Vaterländische Kundgebung
Eine eindrucksvolle vaterländische Kundgebung fand gestern abend im Paulussaal statt, der bis auf den letzten Platz gefüllt war. Die Festhalle, der größte Saalraum Freiburgs, die für diese Veranstaltung der richtige Ort gewesen wäre, ist durch den Krieg in Anspruch genommen, sie dient als Lazarett. Die eröffnende Ansprache hielt Oberbürgermeister a.D. Dr. Winterer, der beim Erscheinen lebhaft begrüßt wurde. Er wies in seinem Willkommgruß auf die Heldengeister hin, die auf uns niederschauen, Kaiser Wilhelm I., Bismarck, Moltke, unsern Großherzog Friedrich I. Unser Geschlecht ist ihrer würdig. Wir sind ein einig Volk von Brüdern, einig auch in der Verantwortung der Frage: Wer ist Schuld an diesem Krieg? Die Verdienste der Presse werden vom Redner besonders hervorgehoben. Aber der Krieg, der uns aufgezwungen ward, brachte uns etwas Großes, einen neuen Volkesfrühling, eine Herzensreinigung wie nie zuvor. Von Mißmut und kleinlichen Zweifeln ist nichts zu merken, einmütig stehen alle Stände vom Fürsten bis zum Arbeiter zusammen. Wir grüßen – so fuhr der Redner fort – die tapfere Armee; der Gruß aus der Heimat möge den Kriegern sagen, daß unsere Gedanken stets bei ihnen sind. Wir grüßen die Angehörigen der Krieger, vor allem die Frauen und die Mütter, die dieses stolze und tapfere Geschlecht geboren und erzogen haben. Da ist keine Mutter, die den Sohn erhalten haben möchte um den Preis, daß er seine Pflicht nicht voll tue. Der dritte Gruß galt der Friedensarmee, besonders den Pflegern und Helfern des Roten Kreuzes. Den Kaiser und seine Räte grüßen wir. Wir haben das Vertrauen zu den Leitern des Deutschen Reiches, daß sie in einem uns ehrenvollen Frieden, Deutschland die Stellung verschaffen, die ihm gebührt. Mit einem begeisterten Hoch auf Kaiser und Reich, dem das Kaiserlied folgte, schloß der Redner.
Der zweite Redner, Prälat Dr. Werthmann, schilderte den Ernst dieser schweren Stunde, die wir jetzt erleben. Ein Gerichtstag ist herangebrochen für die Völker. Für uns Deutsche, die wir einig und eisenhart zusammenstehen, ist diese Zeit erhebend und begeisternd. Wir haben uns wiedergefunden, wie damals in den Tagen der Befreiung im Jahre 1813 und der Einigung im Jahre 1870. Jetzt steht unser Volk vor einem dritten Wendepunkt. Drei Sterne sind es, die uns leuchten, der erste ist das Einheitsbewußtsein der Deutschen, das nun kein Sehnen nach Einheit mehr ist, sondern Erfüllung.
Es leuchtet uns ferner der Morgenstern religiöser Wiedergeburt. Der Kaiser war darin dem Volk ein leuchtendes Beispiel und vor allem den Soldanten. Der dritte Stern, der uns Licht spendet, ist die Caritas. Große Opfer verlangt der Krieg, aber er fand auch ein opferfreudiges Volk. Auch die katholische Kirche hat von Anfang an zu helfen versucht. Sie hat u.a. die Barmherzigen Schwestern dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. In der Krypta des Völkerschlachtdenkmals sind die vier großen symbolischen Gestalten der Volkskraft, Glaubenskraft, Tatkraft und Opferkraft. Auf diesen beruht die Größe unseres Volkes. Die neuen Aufgaben, denen das siegreiche Deutschland gewachsen sein wird, werden gelöst werden dank diesen Grundlagen. Wir wünschen und erhoffen sehnlich, daß ein großes Vaterland und eine segensreiche Friedenszeit aus diesem Kriege hervorgeht.
Herr Professor Dr. Fabricius sprach über die Tätigkeit des Roten Kreuzes, dessen Wirksamkeit kürzlich den höchsten Beifall einer Kommission Baseler Ärzte gefunden habe. Daß alles so vorzüglich in Ordnung sei, das sei vor allem der vorbereitenden Friedensarbeit zu verdanken. Dies gelte besonders für die Sanitätskolonne, deren Leiter Herr Bezirksrat Dr. Guttenberg und deren Kolonnenführer, Herr Roger, das Hauptverdienst erworben haben. Aber all den Pflegern und Helfern gebührt der herzliche Dank. Sie haben tagtäglich unermessliches Leid und Elend zu sehen, sie sind aber auch Zeugen des Heldentums unserer braven Krieger. Das Große in den Lazaretten ist das Bild des Großen im Vaterlande. Das Glück, einstehen zu dürfen, haben nicht nur die außerordentlichen: jeder kann helfen. Wir wollen weiterarbeiten, da, wo wir hingestellt worden sind. In der Arbeit liegt die Bürgschaft des Sieges und der Unüberwindlichkeit unseres Volkes. Auch darin sind wir einig. Unser Volk hat den anderen voraus das gute Gewissen. Wir kämpfen um unser Recht und die Güter der Kultur. Und jeder hat seinen Teil an diesem Kampf, [es gilt?] die Selbstsucht zu überwinden. Wir kämpfen für unsere Zukunft und unsere Jugend. Dieser soll ein neuer Frühling werden.
Herr Kontreadmiral z. D. Schönfelder fesselte die Hörer durch anschauliche Schilderungen aus dem Marineleben. Die Mobilmachung der Marine vollzieht sich in ganz anderer Weise als die des Landheeres. Ein Teil der Flotte ist stets kriegsbereit und bedarf höchsten noch der Einnahme von Lebensmitteln und Kohlen. Bei den anderen vollzieht sich die Mobilisierung langsamer und unmerklicher. In schwieriger Lage befinden sich die Kriegsschiffe in den Auslandsgewässern. Sie sind abgeschnitten können keinen Befehl entgegennehmen, aber auch keine Kohlen oder Granaten aufnehmen. Sie müssen selbstständig handeln. So hat der kleine Kreuzer Emden sechs große englische Dampfer versenkt (bei Kalkutta), da zur Einbringung von Prisen den Deutschen dort ein Hafen fehlt. – Man hatte erwartet, daß die englische Flotte ohne Kriegserklärung unsere Städte bombardiert. Es kam anders. Die Zeit wurde ausgenützt. Die Küste ist durch Minen geschützt. Ein Angriff Englands sei bestimmt zu erwarten, und man werde ihn dorthin zu lenken versuchen, wo für die deutsche Flotte die Lage am günstigsten sei. Das ist bei Helgoland, dessen Geschütze die Flotte wirksam unterstützen können, und das ringsum von Minen geschützt sei, deren Lage den deutschen Schiffen bekannt ist, nicht aber dem Feinde. Der Redner gab dann eine lebendige Schilderung eines Unterseebootangriffs und besprach den großen Erfolg des U9. Die Engländer haben durchblicken lassen, daß das deutsche Unterseeboot die beiden Schiffe hätte schonen müssen, die mit der Auffischung von Schiffbrüchigen beschäftigt waren. Das sei englischer Humbug, denn die Rettungsarbeiten sollten von Nichtkämpfern ausgeführt werden. Der Erfolg des U9 habe gezeigt, daß Deutschland, wie ehemals bei den Torpedobooten, so auch dieses Mal bei den Unterseebooten auf dem rechten Wege gegangen sei, indem von der Marineleitung von Anfang an die Bedeutung dieser Unterseewölfe erkannt worden sei. Die (verhältnismäßig geringen) Verluste, die wir erlitten haben, besagen nichts; sie haben im Gegenteil den Geist der Tapferkeit gezeigt, von dem unsere Marine erfüllt ist. Wir dürfen Vertrauen haben zu unserer Flotte. Sie hat vor denen der Feinde die Schnelligkeit und vor allem den ungestümen Angriffsgeist voraus, und dadurch wird es gelingen, den Feind zu überwinden!
Als letzter Redner sprach Herr Pfarrer Schwarz von der Christuskirche. Er wählte ein Gedicht Goethes, das Symbolum, als Leitspruch seiner Ausführungen und ließ die Aufforderung des letzten Verszeile: Wir heißen euch hoffen! an Alle ergehen. Wir erhoffen nicht nur den Sieg unserer gerechten Sache, sondern daß der Krieg ein Läuterungsfeuer, eine Bluttaufe sein wird. Besitz und Arbeit sind die zwei Grundlagen, auf denen das Wirtschaftsleben beruht; es darf aber kein genießerischer Besitz sein, sondern ein Besitz der schafft und Werte erzeugt. Und in der Wertschätzung der Arbeit hat der Krieg eine Wendung gebracht: die Achtung vor jeder Arbeit. Ein Bund ist geschlossen worden zwischen allen Arbeitenden. „Ausgleich und Verständigung, alles auf nationaler Ebene“, dieser Ausspruch unseres unvergleichlichen Großherzogs Friedrich I. sei in Erfüllung gegangen. Zum tatkräftigen Erfolg wird uns unsere Sittlichkeit und Religion verhelfen. Wer rein ist, ist unüberwindlich! Die Versammlung folgte begeistert der Aufforderung des Redners, die letzte Strophe des Tedeums anzustimmen:
Herr und Gott, erbarme dich!
Ueber uns sei stets dein Segen.
In gehobener und bewegter Stimmung verließ die über tausend Teilnehmer zählende Menge den Saal, die den trefflichen Ausführungen der Redner mit wärmstem Beifall gedankt hat. |
|