Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.deForderung im Reichstag nach Truppenverstärkung „zur Bewältigung des Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika“, Berichte Herero-Aufstand von Offizier Voigts und der für Tod gehaltenen Farmerin Wiese |
Freiburger Zeitung, 16.03.1904, 1. Blatt, 1. Seite Deutscher Reichstag. Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg | nach oben Freiburger Zeitung, 16.03.1904, 2. Blatt, 1. Seite Bilder aus dem Herero-Aufstand. Einen ebenfalls interessanten Brief aus dem Aufstandsgebiete in Deutsch-Südwestafrika hat die Ehefrau Wiese, Gattin des Besitzers der von den Aufständischen zerstörten Farm Springbocksklee (bei Seeis), an ihre Mutter in Hamburg gerichtet. Frau Wiese hatte bereits unterm 28. Dezember ihren Verwandten mitgeteilt, daß sie in Okatombo mit ihrem Manne und ihrem Kinde auf einem hohen Berge säße. Zehn Eingeborene, ihre eigenen Leute, befänden sich bei ihnen; diesen sei aber nicht zu trauen, da bereits im Süden der Aufruhr bei den Bondelzwarts ausgebrochen sei. Der jetzige, vom 6. Februar datierte Brief der Frau Wiese, die wochenlang mit ihrem Kinde für ermordet gehalten wurde, sich nun aber in Rehoboth in Sicherheit befindet, lautet nach Bericht der Voss. Ztg. folgendermaßen: „Der 18. Februar war der Tag, den ich in meinem Leben nicht vergessen werde, besonders die Nacht war die schreckensvollste, die ich je erlebt habe. Die Unruhen im Süden bestanden ja schon längere Zeit, sodaß sämtliche Soldaten und Reservisten hinuntergezogen sind. Dieses haben die Herero wahrgenommen und am 12. Januar begannen sie ihre grauenvolle Mörderei. Also – am Nachmittag des 13. Januar saß ich ahnungslos an meiner Handarbeit, als Gerd (der Gatte) von Kietmanns kam, weiß, wie der Kalk an der Wand. Auf meine Frage sagte er mir, ich sollte in den Store gehen und den Kaffern Waren verkaufen. Ich ging nun in den Store. Anfangs traf ich dort 10 Kaffern, aber in kurzer Zeit waren es über 100, die links und rechts die Waren nahmen. Ich wußte noch nicht, was das zu bedeuten hatte und jagte die Kaffern fort, schloß den Store und ging ins Wohnhaus. Mein Mann war mit Gewehr und Patronen fortgeeilt, um Hilfe zu holen. Das war um 6 Uhr. Um 7 Uhr steckten die Herero den total ausgeplünderten Store in Brand. Um 8 Uhr schlugen sie meine Tür ein, raubten erst das Wohnzimmer aus und kamen dann zu mir ins Schlafzimmer. Ich saß bei dem schlafenden Peter (dem Sohn) auf dem Bette. Gewehr und Patronen hatte ich nicht, also war ich der wilden Horde gänzlich preisgegeben und mußte ruhig abwarten, was die Halunken mit mir und dem Kinde machen würden. Nachdem die Herero alles, was dastand, genommen hatten, packten sie den Jungen an. Da wurde ich aber giftig. Ich schlug um mich, so gut ich konnte. Bald wurde ich aber überwältigt. Drei Herero-Weiber packten mich, hielten mich fest und schlugen mit mehreren Männern zusammen auf mich ein. Inzwischen wurde draußen Rat gehalten. Nun wickelte ich den Jungen in eine Decke und setzte mich aufs Bett. Nicht lange, da kam ein alter Bergdamara-Mann und flehte mich auf den Knien an, ich sollte doch flüchten, denn die Kaffern hätten beschlossen, mich und das Kind zu töten. Ich blieb trotzdem, denn flüchten hätte keinen Zweck gehabt; hunderte von Kaffern standen draußen herum. Wenige Minuten später steckten sie mir das Haus über dem Kopf in Brand. Ich nahm mein Kind auf den Schoß und blieb ruhig sitzen, sterben müssten wir ja doch, dachte ich, und der Flammentod ist doch besser als ermordet zu werden. In der letzten Minute, als schon alles voll Rauch war, kam wieder der alte Mann, nahm mich bei der Hand und führte mich ins feie Feld. Sobald ich Luft atmete, wurde mein Kopf wieder klar; der Junge schlief fest auf meinem Arm und hat von der ganzen Sache nichts bemerkt. Es war stockdunkle Nacht, ich flüchtete weiter ins Feld, brach aber bald zusammen, denn den schweren Jungen zu tragen ist nicht leicht, auch hatte ich mir die Hände blutig geschlagen und hatte ein paar Keulenschläge an den Kopf bekommen. Als ich wieder zu mir kam, sah ich Feuer bei den Hottentottenwerften, ich ging darauf zu und traf Barsap, einen treuen Hottentotten, der schon seit 10 Jahren bei uns arbeitet. Der brachte mich dann mit dem Jungen nach Lofft Rietmann (einer Bastardfamilie). Am anderen Morgen wurden wir in die Gefangenschaft abgeführt. Nach vierzehn Tagen gelang es uns, aus der Gefangenschaft zu entfliehen. Ich blieb bei den Rietmanns und zog mit ihnen hierher nach Rehoboth. Ich habe nichts als den Jungen und das nackte Leben gerettet. Es ist jetzt bereits ein Monat vergangen seit jener Schreckensnacht, und erst heute bekam ich das erste Lebenszeichen von meinem Manne, der auf Seeis (fünf Stunden entfernt) sein soll. Ich gelte allgemein für tot, auch mein Mann weiß nicht, daß ich noch am Leben bin. Montag werde ich nach Windhuk fahren. Die Kaffern sind alle nach der Grenze geflüchtet. Mit dem nächsten Brief werde ich dir schreiben, wie viele Frauen und Männer ermordet sind, es sind viele Bekannte darunter.“ Zur Übersicht März 1904 der Pressedoku | Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg | nach oben |