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Kolonial tätige Institutionen und Vereine in Freiburg und Umgebung

 

Südwestdeutscher Verein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland. Sitz Freiburg

Heiko Wegmann, April 2007 (letzte Aktualisierung: 14.08.2007)

Der Kolonialhistoriker Horst Gründer bezeichnet die geographischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts als Keimzelle der Ende der 1870er Jahre entstehenden Kolonialvereine in Deutschland (Gründer 1985: 39). Von Beginn an habe man in den geographischen Gesellschaften, die sich neben der Forschungsförderung und -finanzierung schon immer mit Problemen der Auswanderung und Kolonisation beschäftigten, die Vorarbeit der Pioniere der Forschung für den deutschen Kaufmann und den deutschen Aussiedler hervorgehoben.

Verein

Der Südwestdeutsche Verein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland entstand konkret im folgenden Zusammenhang:

"So sollte der am 9. Oktober 1878 auf Initiative des Nationalökonomen Robert Jannasch, eines Schülers von Wilhelm Roscher, im Verein mit anderen Nationalökonomen, Geographen, Redakteuren, Geschäftsleuten und Forschungsreisenden gegründete 'Centralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen' ursprünglich 'Centralverein für Handelsgeographie, Auswanderung und Kolonialpolitik' heißen. Demgemäß nahm der Verein auch eine Mittelstellung zwischen Geographischer Gesellschaft und Auswanderungs- und Kolonialverein ein, wobei das anfänglich vorherrschende Auswanderungsargument allmählich von der Propaganda für Exportförderung und Gewinnnung neuer Absatzmärkte in den Hintergrund gedrängt wurde. Seinen Bestrebungen, die der 'Centralverein' mit den bekannten ökonomischen ('Überproduktion'), gesellschaftlichen sowie nationalideologischen Argumenten seit 1879 in seinen beiden Zeitschriften 'Export' und Geographische Nachrichten für Welthandel und Volkswirtschaft' vertrat, sollten ein 'Deutsches Handelsgeographisches Museum' (1882), eine Deutsche Exportbank (1884) und ein Deutsches Exportbüro' (1884) dienen, letzteres für handelsgeographische Recherchen, Auswanderungsfragen, und Exportinteressen. Zweigvereine entstanden in Barmen, Chemnitz, Dresden, Düsseldorf, Freiburg i. Br., Jena Kassel, Marburg und Stuttgart."

Das Adressbuch der Stadt Freiburg für das Jahr 1884 (SAF Dwa 130, S. 37) führt den Freiburger Verein als Südwestdeutschen Zweigverein des Centralvereins in Berlin mit folgendem Führungspersonal:

"Vorsitzender: Hr. Jul. [Julius] Mez, Banquier

Schriftführer: Hr. Osc. [Oscar] Flinsch, Fabrikt.

Rechner: Hr. Frz. [Franz] Schuster, Kaufmann

Mitglieder des Vorstandes: HH. M. Eisen, Landgerichtsrath. Heinrich Kuenzer, Fabrikant. Dr. Lexis, Professor. Carl Mez, Fabrikant. Hugo Pampe, Handelslehrer. Mitgliederzahl 88"

Die Deutsche Kolonialzeitung (DKZ, Organ des Deutschen Kolonialvereins) berichtete 1884, dass der "befreundete" Freiburger Verein im Rahmen der heißen Auseinandersetzungen um die Dampfer-Subventionsvorlage eine Kundgebung zu deren Unterstützung durchgeführt hatte (DKZ, Heft 15/1884, S. 293f.). Dabei ging es um die Errichtung von überseeischen Reichspostdampferlinien nach Ostasien, Australien und Afrika, die vor allem auch der Erschließung von Kolonien dienen sollten. "Die Erregung, welche die der Dampfersubventions-Vorlage im Reichstage zu Teil gewordene Behandlung in allen Schichten des Volkes hervorgerufen, sowie das lebhafte Interesse für das Inslebentreten dieses ersten so bedeutungsvollen Schrittes auf einem neuen weltwirtschaftlich-kolonialpolitischen Gebiete seitens des Deutschen Reiches hat sich in unzähligen Kundgebungen , besonders in allen Zentren des Handels und der Industrie in den verflossenen Wochen geäußert. Die Opposition hat es wohl nicht geahnt, daß es nur eines Funkens bedurfte, um eine wahre nationale einmütige Begeisterung für die volle Unterstützung der Reichsregierung nach dieser Richtung hin überall im Vaterlande zu erwecken." (ebenda, S. 293). Die Vorlage wurde im Dezember 1884 vom Reichstag angenommen und in den folgenden Jahren sollten weitere "Dampfer-Debatten" folgen (siehe Simons 2006). Reichskanzler Bismarck erklärte zu diesem Thema: “Das Bedürfnis der Postdampfersubvention ist deshalb nicht erst durch die Kolonialpolitik entstanden. Anderseits sage ich wieder: ohne Dampfersubvention habe ich auch keine Aussicht auf Kolonialpolitik, durch die Deutschland den aus den überschüssigen Säften seines Körpers herauswachsenden Untertanen in fremden Ländern Pflege und Schutz angedeihen lassen kann.” (zitiert nach Simons, S. 5).

Im Adressbuch 1885 (S. 29) werden wie 1884 für den Verein für Handelsgeographie Mez, Flinsch und Schuster und die Mitgliederzahl 88 geführt. Die von Prof. Gründer beschriebenen Zusammenhänge treffen offensichtlich auf Freiburg zu: Der Freiburger Verein firmierte als Mitglied Nr. 2272 des Deutschen Kolonialvereins. Und im Vorstand und unter den Mitgliedern von dessen oberbadischem Zweigverein finden sich wiederum 1884 die gleichen Namen von Mez bis Pampe (siehe: Bundesarchiv, R 8023 / 254, Paginierung 13 Zum Mitgliederverzeichnis). Dies war kein Zufall, denn es war exakt der Verein für Handelsgeographie, der Ende 1884/Anfang 1885 in den Freiburger Zweigverein des Deutschen Kolonialvereins umgewandelt wurde: "Am 8. Januar hat der 'Süddeutsche Zweigverein für Handelsgeographie' zu Freiburg i. B. in seiner Generalversammlung sich zu einem 'Oberbadischen Zweigverein des Deutschen Kolonialvereins' umgewandelt und uns dadurch eine Mitgliederzahl von ca. 100 zugeführt. Den Vorstand bilden die Herren Bankier Julius Mez, Präsident der Handelskammer (I. Vorsitzender), Freiherr von Reitzenstein, Bezirkspräsident a. D. (II. Vorsitzender), Fabrikant v. Hillern-Flinsch (Schriftführer), Kaufmann Franz Schuster, Sekretär der Handelskammer (Schatzmeister), Landgerichtsrat Max Eisen, Weinhändler Jos. Hebting, Hofbuchhändler Ad. Kiepert, Fabrikant Heinr. Künzer und Handelslehrer Hugo Pampe. - Auch der Jenenser Zweigverein für Handelsgeographie hat sich dem Deutschen Kolonialverein in engerer Weise angeschlossen." (DKZ, Heft 3/1885, S. 61).

Ein Jahr später meldete die DKZ, was für einen Erfolg die Umwandlung gezeitigt hatte: "Am 19. Februar fand zu Freiburg i. B. die jährliche Generalversammlung des Oberbadischen Zweigvereins statt. Aus dem Jahresbericht ist hervorzuheben, daß die Mitgliederzahl des Zweigvereins durch den Anschluß an den Deutschen Kolonialverein (der Freiburger Verein war bekanntlich bis Dezember 1884 dem Verein für Handelsgeographie ec. affiliert) sich von 66 auf 183 gehoben hat. Der Verein befindet sich daher in der glücklichen Lage, durch seinen ausgedehnteren Einfluß, sowie durch seine günstigere finanzielle Situation weit mehr für die Zwecke und Ziele verständiger Kolonialpolitik Propaganda zu machen, als dies früher geschehen konnte. - Der bisherige Vorstand, bestehend aus den herren Julius Metz , I. Vorsitzender, Freiherr v. Reitzenstein, II. Vorsitzender, v. Hillern-Flinsch, Schriftführer, Franz Schuster, Schatzmeister, Max Eisen, Hugo Pampe, Jos. Hebting, wurde einstimmig wiedergewählt." (DKZ, Heft 6/1886, S. 163).

Julius Mez entstammte der bekannten Freiburger Fabrikantenfamilie und war lange Zeit Präsident der Handelskammer. Einige Jahre folgten ihm als 1. Vorsitzendem des Freiburger Kolonialvereins die Professoren von Phillippovich (Nationalökonom) und Ludwig Neumann (Geograph), bis er 1899 oder 1900 wieder den Vorsitz übernahm (mittlerweile zur Deutschen Kolonialgesellschaft, DKG, fusioniert). Diesen behielt er bis 1913 oder 1914 und kam dann in den Vorstand der DKG auf Reichsebene.

An dieser Stelle wird nach Stand der Recherchen weiter über die Aktivitäten des Vereins berichtet.

 

Literatur:

  • Horst Gründer (1985): Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn
  • Oliver Simons (2006): Ein Postbeamter macht Außenpolitik - Heinrich von Stephan und die koloniale Expansion Deutschlands Mehr... (920 KB )

Siehe auch zum Thema Geographie und Kolonialismus auf www.freiburg-postkolonial.de:

  • Heiko Wegmann (2007): "Die Welt ist mein Feld" - Die koloniale Vortragstätigkeit der Geographischen Gesellschaft Freiburg ab 1925 [Reihe Freiburger Institutionen und der deutsche Kolonialismus 1] 21 Seiten, 730 KB pdf Mehr
  • Jürgen Zimmerer (2004): Im Dienste des Imperiums - Die Geographen der Berliner Universität zwischen Kolonialwissenschaften und Ostforschung Mehr

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