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DOA: Tötung Aufständischer, Kamerun: scharfe Kritik an "Gesellschaft Süd-Kamerun" wegen Gewalt gegen Einheimische, Kriegserlebnisse aus DSWA: "Der Leutnant und sein Bursche"

Freiburger Zeitung, Nr. 216 vom 15.09.1905, 1. Blatt, 1. Seite

Deutsch-Afrika.

Ost-Afrika.
Aus Dar-es-Salaam wird dem L.-A. berichtet: Die Nachrichten lauten aus allen Aufstandsgebieten befriedigend. Eine Anzahl Aufständischer wurde gehenkt oder standrechtlich erschossen. Die Unruhen in Kilossa scheinen durch das kräftige Eingreifen des Bezirksamtmannes Lambrecht bekämpft zu sein. Der Bezirksamtmann Richter in Songea schlug (wie schon amtlich gemeldet wurde) die Anhänger Schabrumas. Auf deutscher Seite ist ein Askari gefallen. Der Feind hat schwere Verluste erlitten. Die Masagara südlich von Mpwapwa scheinen unruhig zu werden.

Kamerun.

Aus Hamburg wird gemeldet: Gegen die Gesellschaft Süd-Kamerun veröffentlichen die hiesigen Batanga-Firmen eine energische Protesterklärung mit schweren Anschuldigungen gegen das von der Gesellschaft beliebte Kongo-System. Die Schwarzen würden ohne Veranlassung niedergeknallt. Der Umstand, daß die Gesellschaft eine Expedition ausrüstete gegen die Njam-Leute, um eine Forderung von 100 000 M. einzutreiben, sei die erste Veranlassung gewesen zum Ausbruch von Unruhen. Auch das rücksichtslose Vorgehen des Grafen Schlippenbach, der mit dem der Gesellschaft gehörigen Dampfer die Fischereianlagen der Neger zerstörte, habe Grund zur Unzufriedenheit gegeben. Die Erklärung schließt mit der Forderung, daß Süd-Kamerun dem deutschen Handel offen bleiben müsse.


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Freiburger Zeitung, Nr. 216 vom 15.09.1905, 3. Blatt, 1. Seite

Der Leutnant und sein Bursche

Nachstehende Episode aus dem Kriegsleben in Südwestafrika, die ein schönes beispiel von Anhänglichkeit eines Reiters an seinen Offizier bildet, wird der Tgl. Rundsch. berichtet:

Es war am 17. Juni, etwa um 3 Uhr früh, als das Detachement von Kamptz in der Stärke von 87 Gewehren und 2 Gebirgsgeschützen in die Schlucht bei Naros eintrat, und Leutnant B. den Befehl erhielt, mit 15 Reitern auf dem linksseitigen (südwestlichen) Höhenrande einem etwaigen Angriff entgegenzutreten. Sehr bald zeigten sich ungefähr 30 Hottentotten, die vor der Abteilung die Höhen erklommen. Das Feuer wurde eröffnet und um 9 Uhr war Leutnent B. im Besitz der Höhe. Die Abteilung richtete sich in ihrer Stellung ein; um 11 Uhr traf eine zum weiteren Vorgehen erbetene Unterstützung von 1 Unteroffizier 6 Mann ein. - Jetzt heftiges Feuer in der rechten und linken Flanke, selbst der Rücken wird durch die sich immer mehr verstärkenden Feinde bedroht. - Dem Häuflein von jetzt 21 Mann standen, wie sich später herausstellte, 80 bis 100 Hottentotten gegenüber, die in stundenlangem Kriechen den Kreis fast geschlossen hatten.

Um sich den Rücken freizuhalten, befahl Lt. B. auf eine hart an der Schlucht gelegene Kuppe zurückzugehen. Nur vier reiter mit sieben Verwundeten trafen hier ein, neun Tote mussten zurückgelassen werden. - Die verwundeten wurden zurückgeschickt, nur der Gefreite Prange, Bursche des Lt.s B., wollte trotz seines Armschusses bleiben und verließ seinen leutnant nicht. - Mit den vier Mann wurde bis zur letzten Patrone die Kuppe behauptet, dann wurde zur Schlucht hinabgestiegen, beschossen vom feinde, der sich jedoch aus seiner Deckung nicht hervorwagte und nicht weiter nachdrängte. Viel Mut haben die Gelben nicht.

Lt. B. brach auf der halben Höhe, unterhalb eines steilen felsens, halb besinnungslos zusammen. Er hatte anscheinend das linke Knöchelgelenk gebrochen. (Eine spätere Diagnose ergab Absplitterung des linken inneren Knöchels, Bluterguß und Verstauchung). Prange verließ ihn nicht. der Feind kam immer näher, man hörte ihn sprechen. Ein treuer Mann von den zurückgehenden Reitern hatte sich herangeschlichen, um seinem Leutnant zu helfen, und ging wieder fort, um mehr Leute zu holen. Jetzt mag Lt. B. selbst erzählen:

Wir drückten uns immer dichter an die Felswand, um von den Bondelzwarts nicht gesehen zu werden; wir hören ihr Freudengeheul, wenn sie, wie wir vermuteten, einen Toten fanden und ihm die Sachen bis aufs Hemd vom Leibe rissen. - Allmählich hörten wir die Stimmen in immer weiterer ferne. Hilfe kommt noch immer nicht. - Ueber mich war infolge der Anstrengungen, Schmerzen, von Hunger und Durst eine gewisse "Wurstigkeit" gekommen. Da war es Prange, der mahnte: "Herr Leutnant, jetzt müssen wir sehen, zum Detachement zu kommen." - Mit den letzten Kräften und unter unsagbaren Schmerzen richte ich mich auf, verbinde mit meinem Taschentuch den stark blutenden Arm von Prange, und auf ihn mich stützend, trete ich die reise an. Alle zehn Minuten wird gehalten, und dann eine ebenso lange Ruhepause gemacht. - Prange wurde infolge des Blutverlustes einmal ohnmächtig, Hunger und Durst meldeten sich. - wir hatten seit abends vorher keine Nahrung zu uns genommen. Prange holte in seinem Hut Wasser aus einer Pfütze, ein Stück Brot fand er auch in seiner Tasche, das wir brüderlich teilten. So ging es 1 1/2 Stunden, als wir deutsche Stimmen hörten. Es waren Leute meiner Kompagnie, die mich suchten, mich auf einen mitgebrachten Esel hoben und nach dem Verbandsplatz in der Schlucht brachten. Nun war alles gut und keiner froher wie Prange.

Das Gros war auf der rechtsseitigen Höhe in schwerem Gefecht gegen etwa zweihundert Hottentotten, bis die Kompagnie Eckart eintraf und die Hottentotten zurückgingen. Schließlich hatten wir als Erfolg viel Vieh und die Werft in unseren Händen. Verfolgung war wegen der eingetretenen Dunkelheit ausgeschlossen.

Meine Abteilung hatte nicht umsonst gekämpft und geblutet; hatte sie doch stundenlang beinahe 100 Hottentotten festgehalten und eine Umgehung links aund einen Angriff auf die Handpferde verhindert. Prange habe ich zweifellos mein Leben zu verdanken, ohne ihn wäre ich hilflos liegen geblieben, und da die beutegierigen Bestien in der Nacht nochmal das Gelände nach Toten absuchten, so wäre ich jedenfalls in ihre Hände gefallen.

Viele ähnliche Fälle von heldenhafter Aufopferung der leute für ihre Vorgesetzten ließen sich erzählen, aber leider wird aus Südwest so wenig bekannt. - Heute nur das Lied vom treuen Prange, der hoffentlich schon wieder gesund ist.


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