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Die koloniale "Revisionsfrage"

Freiburger Zeitung, 24.05.1931, 1. Blatt, 1. Seite

Wann kommt Deutschland wieder zu Kolonien?

Von Adolf Friedrich, Herzog zu Mecklenburg, ehemaligem deutschem Gouverneur von Togo.

In den letzten Jahren konnte es bisweilen scheinen, als ob nur noch die alten „Afrikaner“ sich um die Kolonialfrage bekümmerten, und namentlich in Preußen nach sehr bedauerlichen Umwandlungen der einschlägigen Schulerlasse [sic] eine neue Generation heranwachse, die für diese Dinge überhaupt kein Verständnis mehr aufbringen könne. Da war es ein freudig zu begrüßender Lichtblick, daß Mitte April d. J. die Deutsche Studentenschaft ihrerseits, unterstützt durch die Deutsche Kolonialgesellschaft, eine koloniale Schulungswoche durchführte, die von führenden studentischen Vertretern aus 16 Hochschulen deutscher Zunge, einschließlich Danzig und Graz, beschickt war. Durch eine größere Anzahl sich willig in den Dienst der Sache stellenden Dozenten in den ganzen Komplex der kolonialen Fragen eingeführt, sind diese führenden Jung-Akademiker dann hinausgezogen zu ihren Kommilitonen, um unter ihnen das Verständnis für Deutschlands koloniale Ansprüche und Notwendigkeiten zu wecken und zu fördern.
Es sollte heute ja wohl keines Wortes der Begründung bedürfen, wie dringend notwendig für Deutschland eigene koloniale Verwaltungsgebiete wären – in einer Zeit, in der bei uns, die wir mit unserem Menschenüberfluß angesichts der in allen Erdteilen gedrosselten Auswanderung der Abflußkanäle für diesen Menschenüberfluß und der kolonialen Absatzmärkte ermangeln, die Hunderttausenden deutscher Arbeitsloser Beschäftigung geben könnten. In einer Zeit, in der auf der anderen Seite Frankreich von dem internationalen Druck der Arbeitslosigkeit nichts verspürt, da dieses Land auf Grund der deutschen Tributleistungen und Sachlieferungen seine großen kolonialen Absatzmärkte in einer bisher nicht dagewesenen Weise zu entwickeln in der Lage war.
Deutschland muß aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen wieder heran an die kolonialen Märkte – in diesem Zusammenhang einmal ganz zu schweigen von den durchaus nicht minder wichtigen ideellen Momenten!
Stellen wir uns im einzelnen die Frage, wann und wo Deutschland wieder Aussicht haben könnte, zu kolonialen Verwaltungsgebieten zu gelangen, so liegt es mir als früherem Gouverneur von Togo erklärlicherweise besonders nahe, zunächst von Deutsch-Westafrika zu sprechen:
Wenn schon vor einiger Zeit von einer Persönlichkeit, der große Möglichkeiten des Einflusses auf die öffentliche Meinung in England zur Verfügung stehen, der Vorschlag gemacht worden ist, daß England seine Mandatsanteile an Togo und Kamerun zurückgeben möge, so kann ein solcher Vorschlag, wie jeder Blick auf die Landkarte lehrt, einen politischen Sinn nur dann haben, wenn er als Anregung an Frankreich aufgefaßt wird, auch seine sehr viel größeren und in ganz anderer Verkehrslage befindlichen Mandatsanteile an diese beiden alten deutschen Kolonien gleichfalls zurückzugeben. Und wenn man dann weiter nachprüft, wie sehr in der Tat Frankreich deutscher Kräfte benötigte, um seine westafrikanischen Mandatsgebiete wirtschaftlich wieder der in und nach dem Krieg eingetretenen Stagnation zu entreißen, und wie schwer es Frankreich heute noch fällt, ohne diese ganz überflüssige Vermehrung seines kolonialen Verwaltungsgebietes die unter älterer französischer Verwaltung stehenden Nachbargebiete wirtschaftlich zu entwickeln – dann kann man wirklich keinen vernünftigen Grund einsehen, weshalb die von England ausgegangene Anregung für die Rückgabe in den Wind geschlagen werden soll.
Ich möchte aber besonders betonen, daß meine Interessen sich durchaus nicht auf westafrikanische Gebiete beschränken, sondern daß meine ausgedehnten Studienreisen mir ja auch Gelegenheit gegeben haben, die ostafrikanischen Dinge und darüber hinaus die im Zusammenhang hiermit stehende Inderfrage auch in der Heimat des indischen Volkes nachzuprüfen.
Aus mancherlei Gesprächen, die ich noch in der letzten Zeit zu führen Gelegenheit hatte, glaube ich feststellen zu können, daß in England der Kreis der einsichtigen Personen dauernd im Wachsen ist, die das britische Mandat über Deutsch-Ostafrika nicht für ein Glück halten, und die der Ansicht sind, daß es richtiger wäre, dieses Land an Deutschland zurückzugeben. Denn aus den sonstigen ostafrikanischen Verbindungen und insbesondere aus der Verbindung mit Indien ergeben sich für England in dem ostafrikanischen Mandatsgebiet Schwierigkeiten in der Behandlung der Eingeborenen und insbesondere der Inder, die eingestandenermaßen für die deutsche Verwaltung in diesem Umfange weder in früheren Zeiten vorlagen, noch in Zukunft vorliegen würden.
Fast unmittelbar nach Schluß der eingangs erwähnten kolonialen Schulungswoche der Deutschen Studentenschaft erhielt die koloniale Hochschule in Witzenhausen an der Werra, in der diese Veranstaltung abgehalten worden war, den Besuch einer stattlichen Anzahl englischer Hochschullehrer, deren Sprecher zum Schlusse seiner Dankesrede an den Direktor der Anstalt, Dr. Arning, das Bekenntnis ablegte: es sei kein Zweifel darüber, daß verschiedene der jetzigen Mandatsinhaber die… [Fortsetzung auf der nächsten Seite]


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Freiburger Zeitung, 24.05.1931, 1. Blatt, 2. Seite

ihnen anvertrauten Kolonien wesentlich weniger gut verwalteten, als es die Deutschen getan hätten.

Die zwingenden Gründe für eine baldige Aufrollung der Revisionsfrage im ganzen Umfange mehren sich und wachsen täglich an Gewicht. Im Gesamtrahmen dieser Revisionsfrage gebührt der Revision der kolonialen Frage unbedingt keine nebensächliche Rolle. Deutschland muß wieder zu eigenen kolonialen Verwaltungsgebieten kommen, und zwar je eher, um so besser.

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