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Freiburger Zeitung, Nr. 206 vom 03.09.1905, 1. Blatt, 2. Seite
Freiburger Zeitung, Nr. 206 vom 03.09.1905, 2. Blatt, 1. Seite
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Die erste briefliche Nachricht aus Kilwa.
Über den Ausbruch der Unruhen in Deutsch-Ostafrika veröffentlicht das Deutsche Offizierblatt. Der Bericht lautet wörtlich:
Kilwa, 6. August 1905.
Am 30. Juli, vormittags ½12 Uhr, wurde hier bekannt, daß die Matumbi-Leute ihren Akiden bedroht und einen Mann desselben verwundet hätten; ferner hätten sie alle Baumwollfelder vernichtet und den Ansiedler Hopfer eingeschlossen. Sie wären dazu durch einen Zauberer aufgewiegelt worden, von dem man in Kilwa schon seit acht Tagen sprach. Derselbe sagte auch in Mohorro und im Kilwa-Bezirk zu den Schwarzen, sie sollten keinen Gummi mehr drehen, keine Baumwolle pflanzen und nicht mehr für die Europäer arbeiten, denn sonst müßten sie alle sterben.
Die Neger sind für solche Hetzereien leicht empfänglich, und ihren Aberglauben illustriert am besten die Tatsache, daß selbst in unserem Hause beschäftigte Leute allen Ernstes daran glaubten, der Zauberer wäre halb Mensch, halb Schlange.
Der derzeitige Bezirksamtmann, Stabsarzt Dr. Lott, sandte abends den Feldwebel Hoennicke mit 20 Mann weg; infolge erhaltener Nachricht sandte er ihm aber bald weitere 20 Mann nach. Hoennicke begab sich nach dem elf Marschstunden entfernten Samanga und kam gerade rechtzeitig dort an, denn die Rebellen hatten gerade damit angefangen, von Steinhagens Plantage die Baumwolle auszureißen. H. fügte den Rebellen Verluste bei und schlug sie nach zweistündigem Gefecht zurück.
Inzwischen waren in Mohorro, aus Dar-es-Salaam kommend, Hauptmann Merker und Leutnant Linde mit 70 Mann und 2 Maschinengewehren eingetroffen. Bezirkshauptmann Rendel von Mohorro schloß sich mit 15 Mann an, und sie marschierten nach Samanga und befreiten Hoennicke und Steinhagen, die sich verschanzt hatten und sich gegen wenigstens 2100 Matumbis wehrten.
Dies geschah am 1. August; an diesem Tage wurde der Ansiedler Hopfer ermordet. Derselbe wollte nach hier flüchten, wurde aber von Matumbis eingeholt; er hatte aber nur vier Patronen bei sich, mit denen er vier der Bestien niederstreckte, dann wurde er durch einen Beilhieb getötet.
Nachdem die Rebellen von Samanga vertrieben waren, gingen sie nach dem nur vier Stunden von hier entfernten Mitega, plünderten dort und brannten die Häuser des Akiden nieder. Dann feierten sie Feste, fraßen die geraubten Ochsen und Reis auf, besoffen sich und gaben den ganzen Tag Freudenschüsse in die Luft ab.
Vom 2.-4. d. M. waren die Kerls in Mitega, und während dieser Tage herrschte in Kilwa eine große Aufregung, besonders am 3. d. M. An diesem Tage war Leutnant Spiegel mit 60 Mann und Maschinengewehr aus Lindi hier eingetroffen und sollte an demselben Tag abends noch losmarschieren. Infolge der aus Mitega eingetroffenen, sehr beunruhigenden Nachrichten blieb die Kompagnie hier, und es wurde auf allen Wegen, auf denen der Feind die Stadt erreichen konnte, weit vorgeschobene Europäerposten ausgestellt. Die Bekanntmachung des Herrn Dr. Lott sagte etwa: „Halt, nicht zu viel Angst, aber seht euch vor.“ Infolgedessen setzten sich alle Europäer hier in Verteidigungszustand. Schreiber dieses verließ seine Wohnung und begab sich in unser Haus, das ganz zur Verteidigung eingerichtet wurde. Waffen, sowie Verbandszeug und Medizin wurden bereit gehalten, und öfters holten wir beim Bezirksamt neu eingetroffene Nachrichten, die immer beunruhigender lauteten. Von Schlafen war in dieser Nacht keine Rede. Die in unserem Hause beschäftigten Schwarzen bekundeten ebenfalls eine große Aufregung, den die Küstenleute sind meißtens mit den Matumbis verfeindet, und außerdem haben die Matumbis gedroht, alle Neger, die für Europäer arbeiten, abzumurksen.
Am 4. August zog Leutnant Spiegel mit 25 Mann und einem Maschinengewehr los um die etwa 8 Stunden von hier belegene Plantage Jaeschkes zu schützen; er kam aber zu spät, denn das Haus war bereits niedergebrannt und ausgeplündert. An diesem Tage kam auch nachmittags der Kreuzer Bussard ein, mit Major Johannes, Oberleutnant von Grawert und 150 Mann Schutztruppe, sowie einem Maschinengewehr. Dr. Lott machte bekannt, daß die Schutztruppe an demselben Tage noch abmarschieren würde und der Kommandant des Bussard nur 20 Mann und ein Maschenengewehr landen könne. Die 20 Mann würden das Bezirkshauptgebäude besetzen, und diejenigen, die sich bei dem Alarmblasen weigerten, auf das Bezirksamt zu kommen, könnten in ihren Häusern nicht geschützt werden. Natürlich haben wir an diesem Abend wieder die nötigen Vorbereitungen getroffen und Wache geschoben. |
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Nach heute erhaltenen Nachrichten haben sich die Matumbis beim Eintreffen der Schutztruppe in ihre Berge zurückgezogen; die Küstenleute, die sich ihnen zuerst anschlossen, scheinen sich gedrückt zu haben; doch hat man in der Stadt noch nicht das Gefühl der Ruhe, denn es treiben sich viele verdächtige Kerls hier herum. Verschiedene wurden von hiesigen Einwohnern verprügelt und eingebracht; jede Nacht kommen viele Verhaftungen vor; gestern wurde der Versuch gemacht, die Wasserleitung nach hier abzuschneiden.
Den Bischof Spieß, der mit 2 Schwestern und 2 Brüdern nach Songea marschieren wollte, ließ Dr. Lott infolge der erhaltenen Nachrichten zweimal zurückrufen.
In Mohorro wurden drei Zauberer gehängt, und auch hier wurden schon einige Krawatten angezogen.
Der Kreuzer Bussard ging am 4. d. M. nach Samanga; dort will er 20 Mann landen, die mit einem Maschinengewehr nach Mohorro gehen sollen.
Nach einer heute von Steinhagen erhaltenen Nachricht hat seine Plantage nur wenig gelitten.
Wir wollen nur hoffen, daß die Matumbis sehr klein gemacht werden, sodaß ihnen die Lust zu ferneren Rebellionen vergeht.
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