Bei K.S., dem Autor dieses Beitrags, handelt es sich mit sehr hoher Sicherheit um den Freiburger Karl Sauer, u.a. Sekretär beim Kaiserlichen Gouvernement von "Deutsch-Ostafrika" (in Lindi, Bagamoyo, Victoria-Nyanza, Bezirksverwaltung von Kondoa-Irangi, schließlich Distrikts- und Arbeiterkommissar beim Bau der Mittellandbahn)
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Freiburger Zeitung, 22.03.1904, 2. Blatt, 1. Seite
K.S. Etwas aus der Deutsch-Ostafrikanischen Kolonie.
(Schluß.)
Die großen Palmenwälder an der Nordküste von Tanga bis Bayamoya – etwa 2 Millionen Bäume – sind auch eine der dankbarsten Kulturen. Die Kokosmilch kommt in Bezug auf Verwertung gar nicht in Betracht, wogegen das Fleisch der Nuß, reich an Nährstoffen, vor allem an Fett, aber auch an eiweißartigen Körpern, dem Eingeborenen als Nahrungsmittel und dann - das ist die Haupt- und beste Verwendung – zur Koprabereitung dient. Die Faser der äußeren Umhüllung dient sowohl in unverarbeitetem Zustande, als auch gesponnen und zu Stricken, Matten u. Läufern geflochten, als Ausfuhrartikel. Das getrocknete Fleisch der Kokosnuß – die Kopra – dient zur Gewinnung von Kokosöl und dieses wird dann bei der Fabrikation von Seifen und Kerzen, sowie auch zur Herstellung von Kokosnußbutter verwendet. - In der richtigen Erkenntnis der großen Nutzbarkeit der Palme wird deren Kultur von Weißen, Farbigen, Privaten und Regierung gefördert.
Reine Eingeborenen-Kulturen, d. h. solche, die zwar beim Betrieb durch Europäer nicht rentieren, für den Welthandel jedoch sehr in Betracht kommen, sind Erdnüsse u. Sesam (Oelpflanzen) sowie Baumwolle. Erdnüsse und Sesam werden zur Bereitung von Speiseöl-Ersatz für Olivenöl, Erdnussöl ferner bei der Seifenfabrikation, Sesamöl auch bei Herstellung von Margarine verwendet.
Von ganz besonderer Wichtigkeit für die Zukunft der Kolonie und die heimatliche Textilindustrie - für letztere bei ihrer Abhängigkeit vom auswärtigen Baumwollmarkte – sind die seit einem Jahre angestellten Versuche mit amerikanischer bezw. ägyptischer Baumwolle. Die Versuche sind zunächst mit der reichsten Unterstützung durch das kolonialwirtschaftliche Komitee und heimatliche Firmen, von den Bezirksämtern der Küste Deutsch-Ostafrikas gemacht. Die hervorragenden Erfolge in Togo gaben den Ausschlag zur Einführung der Kultur auch an der Ostküste. Z. B. vom Bezirksamt Lindi nach Deutschland gesandte Proben (2000 Kilogramm) aus ägyptischer Saat – Mitafist – erfuhren von berufener Seite folgende Bewertung:
Die Vereinigung sächsischer Spinnereibesitzer, Chemnitz, beurteilt die Lindi Baumwolle u. a. wie folgt:
Die Muster 6, 15 und 16 scheinen aus brauner ägyptischer Saat gezogen zu sein, in 15 ist braun und weiß gemischt. Anscheinend ist die Baumwolle vorzüglicher Schlag, der den Charakter der braunen oberägyptischen Maco aufweist, indes schlecht behandelt worden ist. Die Baumwolle scheint nur zu spät gepflückt zu sein, so daß eine Menge braune Flocken entstanden sind, die meist auch wenig halt haben. Überhaupt ist die Baumwolle zwar lang aber etwas schwach im Haar. Dagegen sind 20, 25 und 31 ganz herrliche Baumwolle, welche jeden Spinner befriedigen muß, 20 und 25 sind noch etwas gemischt, 31 aber zeigt den Typus der schönsten, weißen ägyptischen Baumwolle in ganzer Reinheit. Wir bewerten diese Baumwolle auf 80 Mark per 50 Kilo. Sollten die vorhandenen gelbten toten Flocken noch beseitigt werden können, so wäre der Wert noch weit höher.
Die Firma R. & O. Lindemann Dresden-Alexandrien, beurteilt die Lindi-Baumwolle wie folgt:
„Die Baumwolle kann nur aus Mitafifi-Samen, allenfalls aus oberägyptischen Samen stammen, der Farbe nach aber mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem ersteren. Die Faser ist nicht so seidig, gestreckt und gleichmäßig, auch nicht so lang wie bei ägyptischer Mitafifi aus dem Delta der Fall zu sein pflegt, aber es ist sehr schöne gesunde Baumwolle von feinem, außerordentlich festen Stapel, und dabei ist die Ware sehr rein und von schöner dunkler brauner Farbe. Wir freuen uns, daß ein so günstiges Resultat erzielt wurde, und glauben daß dieser Versuch entschieden einladend ist, weitere Versuche im Großen mit ägyptischer Baumwolle in Ostafrika zu machen. Unseres Erachtens eignete sich das erzielte Produkt ebensowohl für Strumpfgarnspinnerei als auch für Feinspinnerei und sollte aus der Ware bis 60/80 englische Nummer Kettengarn wohl zu erzeugen sein; vielleicht selbst, daß man noch höher daraus spinnen könnte, was zu versuchen wäre. Ganz regelmäßig vom Stapel ist die Baumwolle allerdings noch nicht, das kann sich aber auch in dem Maße, als die Böden durch die Kultur ausgebessert und gleichmäßig gemacht werden, gewiß noch geben.“
Das Ergebnis der technischen Prüfung lautet:
„Die Sendung stammt von verschiedenen ägyptischen Saaten Die weiße Baumwolle wird als das beste Produkt, welches bisher in deutschen Kolonien gezogen wurde bezeichnet. Die Baumwolle wird auf 70 bis 80 Pfg. pro ½ Kilo bewertet.
Die Eingeborenen pflanzen ferner Mais, Matama, Tabak, welche auch zur Ausfuhr kommen, sowie Maniok und Reis. Handels-Artikel bilden Kautschuk, Wachs (von wilden Bienen), Kopal (Harzart), die den Kopallack liefert), Elfenbein, Häute und Felle.
In den Landschaften Massai, Uniamwesi und Uhehe im Inneren treiben die Eingeborenen Viehzucht. Dort, sowie in Useguha und Usarama gedeiht auch der Anbau von Weizen und Kartoffeln.
Das Hinterland von Lindi ist sicher mineralreich. Das Granatenbaufeld: Luisenfelde daselbst liefert prachtvolle Kaprubinen. Die Seengebiete sind aussichtsreich für Viehzucht und den Anbau von Kaffee, Tee, allen afrikanischen Eingeborenen-Kulturen, Weizen ec. In den verschiedenen Gebietsteilen der Kolonie wird eifrig nach Mineralien geschürft; Erfolge sind zu erwarten.
Es ist also etwas zu holen in unserer 941 100 Quadratkilometer großen ostafrikanischen Kolonie. Hand in Hand mit den aufopfernden Anstrengungen der im Lande arbeitenden Missionäre, Kaufleute, Pflanzer, Offiziere und Beamten, muß aber gesunder heimatlicher opferfähiger Unternehmungsgeist gehen. Es ist in Deutschland sehr viel Kapital, das segensreicher Verwendung in den Kolonieen harrt; es fehlt nur der Wagemut, den der Engländer hat und der England zur blühenden Kolonialmacht machen half.
Mit unserem Eingeborenenvolk kann erfolgreich kolonisiert werden; seine Erziehung hat, wenn sie auch noch lange nicht vollendet ist, große Fortschritte gemacht. Der Eingeborene erkennt die Früchte der deutschen Arbeit in seinem Lande unbedingt an. Manche Völkerstämme zeigen sich noch etwas scheu gegen die Regierung, sind aber keineswegs feindlich gesinnt, und diese wenigen werden innerhalb baldiger Zeit ebenfalls Vertrauen gefaßt haben. Der Schwarze weiß, daß unter der deutschen Herrschaft der Handel ein sicherer geworden, daß der körperlich, geistige oder wirtschaftlich Schwächere den gleichen Schutz genießt,, und es fürchtet niemand mehr außerhalb der Ortschaften oder der Häuser vom Sklavenjäger geraubt zu werden. Er sieht ein, warum er zur Arbeit angehalten wird, er hat es sich zum Bewußtsein bringen lassen, daß sein und seines Landes Wohlstand hauptsächlich abhängt vom Fleiß, von reger Arbeit und einer rationellen Ausbeutung des Bodens durch Ackerbau. Wie sich von Jahr zu Jahr die Wohlhabenheit der Bevölkerung in der Kolonie gehoben hat und hebt, beweisen die Steuereinnahmen des Gouvernements. An allgemeinen Steuern werden erhoben Häuser- bezw. Hüttensteuer, sowie die Gewerbe-Steuer. Letztere trifft den Neger kaum, sondern nur den indischen Händler. Der europäische Geschäftsmann ist durch sie auch nicht drückend belastet. Seit deren Durchführung konnte der Reichszuschuß zum Landesetat bedeutend ermäßigt werden. Die in den meisten Bezirken weit über die im Voranschlag aufgenommen voraussichtlichen Hüttensteuereinnahmen eingegangenen Barsummen geben Zeugnis von einer gesunden Steuerkraft der Bevölkerung. Dabei wird beim Einzug ohne Härten und Gewaltsanwendung vorgegangen. Die Steuern gehen auch zum größten Teile beim ersten Erhebungsversuche ohne Weigerung ein. Der schwarze Steuerzahler sieht, daß das von ihm gegebene Geld zur Verbesserung der kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bezirks verwendet wird, er merkt, wie es bei Ausführung dieser Ausgaben in Gestalt von Arbeitslöhnen, Bezahlung und Lieferungen wieder in seine Tasche zurückfließt und nicht wie in den Zeiten der Zanzibarsultanherrschaft in die Taschen des Herrschers und seiner Beamten nach dem Ausland verschwindet.
Steuerbehörde ist das Bezirksamt, welches als Steuererheber seine ihm zur Unterstützung in der Gesamtverwaltung beigegebenen schwarzen Bürgermeister, die Akidas und Jumben hat.
Die überaus große Inanspruchnahme der Aemter in den verschiedenen Rechtsangelegenheiten, ist ein Zeugnis für den Erfolg der Ausübung unserer Gerichtsbarkeit und ein Beweis des Vertrauens der Bevölkerung in dieselbe.
Ein glückliches Bindemittel zwischen Regierung und Bevölkerung sind die Schulen, Missions- u. Gouvernements-Schulen. Es sind an der ganzen Küste nunmehr von deutschen Lehrern geleitete Schulen, die - allgem. Schulzwang herrscht nicht – von den Söhnen unserer intelligentesten schwarzen Bürger besucht sind. Die Jungens zeigen großen Ernst und Fleiß bei der Arbeit und jeder Europäer freut sich über die meist verblüffende Auffassungsgabe unserer Kleinen. Sie lernen ihre Sprache – Kisuaheli – in lat. Buchstaben niederschreiben, sowie Lesen und Rechnen. Der Schriftverkehr der schwarzen Regierungsangestellten an die Behörde in arabischer Schrift konnte daher in den letzten Jahren verboten und die lateinische Schrift dafür eingeführt werden. Welch' fleißigen Gebrauch die ehemaligen Schüler, welche als Schreiber bei der Post- und Verwaltungsbehörde, den schwarzen Bürgermeistern und als Angestellte bei Firmen fungieren, von ihren erworbenen Kenntnissen machen, zeigen die täglich in großer Zahl einlaufenden Briefe. Wie durchgeführt die Verwaltung in Deutsch-Ostafrika ist – ohne bureaukratisch zu sein - ist hieraus ersichtlich. Es lässt sich mit den Leuten auch ausgezeichnet arbeiten. Unsere Kaufleute, Beamten und Offiziere arbeiten daher, abgesehen von der interessanten Arbeitsmaterie, mit einer Arbeitsfreudigkeit, die kleine und größere Unannehmlichkeiten in den Tropen gern vergessen lässt.
Wir können hoffen, daß uns unsere Kolonieen auch noch Freude machen werden. Lehrgeld hat jedes Kolonial-Volk zahlen müssen; dafür erhalten wir aber auch tüchtige Meister. Auch das letzte Unglück in Südwestafrika darf und nicht abhalten zu vertrauen und zu hoffen auf gute Zeiten.
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Zum ersten Teil des Beitrags: Karl Sauer über Bahnlinien, Kaffeeanbau und die allg. Lage, Freiburger Zeitung, 20.03.1904, Artikel
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