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Presse-Dokumentation:

Besprechung des Schauspiels "Deutsch-Südwest" von Paul Keding im Stadttheater

Freiburger Zeitung, 16.06.1935, Sonntagsausgabe, S. 4

Stadttheater
Deutsch-Südwest, Schauspiel
von Paul Keding.

Eine koloniale Tagung, die Gäste aus allen Teilen des Reiches zu uns geführt, besonders die um unsere Kolonien verdientesten Männer in Freiburg versammelt hat, mußte der Bühne Anlaß genug sein, uns auch im Theater Bilder aus deutscher Ferne zu schenken.
Das Stadttheater hat dafür ein Schauspiel in vier Aufzügen von Paul Keding gewählt. Berufener Mund hat bereits im Vortragssaale den Dank für den opfermütigen Kampf heldischer Schutztruppe und treudeutscher Farmer ausgesprochen. Die süddeutsche Erstaufführung der Kedingschen Szenen mit den im mittleren Hererolande kämpfenden und leidenden Menschen brachte nun auch dem Auge ein Stück erregten Kolonistendaseins näher.
Paul Keding geleitet uns in das deutsche Südwestafrika zu Anfang 1904. Die Hereros murren: erste Blitze flackern im Wettergewölk. Der eigener Kraft vertrauende, die schreibselige Verwaltung ablehnende Farmer von Greifenthal, dem die Tochter Martha mutigste Hilfe leistet, glaubt gleich dem erfahrenen Händler Rehbein nicht an Verhandlungsfähigkeit der unruhigen schwarzen Umgebung. Selbst ist der Mann! Als ein dem Farmer ergebener Eingeborener an bedrohter Wasserstelle zum Krüppel geschlagen wird, nimmt von Greifenthal das Gewehr. Ein Herero fällt; er ist, wie seine Gesinnungsgenossen erklären, mit ihnen auf der Flucht gewesen. Die Distriktsverwaltung kann eigenmächtigen Kampf nicht dulden, droht dem Schuldigen mit Prozeß. Seine Tochter Martha, eines Sinnes mit dem Vater, fühlt sich mitschuldig. Der Aufruhr schwillt an. Oberleutnant und Distriktschef Weller hat in noch stilleren Tagen um Martha angehalten – vergebens, denn sie hat sich Afrika verschrieben, während er in der alten Heimat sich und der Frau einen bedeutenderen Platz hat erringen wollen. Sie haben sich getrennt. Nun, als die Gefahr ringsum lodert, von Greifenthal draußen überfallen und getötet wird, steht auch Weller als Soldat auf afrikanischem Boden und wird schwer verwundet. Martha, guter Geist der Verwaisten, Bedrohten, Verletzten, ist vom Schicksal dazu berufen, auch Weller zu pflegen, zu retten – einen Mann, der mit steifem Arme wird weiterleben müssen, als Farmer. Seine höherfliegenden Pläne sind ihm genommen. Er selbst wendet sich an Martha, ihm das vom Aufstand zerstörte Gebiet wieder aufbauen zu helfen, als seine Gefährtin fürs Leben.
Keding gibt uns durch seine Ausführungen ein Bild der mannigfachen Schwierigkeiten, die sich vor den Kolonialisten auftürmen in dorniger Natur, zwischen hinterlistigem Volk, dem früher durch gewissenlose Händler arg mitgespielt sein mag. Wie Gedanken leichter beieinander wohnen als die Sachen, das zeigt Keding in den Verhandlungen zwischen Farmern, Regierungsvertretern, Schwarzen. Wer als Uneingeweihter das Stück sieht, wird manchen Vorgang in den Kolonien leichter verstehen; mit ausgiebigen Reden werden die verschiedensten Eigentümlichkeiten afrikanischen Bodens, afrikanischen Himmels erklärt. Nur mit zu viel Reden statt mit handfestem, sichtbaren Geschehen! Es ist mehr Vortrag, durch Bilder erläutert, weniger Schauspiel. Aber in den Tagen, in denen die koloniale Sache im Volke aufmerksamer verfolgt wird, kann auch diese epische, am Schluß zu stark romantisch-lyrisch gefärbte Schilderung willkommene Mithilfe leisten. Das Drama des deutschen Kolonialisten können die vier Aufzüge nicht bedeuten.
Unser Theater war unter Martin Siens Leitung mit Ernst dabei, Kedings Willen gerecht zu werden. Nur müsste man in künftigen Aufführungen überall da, wo erregt verhandelt wird, deutlicher sprechen. Das ist gerade in diesem Stück so wichtig, weil das Wort zeitweise alles ist, durch sichtbare Handlung keine Stütze findet. Am Freitag blieb mancherlei zu wünschen übrig.
Dem Farmer von Greifenthal war Paul Becker selbstverständlich der straffe, harte Vertreter. Ein männlich entschlossener, von der Notwendigkeit seines Tuns überzeugter Draufgänger! Die anziehende Frau deutschen Wesens mit offenem und stillem Heldentum gab Kaete Radel mit der Echtheit, die ihr vom Verfasser gewährt ist, der eben gegen Schluß am wenigsten eine voll überzeugende Wendung menschlichen Schicksals zuwege gebracht hat. Konrad Wagner fesselte als Distriktschef ebensosehr, wie Martin Sien als welterfahrener abgeklärter Farmer. Theo Martin brachte uns einen Vizefeldwebel schon durch erfreulich klaren Vortrag nahe. Hier mag auch Hannes Hempel genannt sein: der sächsisch redende Reiter bildete eine der wirksamsten Gestalten des von eigenartig und vollendet gezeichneten Menschen wenig bedachten Schauspiel-Abends. Im übrigen sollen noch Richard Born als Händler Rehbein, Karl Better als Gefreiter erwähnt sein.
Der Bühnenaufbau zeigte allein im 1. Akte überzeugenderen Schein afrikanischen Landes. Da hätte sich weiterhin noch einiges tun lassen.
Das Haus, in dem berühmte Vertreter deutschen kolonialen Strebens neben Spitzen der städtischen Führung weilten, spendete wiederholt Beifall, zeichnete am Schlusse Darsteller und Verfasser des Schauspiels aus. W. V.


Stadttheater Keding

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