.1935 wurde er dann aber endgültig entlassen. Interessanterweise bemühte sich die Universität Freiburg jedoch in seinem Fall vehement, den Professor wenigstens bis zum Ende des Wintersemesters 1935/36 halten zu können. Der damalige Dekan der philosophischen Fakultät, Dr. Hans Dragendorff, monierte in einem Schreiben an das akademische Rektorat Freiburg den Nachteil für die Studierenden, die sich auf die Vorlesung „jetzt schon eingestellt“ hätten. Aufgrund eines Ausfalls mehrerer Professoren würde sein Ausscheiden eine „Schädigung [...], die kaum zu vertreten wäre“ 48 bedeuten. Außerdem sei problematisch, dass „Professor Michael erst kürzlich Ehrendoktor der Universität Edinburg geworden ist und daß seine schroffe Entfernung [...] mitten im Semester unter Umständen im Ausland gegen Deutschland ausgenutzt werde könnte.“49 Der Einsatz Dragendorffs für Michael, der zudem korrespondierendes Mitglied der Royal Historical Society in London war, wurde scheinbar primär pragmatisch begründet. Im Kontext der politischen Einstellung Michaels und der Biographie Dragendorffs bekommt dieser Einsatz gleichwohl einen politischen Beigeschmack. So wird Dragendorff in einem Dossier, welches der Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (SD) in den Jahren bis 1939 über den Vorgeschichtler anlegte, als schon vor „der Machtübernahme stets national“ 50 beschrieben; bereits „vor der Machtübernahme sympathisierte er mit der NSDAP. Er hält seine Familie zum stetigen Einsatz für den Nationalsozialismus an.“51Zu Zeiten der Weimarer Republik habe Dragendorff „sich aber nie politisch betätigt“52 und sei „etwas deutschnational“53 gewesen. Beim Einsatz ausgerechnet eines NSDAP-Sympathisanten für den Professor kommt zumindest die Vermutung auf, dass auch die nationalistische Einstellung Michaels Grund für den Einsatz Dragendorffs war. Andererseits ist ein derartiger Einsatz bei dem ebenfalls jüdischen und nationalistischen54 Geschichtsdozenten Dr. Arnold Berney, dessen Ausfall als Grund für die oben genannte Schädigung angegeben wurde, zumindest seitens Dragendorffs55 nicht dokumentiert56, während er sich im Falle des Philosophie-Professors Edmund Husserl wiederum mit Verweis auf das im Ausland gefährdete Ansehen des Deutschen Reiches für dessen Antrag auf Teilnahme an Wissenschaftlichen Veranstaltungen im Ausland einsetzte.57 Ein politisch motiviertes Engagement des Dekans für Michael lässt sich also nicht beweisen; es bleibt jedoch interessant, dass der Einsatz Dragendorffs für seinen nationalistischen Gesinnungsgenossen Michael mit dem Aufblühen seiner schon vorher existenten rechten Gesinnung zusammenfällt. Ob politisch motiviert oder nicht – der Einsatz Dragendorffs blieb letzten Endes erfolglos. Michael wurde 1935 entlassen, bekam Bibliotheks-Verbot, emigrierte in die Schweiz und starb schließlich 1945 in Basel. Zum Seitenanfang5. Fazit Als „Identitätsstifter und Legitimationsproduzent“ definierte der Freiburger Geschichtsprofessor Ulrich Herbert die Geisteswissenschaft im Kaiserreich in der Wochenzeitung DIE ZEIT.58 Dies trifft auch auf die Form der Geisteswissenschaft zu, die Wolfgang Michael praktizierte. Er stiftete Identität, in dem er das Bild vom „guten Deutschen“ zeichnete, der sich schon im 17. Jahrhundert als Kolonialherr durch „thunlichste Milde“ ausgezeichnet habe. Ebenso produzierte er Legitimation – mal für die Handlungen Deutschlands im Ersten Weltkrieg, den er als reine Folge britischer Machtinteressen betrachtete, mal für den deutschen Kolonialismus, den er als „unser Recht“ ansah. Michael war nicht nur gänzlich auf der nationalistischen Linie des Kaiserreiches, sondern gestaltete diese auch mit – durch nationalistische Veröffentlichungen und koloniale Vorträge und Vorlesungen. In Freiburg zählte er zu den wichtigsten prokolonialen bzw. kolonialrevisionistischen Akteuren – seine gut besuchten Veranstaltungen waren auch in den Kreisen des organisierten Kolonialismus gefragt. Dass er sich diesen Anschloss, zeigt zudem die Bereitschaft, seine kolonialen Gedanken in die Tat umzusetzen. Die Verbindung von akademischer und außerakademischer Vortragstätigkeit mit seiner Vereinstätigkeit belegt, dass Wolfgang Michael ein ideologisch gefestigter Kolonialist war und dies für ihn kein Nebenthema darstellte. Wolfgang Michael ist eines von vielen Beispielen dafür, dass auch in Freiburg eine prokoloniale bzw. kolonialrevisionistische Haltung keineswegs (nur) die Attitüde einiger „Kolonialschwärmer“ darstellte, sondern oftmals von Menschen geteilt wurde, die im sozialen Leben und der Gesellschaft fest integriert waren. Zu klären bleibt, wie sich Michaels 'Kolonialfreunde' nach 1933 zu ihm stellten und ob er etwa durch Knecht von der großen Bundestagung des Reichskolonialbundes im Juni 1935 in Freiburg ausgeschlossen wurde oder nicht – denn diese fand unter großer Beteiligung der Nationalsozialisten im Zeichen des Hakenkreuzes statt. Zum Seitenanfang 6. Literatur
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