logo

Presse-Dokumentation auf www.freiburg-postkolonial.de

"General von Liebert über die Unruhen in Deutsch-Ostafrika", Unruhen nördlich von Dar-es-Salaam

Freiburger Zeitung, Nr. 240, 13.10.1905, 1. Blatt, 1. Seite

General von Liebert über die Unruhen in Deutsch-Ostafrika.
Ein Mitarbeiter der N. G. E. hatte Gelegenheit, sich mit dem Generalleutnant z. D. von Liebert über die Ursachen und den Charakter des Aufstandes in unserer ostafrikanischen Kolonie zu unterhalten, und das Urteil des Generals, der ja selbst als Nachfolger Wissmanns mehrere Jahre lang als Gouverneur an der Spitze der Kolonie stand und zu den ersten Autoritäten auf dem Gebiete unseres Kolonialwesens gehört, speziell soweit die ostafrikanischen Verhältnisse in Frage kommen, darf wohl in diesem Augenblicke besondere Aufmerksamkeit beanspruchen.
General von Liebert erklärte zunächst, daß gerade ihn die Nachricht vom Ausbruche des Aufstandes sehr schmerzlich, berührt habe, weil er begreiflicherweise noch immer das wärmste Interesse am Schicksale Deutsch-Ostafrikas nehme und mit lebhafter Freude das stetige Emporblühen der Kolonie verfolgt habe. Am allerwenigsten konnte man, seiner Ansicht nach, erwarten, daß gerade in und um Kilwa eine Empörung der Eingeborenen gegen die Weißen ausbrechen würde. Denn nach der Schilderung Herrn von Lieberts fehlt den hier Lebenden Stämmen nicht weniger als alles, was sie befähigen könnte, einem weißen Feinde ernsthaft Widerstand zu leisten. Der General kennt selbst die Gegend zwischen Dar-es-Salaam und Kilwa ganz genau, und er erzählt, daß er das erstemal, als er einen friedlichen Marsch nach Kilwa unternahm, überrascht gewesen sei durch die Minderwertigkeit des Menschenschlags an diesem Küstenstriche. Selten nur ließen sich einzelne Neger am Wege sehen; sie gehen ganz nackt, was die wenigsten von ihrer Rasse noch tun, und sie schämen sich, von bekleideten Europäern gesehen zu werden. Sie sind von Natur alles andere als mutig, und da sie außerdem keine Waffen haben – man ist in Ostafrika vorsichtiger gewesen als in Südwestafrika – so muß es als der reine Wahnwitz bezeichnet werden, daß sie eine Auflehnung gegen die deutsche Herrschaft versuchen konnten. Herr von Liebert meint, er habe bisher nicht recht daran glauben wollen, daß die Motive der Empörung religiöser Natur seien, doch dürfte jetzt als feststehend angenommen werden, daß dem wirklich so sei. Man hat den Eingeborenen eingeredet, ein großer Zauberer habe seine Macht über die Weißen gewonnen, und wenn die Weißen jetzt auf die Schwarzen zu schießen anfangen wollten, so würden die Kugeln den Lauf ihrer Gewehre nicht verlassen, sondern sich statt dessen Wasser daraus ergießen. Nur so ist es zu erklären, daß die armen Teufel sich tollkühn den deutschen Gewehren gegenüber stellten, und daß z. B. bei einem dieser Zusammenstöße nicht weniger als 350 Eingeborene fielen, auf deutscher Seite aber kein einziges Menschenleben verloren wurde. Daß die ersten Ausschreitungen durch die Zerstörung der Baumwollanlagen begangen wurden, ist nur eine Folge der instinktiven Abneigung des Negers gegen jede geregelte Arbeit; er ist ebenso faul wie bedürfnislos, und die Natur liefert ihm fast Alles, was er benötigt, ohne Anstrengung seinerseits.
Ueber die Ermordung des katholischen Bischofs und der Missionare die ihn begleiteten, teilte auch Herr Liebert mit, sie seien hinlänglich gewarnt worden. Die deutschen Behörden, hatten ihnen dringend von der Fortsetzung ihrer Reise abgeraten. Ihr Tod hat nun noch die schlimme Folge gehabt, daß durch ihn die Eingeborenen in den Besitz von Schusswaffen gelangen – mit denen die friedfertigen Missionare selbst vielleicht garnicht umzugehen verstanden, da sie sonst doch wohl kaum so leicht überrumpelt worden wären. Denn wenn diese Eingeborenen auch selbst kaum mit dem Gebrauch von Schusswaffen vertraut sind und miserabel schießen, so ist, wie Herr von Liebert bemerkt: „ein Hinterlader schließlich immer ein Hinterlader.“
Zwingende Notwendigkeit ist es jetzt, den Aufstand mit eiserner Faust und schonungsloser Strenge niederzuschlagen. Wie der friedfertige und gutmütige Neger zu Bestie wird und in Taumel gerät, sowie er Blut sieht, so muß auch erst Blut fließen, ehe der Frieden wiederhergestellt werden kann. Jede Schwäche im falschen Augenblicke wäre verhängnisvoll. Erst nachdem er die überlegene Macht des Weißen gefühlt hat, kann man mit dem Neger paktieren. Es liege aber nicht der geringste Grund zu tieferer Besorgnis über die Bedeutung und den Umfang der Rebellion vor. Denn es handele sich bei ihr nur um sozusagen kleine lokale Putsche ohne Zusammenhang, ohne Führer, ohne Waffen und noch dazu in der Nähe der Küste, fast unmittelbar in dem Bereiche des Mittelpunktes der deutschen Macht. Herr von Liebert erwähnte, daß nach Nachrichten, die der Graf Pfeil, ein Vetter des Grafen Götzen, aus Afrika jetzt mitgebracht habe, der Gouverneur denn auch volles Vertrauen dazu habe, daß der Aufstand in Kürze bewältigt sein und sich nicht sobald wiederholen werde. Auf die Frage, ob Graf Götzen sich wohl selbst an die Spitze einer Strafexpedition stellen werde, erwiderte General von Liebert, daß dazu seines Erachtens keinerlei Anlaß vorliege. Er äußerte: Das sind Aufgaben, die jeder Schutztruppenleutnant lösen kann. Als die einzige zurückbleibende Folge des Aufstandes, die ja allerdings bedauerlich sei, werde sich wohl im nächsten Budget für Deutsch-Ostafrika eine vorübergehende Minderung der Einnahmen ergeben.
General von Liebert wies dann im weiteren Verlaufe des Gesprächs darauf hin, daß es gänzlich unangebracht sei, den Krieg in Südwestafrika und die belanglose Rebellion in Ostafrika miteinander zu vergleichen: In Ostafrika haben wir Eingeborene vor uns, die wirklich nur im Wahnwitz daran denken konnten, sich gegen uns zu erheben, und die diesen Versuch schnell blutig gebüßt haben werden. In Südwestafrika stehen wir einem nicht nur ebenbürtigen, sondern sogar überlegenen Gegner gegenüber, der vorzüglich bewaffnet ist, die Ausnutzung des Terrains meisterhaft versteht und ausgezeichnet schießt – besser fast als unsere tapferen Soldaten, die, auf dem Schießplatz ausgebildet, anfangs unter dem afrikanischen grell reflektierenden Sonnenlichte kaum zu zielen im Stande sind. Auch sonst hat der Herero mit diesen ostafrikanischen Negerstämmen keine Ähnlichkeit. Die Herero sind Nomaden, ein Herrenvolk, wenn man will, das sich gegen den Zwang fremder Herrschaft sträubt und unter tüchtigen Führern für seine Freiheit streitet. Man wird daher jetzt auch in Südwestafrika die Politik der großen Entscheidungskämpfe verlassen müssen. Jeder Stabsoffizier wird seinen Bezirk angewiesen erhalten, und in diesem die Aufgabe zu erfüllen haben, den Gegner völlig niederzudrücken, unschädlich zu machen. Aber so liegen, ich wiederhole es, die Verhältnisse in Ostafrika nicht. Etwas anderes wäre es, wenn sich die schon ihren körperlichen Eigenschaften nach gefährlicheren und unter mächtigen Sultanen stehenden Stämme in den Hinterländern Ostafrikas aufgelehnt hätten. Aber die halten sich ja glücklicherweise vollständig ruhig. Eine letzte Frage, ob zwischen den verschiedenen Stämmen Afrikas eine Art Solidaritätsgefühl der Rasse den Weißen gegenüber vorhanden sei und ob etwa Nachrichten vom Gang der Dinge in Südwestafrika irgendeinen Einfluss auf die Entstehung der Unruhen in Ostafrika gehabt haben könnten, glaubt General von Lieber ganz entschieden verneinen zu können. – Ich weiß wohl, man spricht davon, daß sich in ganz Afrika ein einheitlicher Aufstand gegen die Weißen langsam vorbereite. Aber ich vermag nicht, daran zu glauben. Vielerlei Gründe sprechen dagegen. So betrachtet, um nur ein Beispiel anzuführen, der ostafrikanische Neger, der dunkelbraun oder schwarz ist, den gelben Hottentotten überhaupt nicht als seinesgleichen. Ja er rechnet den Hottentotten zu den Weißen...


Scan der Originalseite auf dem Server der UB-Freiburg

Freiburger Zeitung, Nr. 240, 13.10.1905, 1. Blatt, 2. Seite

Aus Deutsch-Afrika

Aus Dar-es-Salaam, 10. Oktober, wird dem B. Lok.-Anz. gemeldet: Von Kondutschi, wenige Stunden nördlich von hier, werden Unruhen gemeldet. Oberleutnant Franck wird sofort mit 30 Mann nach Kondutschi und weiter nördlich bis Unonio marschieren. Der Bussard hat heute Nachmittag den Hafen von Zansibar verlassen und dampft nach Kondutschi und Mbueni, um dort Truppen zu landen. Außerdem marschiert ein Polizeiregiment von Bagamoyo auf Mbueni zu.
Kondutschi ist eine größere Ortschaft an der Meeresküste, etwa 20 Kilometer von Dar-es-Salaam entfernt; Unonio liegt eine kleine Strecke weiter ebenfalls an der See, desgleichen Mbueni, dieses letztere etwa 25 Kilometer nordwärts von Kondutschi. Der Schauplatz der früher gemeldeten Unruhen in der unmittelbaren Nähe war in südwestlicher Richtung, einige Kilometer vom Meere entfernt.


Scan der Originalseite auf dem Server der UB-Freiburg

backZur Übersicht Oktober 1905 der Pressedokumentation | nach oben top