Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.deReichstagsdebatte: Bebel kritisiert Kriegführung in Südwestafrika als barbarisch |
Freiburger Zeitung, 04.12.1906, 3. Blatt, 1. Seite Deutscher Reichstag. Auf der Tagesordnung stand Samstag die Fortsetzung der Beratung des Nachtragsetats für Südwestafrika. Kolonialdirektor Dernburg: Erzberger habe den Geh. Rat Seitz angegriffen, weil dieser behauptet habe, die Firma Tippelskirch habe allen Khaki herstellen können. Das sei insofern nicht richtig, als Tippelskirch lediglich das Verkaufsmonopol der einzigen deutschen Khakifabrik habe. Ueber die schwarzen Fonds werden Ermittelungen angestellt werden. Abg. Bebel (Soz.): Noch nie sei einem Triumphator so Weihrauch und Rosen gestreut worden, wie Herrn Dernburg. Die Art des Kolonialdirektors, wie er den Abgeordneten das Material zu entwinden suche, habe lebhaftes Mißtrauen erweckt. Die Verträge, die die Beamten abgeschlossen haben, hätten uns hunderte von Millionen gekostet. Redner versteht es nicht von dem Kolonialdirektor, wie er als Bankier und Kaufmann eine solche Finanzierung wie die vorgeschlagene vornehmen könne. Bebel erörterte die Grenzverletzung und besprach die Behandlung der Eingeborenen, wobei wir nicht wie Kulturmenschen, sondern wie Barbaren gehandelt hätten. Auch die Kriegsführung in Afrika sei barbarisch. Nicht unterwerfen wolle man die Völker, sondern niedermetzeln. Südwestafrika sei der vielen Opfer nicht wert. Der Optimismus des Kolonialdirektors, dort ein neues Deutschland zu schaffen, sei Utopismus der schlimmsten Art. Während des zweiten Teils der Rede Bebels hatte sich der Saal allmählich geleert. Bebel schlug erregt auf das Pult und richtete den Angriff gegen das Zentrum, das als regierende Partei an der ganzen Kolonialpolitik Schuld sei. Es werde alles vertuscht, was in den Kolonien vorgefallen sei. Der Handelsverkehr mit den Kolonien sei gleich Null. Der Verkehr mit dem kleinen Dänemark sei weit wichtiger. Die ganze Kolonialpolitik sei eine kostspielige Fata Morgana. Der Redner geht dann auf den Fall Puttkamer ein und erwähnt Vergehen von Kolonialoffizieren. In einem Falle seien drei Eingeborene verstümmelt, in einem anderen 25 Negerkinder ertränkt worden. Hoffentlich werde hierüber öffentlich berichtet werden. Die Einsichtnahme in die Dr. Peters-Akte sei ihm verweigert worden. Offensichtlich geschehe das nicht auch in der Budgetkommission. Geheimrat Hellwig sei im Falle Peters ein Opfer der Herren Arnim, Kardorff und Arendt geworden. Er sei zu scharf vorgegangen. Die Abgeordneten hätten ihre Stellung zu seinem Sturz mißbraucht. (Pfuirufe links; große Unruhe.) Vizepräsident Graf Stolberg: Sie dürfen das nicht sagen. Abg. Bebel: Wenn jemals ein Abgeordneter seine Stellung mißbraucht hat, so ist das hier der Fall. Unruhe; Zuruf: Verbrecher!) Vizepräsident Graf Stolberg ruft den betreffenden Abgeordneten zur Ordnung, als dieser das Wort nochmals wiederholt, zum zweitenmale. (Andauernde Unruhe.) Abg. Bebel schließt, er und seine Freunde würden eine derartige Politik nicht mitmachen. Persönlich bemerkte Abg. Erzberger: Ich habe dem Kolonialdirektor nur eine Liste meines Materials übergeben, nicht das ganze Material selbst. Staatssekretär Tschirschky erklärte, von einer unzulässigen Beeinflussung behufs Begnadigung Dr. Peters könne keine Rede sein. Abg. Arendt (Rp.) erklärte: Ich bin nicht für das verantwortlich was Herr Richthofen gesagt hat. Ich habe mit dem Vorgesetzten von Herrn Hellwig niemals im Sinne von dessen Absetzung gesprochen. Ich lehne es ab, daß ich eine Haltung gezeigt hätte, die Herrn Bebel Anlaß zu seinen Kraftausdrücken gegeben hätte. Abg. Erzberger bestätigte die Ausführungen Bebels über Hellwig. Weiterberatung: Montag 1 UhrZur Übersicht 1906 der Pressedokumentation | Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg |