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Dokumentation: "Unruhen im Kamerun" und

Debatte im Reichstag zum Kolonialetat und der Einrichtung eines Reichskolonialamtes

Freiburger Zeitung, 4.5.1907, Nr. 104, S. 1

Allgemeine Umschau. Die lange Dauer der Unruhen in Südkamerun, die von 1904 bis 1906 währten, macht Hauptmann Scheunemann im neuesten Kolonialblatte zum Gegenstande einer ausführlichen Darlegung. Diese ist von besonderem Interesse deswegen, weil der neue Kolonialetat für Südkamerun die Aufstellung einer weiteren Kompagnie anfordert. Die große Ausdehnung des Gebietes, das äußerst ungünstige Gelände, die Unterbrechung der einheitlichen Leitung der Expedition, die Verringerung der Haupttruppe durch Versetzung der Etappenlinie e.c., alle diese Umstände würden nicht die lange Dauer der Unruhen bewirkt haben, wenn nicht die zu bekämpfenden Stämme kriegerischer Natur und durch ewige Streitigkeiten untereinander im Waffenhandwerk geübt wären. Die gegenseitigen Zwistigkeiten - führt Scheunemann aus - hinderten die Eingeborenen jedoch nicht, gegen ihren gemeinsamen Feind, den Europäer, gemeinsam vorzugehen. Das nötige Kriegsmaterial brachte der Handel ins Land. Daß die Zeiten vorüber sind, da eine kleine Truppenabteilung unter weißer Führung im offenen Gefecht keine Übermacht der Feinde zu fürchten hätte, lehren die Angriffe der Njem auf stark befestigte Lager am hellen Tage und das Handgemenge beim Sturm auf Bokamoneue. Es wäre eine unverantwortliche Selbsttäuschung, meint Scheunemann, wollte man sich der Erkenntnis verschließen, dass die Eingeborenen Kameruns gelernt haben, den Europäer mehr und mehr nach seinem wahren Werte einzuschätzen, nicht aber das gottähnliche Wesen mehr in ihm zu sehen wie früher. Dazu haben gerade im Aufstandsgebiet die widerlichen Streitigkeiten der weißen Angestellten von Konkurrenzfirmen sehr beigetragen. Wenn, wie es vorgekommen, ein weißer Kaufmann einen anderen auf offener Landstraße vor den Augen zahlreicher Eingeborenen durchprügelt, so kann das unmöglich zur Hebung des Ansehens des Europäers beitragen. - Damit nicht die eingeborenen Soldaten bei den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen einmal mit den unterworfenen Stämmen gemeinsame Sache gegen den Rassefeind machen, betont Scheunemann die Notwendigkeit, - ausländische Söldner anzuwerben, die Stationen hinlänglich mit Europäern zu besetzen und durch moderne Verkehrsmittel die Zusammensetzung einer größeren Zahl von Europäern [an] bedrohten Punkten zu ermöglichen.“

„Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Mai. Der Reichstag nahm heute noch die zum Reichspostetat gehörigen Resolutionen ohne Debatte und den Etat für das Reichsmilitärgericht an. Dann begann die Beratung des Kolonialetats, die ein besonderes Interesse bietet, weil der Etat wieder die in den Vorjahren abgelehnte Forderung für die Errichtung eines Reichskolonialamtes und die Einsetzung eines Kommandeurs der Schutztruppen enthält. Noch einige andere interessante Forderungen bringt der Etat, so unter anderem zur Vorbereitung von höheren und mittleren Beamten, Offizieren, kaufmännischen und technischen Kräften für den Kolonialdienst und zum Studium der ausländischen Kolonialverhältnisse. Die Debatte dreht sich fast ausschließlich um die Frage des Kolonialamtes. Die Parteigruppierung war dieselbe, wie bei der ersten Beratung, Konservative, Nationalliberale und Freisinnige, der jetzige Block, unterstützten die Forderung. Das Zentrum und die Sozialdemokraten lehnten sie ab.

Den ablehnenden Standpunkt des Zentrums begründete der Abg. Spahn. Soviel man aus seinen fast unverständlichen Ausführungen entnehmen konnte, vertrat er die Auffassung, dass das Bedürfnis nach einem selbständigen Staatssekretär für die Kolonien nicht im Verhältnis stehe zur Bedeutung unserer Kolonien.

Abg. Bebel machte geltend, dass die Errichtung eines Kolonialamtes den Tätigkeitsdrang des Inhabers anspornen und denselben zu vermehrten Ausgaben veranlassen werde. Auch befürchtet Bebel, dass eine größere Möglichkeit zu Konflikten mit dem Auslande gegeben sei.

Die Widerlegung dieser Einwände übernahm Staatssekretär Graf Posadowsky. Derselbe stellte fest, dass unsere Kolonien schon jetzt eine so große Summe von Materialien und Verwaltungsinteressen vereinigen, dass es für den Reichskanzler unmöglich sei, für alle diese Einzelheiten die Verantwortung zu übernehmen. Nach der Verfassung stehe dem Reichskanzler die staatsrechtliche Verantwortung zu; er müsse aber einen Stellvertreter haben, der ihm die materielle und moralische Verantwortung abnehme. Der Staatssekretär bezeichnete dann die Auffassung Spahns, dass das englische Kolonialamt dem Auswärtigen Amt unterstellt sei, als einen Irrtum, indem er darauf hinwies, dass das englische Kolonialamt einen eigenen Staatssekretär habe, der Chef des Kabinetts sei, dem ein Unterstaatssekretär, ein Parlamentsuntersekretär und ein ständiger Sekretär unterstellt seien. Auf den Einwand, dass durch ein selbständiges Kolonialamt die Einheitlichkeit des Verkehrs mit den auswärtigen Behörden beeinträchtigt werden könne, erwiderte Graf Posadowsky, dass das Kolonialamt denselben Weg gehen werde wie die übrigen Reichsbeamten, die sich an das Auswärtige Amt wenden, das die Verhandlungen führt. Das Auswärtige Amt bleibe nach außen immer das Mundstück des Deutschen Reiches.

Auch Kolonialdirektor Dernburg ergriff im Laufe der Debatte das Wort, um die Einwände zu widerlegen und falsche Auffassungen richtig zu stellen. Spahn hatte die Kolonien als ein politisches Werkzeug der Weltmachtstellung Deutschlands bezeichnet. Dernburg erwiderte darauf, die kulturelle und wirtschaftliche Übung der der Kolonien sei das einzige Ziel der Kolonialverwaltung. Aus demselben Grunde sei auch die Befürchtung hinfällig, dass durch die Errichtung eines Kolonialamtes die Reibungsfläche mit dem Auslande vergrößert würde. Dernburg erklärte ausdrücklich, dass die Bildung einer Kolonialarmee nicht beabsichtigt sei, denn man habe mit Ausnahme von Südwestafrika gar keine Verwendung dafür. Spahn hatte auch von den großen Eisenbahnprojekten gesprochen. Kolonialdirektor Dernburg wies darauf hin, dass schon die Langsamkeit des Bahnbaues, durchschnittlich ein Kilometer in einem Monat, die schleunige Ausführung solcher Projekte verbiete. Wir wollen aber nicht wieder zu Zuständen kommen, wie vor wenigen Monaten, wo wir 20 bis 30 Millionen für Transporte ausgeben mussten. Die Tätigkeit der Missionen beider Konfessionen schätzt Dernburg. Die Vorwürfe gegen Hauptmann Dominik haben sich als falsch herausgestellt. Die kaufmännische Vorbildung der Beamten ist notwendig. Die Verwaltung ist anzusehen wie eine Eisenbahn: ein guter Unterbau und Schienen, das sind die Beamten; eine übermäßige Steigung und Krümmung, das ist die subalterne Verordnungssucht. Darüber hinweg wird der Zug der wirtschaftlichen Entwicklung leicht gehen, und darauf gehen wir alle aus. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Müller Meiningen (fr. Ber.): Den Grundsätzen des Kolonialdirektors schließen wir uns an. Dabei befinden wir uns durchaus nicht, wie Bebel meint, in Hurra-Stimmung. Wir wollen die Kolonien in einen nationalen Besitz umwandeln.“