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"Die Wirtschaftsentwicklung der deutschen Kolonien unter der Mandatsherrschaft"

Freiburger Zeitung, 01.01.1937, Sonntagsausgabe, Seite 17

Die Wirtschaftsentwicklung der deutschen Kolonien unter der Mandatsherrschaft

Die Kolonien als Rohstofflieferanten – Die Bedeutung kolonialer Betätigung deutscher Wirtschaftsunternehmen – Der deutsche Wirtschaftsverkehr nach den Kolonien im Jahre 1936

Die Industrie- und Handelskammer in Hamburg macht in ihrem soeben erschienenen Jahresbericht für 1936 ausführliche Mitteilungen über die wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Kolonien in Afrika unter der Mandatsherrschaft. Wir entnehmen diesem Bericht, der gegenwärtig von besonderer aktueller Bedeutung ist, nachstehende Ausführungen:

Deutsch-Ostafrika

Da sich im Berichtsjahr die Preise für fast alle Rohstoffe weiter gehoben haben, konnten die Plantagen wiederum erhebliche Bestellungen für den Ersatz ihres Maschinenparks erteilen oder ihren weiteren Ausbau in Angriff nehmen. Soweit es sich um Eingeborenenkulturen handelte, wurden die höheren Erlöse in Bekleidung und Nahrungsmitteln angelegt. Leider blieb die Nachfrage nach höherwertigen Artikeln beschränkt, so daß in der Hauptsache Japan der Nutznießer des besseren Geschäfts wurde.

Deutschland hat auf den ostafrikanischen Märkten beachtliche Fortschritte gemacht, wenngleich es auch von den Regierungslieferungen im Mandatsgebiet, das jetzt mit „Tanganyika Territory“ bezeichnet wird, praktisch noch immer ausgeschlossen ist.

Die vermehrte deutsche Ausfuhr bezog sich in erster Linie auf das Maschinengeschäft, und hier waren es vor allem wieder Dieselmotoren und Diesellastwagen, deren Absatz beachtlich gesteigert werden konnte. Aber auch in Kleineisenwaren ist Deutschlands Anteil gewachsen, wenn auch die Preise nicht immer befriedigend waren. Die Einfuhr von deutschen Baumwollabfalldecken ist erheblich gestiegen, was eine Folge der Kompensationsmöglichkeiten gewesen sein dürfte. Deutsch-Ostafrika hat besonders durch die hohen Sisalpreise einen Auftrieb erlebt. Während Sisal in der Zeit vom Januar bis April vorigen Jahres noch in einer Menge von 16 778 Tonnen im Werte von 188 855 £ ausgeführt wurde, erzielte in der gleichen Zeit des Berichtsjahres die Ausfuhr von 14 778 Tonnen einen Erlös von 838 160 £. Dieser sehr erhebliche Mehrgewinn wurde zur Entschuldung und Neuanlagen verwandt. Vor allem konnten hierdurch auf allen Plantagen Neuanpflanzungen vorgenommen werden, die in den letzten Jahren wegen der schlechten Preise stark vernachlässigt worden waren. Die hohen Sisalpreise haben weiter dazu geführt, daß sich in England ein großes Konsortium gebildet hat, das bestrebt ist, durch Ankauf einer Reihe von Plantagen erhöhten Einfluß auf den Sisalmarkt zu bekommen. Während das Jahr 1935 eine gute Kaffee-Ernte erbracht hatte, beträgt das Ernteergebnis im Berichtsjahr nur etwa 60 v. H. des Vorjahres. Die Eingeborenenernte in Bukoba sank von etwa 9200 auf 5200 Tonnen. Erdnüsse und Baumwolle hatten ebenso wie Bienenwachs Preissteigerungen zu verzeichnen. Die Produktion von Gold zeigt von Monat zu Monat höhere Ergebnisse.

Südwestafrika

Die Witterungsverhältnisse in Südwestafrika, die einen entscheidenden Einfluß auf das Wirtschaftsleben des Landes ausüben, waren im Berichtsjahr günstig. Ausreichende Regenfälle trugen zu einer Vermehrung des Vieh- und Schafbestandes bei, und da die Nachfrage nach lebendem Vieh und Fleisch besser als in den Vorjahren war, konnten die Farmer ihre Produkte zu teilweise recht günstigen Preisen absetzen. Die Südafrikanische Union hat [Fortsetzung nächste Seite]


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[S. 18, Fortsetzung von voriger Seite] namentlich auf Veranlassung dortiger Farmer Kontingente für Schlachtvieh aus Südwest eingeführt. Da aber die Union für die Südwester Farmwirtschaft das beste Absatzgebiet an Schlachtvieh darstellt, kann sich diese Maßnahme für das gesamte Wirtschaftsleben des Mandatsgebietes nachteilig auswirken. Die Farmer konnten ihre Karakulfelle zu guten Preisen verkaufen, und zwar wurde der Verkauf in erster Linie in Deutschland und England getätigt. Auch Karakulwolle weist eine steigende Produktion auf und wird fast ausschließlich nach Deutschland ausgeführt. Die deutsche Einfuhr an Karakulwolle im Berichtsjahre war bedeutend höher, als ursprünglich vorgesehen. Es kann deshalb mit Bestimmtheit angenommen werden, daß bei einer Verlängerung des Wollabkommens für das Jahr 1937 diesem Südwesterartikel ein größeres Kontingent eingeräumt wird. Auch die Langustenfabriken in Lüderitzbucht waren in der Lage, ihre Erzeugnisse – Langusten und Fischmehl – zu normalen Bedingungen unter dem deutsch-südafrikanischen Abkommen zu verkaufen.

Die allgemein gestiegene Kaufkraft der Südwester Bevölkerung, namentlich der deutschstämmigen Teile, hat zu einer nicht unerheblichen Zunahme der Einfuhr deutscher Waren geführt. Es kann damit gerechnet werden, daß auch für das Jahr 1937 die Ausfuhr deutscher Waren nach Südwest, sofern keine Rückschläge eintreten, weiterhin steigen wird.

Kamerun

Die deutschen Pflanzungsgesellschaften, die dem Wirtschaftsleben des britischen Teils des Mandatsgebiets ihren Stempel aufdrücken, haben ihre Ausbautätigkeit im Jahre 1936 fortsetzen können. In erster Linie zeigte sich dieser Ausbau sowohl in einer verstärkten Bautätigkeit der meisten Unternehmungen, als auch in Neueinstellungen von Angestellten und Arbeitern. Die Grundlage dieser Belebung war die Steigerung der Bananenausfuhr und die Erholung der Weltmarktpreise für Kakao. Bei der Eigenart des Plantagenbetriebes wäre ein reiner Vergleich der Ein- und Ausfuhrziffern unangebracht.

Die Entwicklung in Kamerun zeigt bei wertmäßig für Deutschland passiver Handelsbilanz die starke Bedeutung kolonialer Tätigkeit deutscher Wirtschaftsunternehmungen, da trotz der zahlenmäßigen Passivität der Handelsbilanz eine Kapitalausfuhr und somit eine Belastung der deutschen Zahlungsbilanz nicht erfolgte.

Wenn die deutsche Statistik für das Jahr 1935 bei einer Ausfuhr nach Kamerun von rund 1 Mill. RM. eine Einfuhr im Werte von rund 9 Mill. RM. aufweist und im ersten Halbjahr 1936 die Einfuhr aus Kamerun etwa 4,5 Millionen RM. und die Ausfuhr nach Kamerun etwa 900 000 RM. betrug, ohne daß dafür die deutsche Devisenbilanz in Anspruch genommen werden mußte, so bedeutet dieses, daß Produkte, die anderweitig mit Devisen oder Devisenwert hätten gekauft werden müssen, von deutschen Kolonialunternehmungen beschafft werden konnten ohne irgendeine Verschuldung an das Ausland.

Der Außenhandel des französischen Teils dieses Mandatsgebietes ist sowohl im Im- als auch im Export im Vergleich zum Jahre 1935 weiter gestiegen. Die Zollbehörden hatten bedeutend höhere Einnahmen zu verzeichnen als im Vorjahre, obwohl Veränderungen des Zolltarifs nicht eingetreten waren. Bemerkenswert ist eine Steigerung der Einfuhr von Automobilen.

Die Einfuhr deutscher Waren dürfte sich gegenüber dem Stand des Vorjahres gehalten haben.

Die Ausfuhr von Kameruner Produkten dieses Mandatsteils nach Deutschland ist dagegen im Vergleich zu 1935 infolge von Verrechnungsschwierigkeiten im französischen Clearing zurückgegangen. Am Gesamtexport war Deutschland für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1936 mit 3 Prozent beteiligt, gegenüber 7 Prozent im gleichen Zeitraum 1935. Von sämtlichen Produkten wurden dagegen 78 Prozent nach Frankreich ausgeführt, gegenüber 60 Prozent im ersten Halbjahr 1935.

Togo

Die im Vorjahre eingetretene wirtschaftliche Belebung setzte sich auch im laufenden Jahre fort, eine Folge der zum Teil beträchtlichen Preissteigerungen und der mengenmäßig höheren diesjährigen Ausfuhrziffern vieler Landesprodukte. Die Werte des gesamten Ein- und Ausfuhrhandels zeigt folgende Bewegung im ersten Halbjahr der letzten drei Jahre:

  1934

1935 (in Francs)

1936
Einfuhr 13 260 000 14 450 000 20 600 000
Ausfuhr 16 300 000 20 500 000 24 000 000

Die vor etwa zwei Jahren begonnenen Bemühungen der Regierung, den Erdnußanbau im Norden Togos einzuführen, scheinen guten Erfolg zu haben. Im ersten Halbjahr betrug die Ausfuhr schon etwa 1400 Tonnen. In Südtogo macht die Produktion von Tapioka Fortschritte. An der höheren Einfuhr von etwa 4,3 Mill. Francs im ersten Halbjahr sind fast sämtliche Artikel beteiligt, und besonders Baumwollwaren mit 50 Prozent des Mehrwertes. Die Lieferanten waren hauptsächlich England und Japan. Leider wurde der Handel durch die Francabwertung empfindlich gestört.

Im Gegensatz zu der Ausfuhr dieser Kolonie ist Deutschland an der Einfuhr nur wenig beteiligt. Die auch in Toto festzustellende Besserung der Kaufkraft müßte der deutschen Ausfuhr weit mehr zugute kommen.

Ein Hemmnis für diese wünschenswerte allgemeine Entwicklung liegt allerdings auch darin, daß die Verwaltung dieses verhältnismäßig kleinen Landes zwei Mandatsmächten, England und Frankreich, anvertraut ist.

Das Kolonialproblem

Während des Berichtsjahres ist das Kolonialproblem Gegenstand einer besonders lebhaften internationalen Meinungsäußerung geworden. Auffallend ist in dieser internationalen Erörterung, daß die heutigen Machthaber in den deutschen Kolonien allgemein nicht mehr die Gründe anführen, die als sogenannte Rechtsbasis bei der Wegnahme der deutschen Kolonien im Versailler Vertrag dienten, sondern überwiegend diejenigen Gründe ins Feld führen, aus denen sie die Mandate nicht entbehren zu können glauben, und warum Deutschland angeblich keine Kolonien brauche.

Der Besitz eigener kolonialer Rohstoffgebiete wird Deutschland die Möglichkeit geben, überseeische Rohstoffe in eigener Währung zu beziehen oder durch deutsche Ausfuhrware zu bezahlen.

Die mit der Politik der „Offenen Tür“ begründete Ansicht des Auslandes, daß unsere deutsche Ausfuhr durch den Besitz der Kolonien nicht erhöht würde, ist schon dadurch widerlegt, daß die überragende Stelle, die die deutschen Waren in der Einfuhr der Kolonien bis 1914 einnahmen, den jetzigen Mandatsmächten zugefallen ist. Dieser Nachkriegsrückgang der deutschen Ausfuhr nach den Kolonien erklärt sich schon dadurch, daß in entwicklungsfähigen Kolonien die Regierungen große Aufträge zu vergeben hatten, die in erster Linie der Industrie der betreffenden Mandatarmächte zugefallen sind. Nur eigener Kolonialbesitz kann Deutschland die dringend benötigte Entlastung in der Rohstoff- und Devisenfrage verschaffen und damit auch gleichzeitig zu einer Entspannung der Weltwirtschaft führen.


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