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Freiburger
Zeitung, No. 140, Mittwoch, 20.06.1900, Tagesausgabe, Seite 1
Der Kampf
mit China!
Der deutsche Konsul in Tschisu telegraphirt: Die Forts von
Taku sind am 17. Juni Nachts sieben Stunden lang von Deutschen, Russen,
Engländern, Franzosen und Japanern beschossen worden, nachdem die Chinesen
das Ultimatum mit Feuer beantwortet hatten. Zwei englische Schiffe sanken.
Schon seit Jahren, schon lange vor dem japanisch-chinesischen Kriege,
wurde der äußerste Osten Asiens als eine politische Wetterecke betrachtet,
wo sich leicht ein auch auf Europa übergreifender Wirbelsturm erheben
könnte. Man dachte sich der Gang der Dinge aber ein wenig anders, als
er sich nun entwickelt hat. Man glaubte, daß sich einmal ein paar Großmächte,
von denen hauptsächlich Rußland und England in Frage kamen, bei der
redlichen Theilung des chinesischen Reiches gegenseitig in die Haare
kriegen und so einen Streit hervorrufen würden, dem auch die übrigen
Großmächte nicht gleichgültig zusehen könnten. Daß sämmtliche Großmächte
gezwungen sein würden, vereint sich gegen den „gelben Mann“ zu wehren,
der Gedanke ist wohl nur Wenigen gekommen. Einer dieser wenigen ist
unser Kaiser Wilhelm gewesen. Im Jahre 1895 wurde viel über ein Bild
gesprochen, daß der Kasseler Maler Knackfuß nach der vom Kaiser selbst
entworfenen Skizze gezeichnet hat. Auf dem Bilde sehen wir links malerisch
gruppiert die europäischen Staaten, in Idealgestalten dargestellt, in
voller kriegerischer Rüstung, voran mit Schwert und Schild St. Michel.
Der Feind, den sie abwehren, naht von rechts her. Dort im Hintergrund
lodern Städte und Dörfer in heller Gluth, und auf den Rauchwolken kommt
Buddha, der Gott der gelben Rasse, auf dem Drachen, dem chinesischen
Wappenthier, drohend herangezogen. Und unter dies Bild hat der Kaiser
eigenhändig die mahnende Unterschrift gesetzt: „Völker Europas, wahrt
Eure heiligsten Güter.“
Schon einmal erzitterte (schreibt das Berliner Blatt) der Boden Europas
unter den Hufen gelber Reiterscharen aus dem fernen Asien, Tod und Verderben
bringend, bis es im Jahre 451 mit Aufbietung aller Kräfte gelang, ihre
Macht auf den Katalanischen Feldern im jetzigen Frankreich zu zersplittern.
Es waren die Hunnen, die nach den neuesten Forschungen gleichbedeutend
sind mit den Hiung-nu der chinesischen Schriftsteller, und die ursprünglich
am Gelben Fluß wohnten, dort, wo gerade jetzt ein allgemeiner Aufruhr
der gelben gegen die weiße Rasse ausgebrochen ist. Von Osten her nahm
die ganze große Völkerwanderung ihren Anfang, und der Zug nach dem Westen
hat, wenn er jetzt auch friedliche Formen angenommen hat, niemals aufgehört.
Kaiser Wilhelm hatte darum ganz recht, auf die stetig drohende Gefahr
aufmerksam zu machen. China besitzt eine ungeheure Einwohnerzahl, die
man auf 430 Millionen Menschen schätzt. Wenn diese gewaltige Volksmasse
aus ihrem Jahrtausende langen Traum aufwacht und, den westlichen Kulturstaaten
ebenbürtig gerüstet und organisiert, sich ihrer Machtfülle bewußt würde,
so wären, bei dem hinterlistigen und grausamen ostasiatischen Charakter,
die Folgen für die gesammte westliche Kulturwelt gar nicht abzusehen.
So viel ist jetzt klar, daß es sich bei dem sogenannten „Boxeraufstand“
nicht um die Auflehnung gegen die chinesische Regierung handelt, wie
man dort anfangs glauben machen wollte, sondern um eine von der Kaiserin-Witwe
selbst geschürte und von chinesischen Soldaten unterstützte allgemeine
Erhebung gegen die „Fremden“, die sich bei den Chinesen durch mancherlei
Dinge recht verhaßt gemacht haben. Die gelbe Rasse steht seit Jahrtausenden
auf dem gleichen Kulturstandpunkt und wehrt sich gegen Alles, was das
Volk auf eine höhere Kulturstufe bringen könnte. Die Chinesen sind völlig
verlottert, so daß es eine Kulturpflicht des Abendlandes ist, ihnen
auch gegen ihren Willen die Segnungen der christlichen Zivilisation
zu bringen. Es kommen dabei natürlich auch eigene Interessen der Großmächte
in Frage. China birgt ungeheure Schätze, die bei der geistigen Trägheit
der Zopfmänner ungehoben bleiben und so der Menschheit verloren gehen.
Es ist daher ganz natürlich, daß die Kulturmächte alle Kräfte daran
setzen, um den europäischen Einfluß immer weiter in das chinesische
Reich hineinzutragen. Auch Deutschland gehört durch seine Besitzungen
in der chinesischen Provinz Schantung und überhaupt durch seinen bedeutend
entwickelten Handel nach China zu denjenigen Staaten, welche bei den
jetzigen Wirren ein Wort mitzureden haben. Glücklicherweise besitzt
es jetzt eine Truppenmacht an Ort und Stelle, welche achtunggebietend
zu wirken geeignet ist. Hoffentlich läßt sich die Reichsregierung nicht
wieder von England ins Schlepptau nehmen, das unser gehässigster Konkurrent
auf handelspolitischem Gebiet ist und bleiben wird.
Nach alle dem ist es nur zu wünschen, daß der Aufruhr in China bald
unterdrückt wird, und das wird geschehen, wenn die Mächte diesmal dauernd
einig vorgehen, wie sie gemeinschaftlich auf den ersten chinesischen
Schuz antworteten, - denn zu andauerndem und erfolgreichem Widerstande
der Chinesen fehlen die Vorbedingungen, die moralische Kraft und eine
kriegstüchtige Bewaffnung. China ist reif für die Auftheilung unter
den Kulturvölkern.
Berlin, 18. Juni. Von dem kaiserlichen Konsul in Tschifu
ging heute Morgen nachstehendes Telegramm ein: „Ein japanisches
Kanonenboot meldet, die Gesandtschaften in Peking seien genommen worden.“
Konsul in Tschifu ist Dr. Lenz, ein aus der Dolmetscherlaufbahn hervorgegangener
erfahrener Beamter. Man wird sich darauf verlassen dürfen, daß er die
ihm zugehenden Nachrichten sorgfältig prüft und nur dann nach Berlin
meldet, wenn sie ihm wirklich Beachtung zu verdienen scheinen. Die Möglichkeit,
daß die gestern von der Agentur Lassan und der Agence Nationale gemeldeten
Vorgänge – Zerstörung der europäischen Gesandtschaften in Peking und
Ermordung des deutschen Gesandten – traurige Wahrheit sein könnten,
wächst durch das obige Telegramm unverkennbar. Ob selbst ihre Wahrscheinlichkeit
vorliegt, darüber läßt sich bei dem Mangel direkter neuer Nachrichten
aus Peking schwer etwas Bestimmtes sagen.
Wolffs Telegraphenbureau meldet: Nach einem heute Morgen aus Shanghai
eingelaufenen Telegramm ist seit drei Tagen die telegraphische Verbindung
Peking-Tientsin und Tsintau-Shanghai unterbrochen. Ueber die Vorgänge
in Peking fehlt noch jede zuverlässige Nachricht.
Die Nordd. Allg. Ztg. Berichtet: Als am 18. früh die Drahtnachricht
aus Tschifu eintraf, ein japanisches Torpedoboot melde, die
Gesandtschaften in Peking seien genommen, wurden sofort die
kaiserlichen Vertreter in London, Taku, Petersburg und Shanghai
telegraphisch angewiesen, sich aufs Schnellste zu erkundigen. Aus
einer heute in Berlin eingetroffenen Meldung des Konsultats in Hongkong,
das schon gestern zur Einziehung von Ermittelungen beauftragt war, geht
hervor, daß dort keine ähnlichen Nachrichten vorliegen.
Die Antworten der oben erwähnten kaiserlichen Vertretungen stehen noch
aus und werden sofort nach Eintreffen bekannt gegeben werden. Man kann
also mit Genugthuung feststellen, daß das Auswärtige Amt alles aufgeboten
hat, um schnelle und sichere Nachrichten zu erhalten.
(Vergl. Neuestes.)
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Freiburger Zeitung, No. 140, Mittwoch,
20.06.1900, Tagesausgabe, Seite 3
Neuestes und Telegramme.
Die Kämpfe in China.
London, 18. Juni. Der Berichterstatter der Morning
Post in Peking telegraphirt vom 13. Juni: Der deutsche Gesandte ist
gefangen. Ein Haufe [?] Boxer hält die Gesandtschaftsstraße besetzt und schneidet
die Verbindung zwischen den Gebäuden ab. Die amerikanischen Ingenieure
in den zwei Nachbarprovinzen erhielten den Rath, abzureisen. Mehrere
sind außer Stande dazu. Diese Depesche ging am 15. Juni über Tientsin.
Eine Pekinger Meldung der Times vom 14. Juni erwähnt unter anderem auch,
die vom ausländischen Personal der […-]zollamtes bewohnten Gebäude seien
verbrannt worden. – Nach einem Gerücht ist einer der Gesandten (der
deutsche?) von den Chinesen in Stücke zerhauen worden.
Taku gestürmt!
Tschifu, 19. Juni. Nach dem bereits gemeldeten gemeinschaftlichen Angriff
der fremden Kriegsschiffe wurden die Forts von Taku genommen. Bei der
Erstürmung fielen von dem deutschen Kriegsschiffe Iltis drei Mann, 7
wurden verwundet. Die Fremdenniederlassungen in Tientsin wurden von
den Chinesen beschossen. Von dem nach Peking entsandten deutschen Detachement
und der dortigen Gesandtschaft liegen noch keine Meldungen vor.
Die Gesamtstärke der deutschen ostasiatischen Streitkräfte
ist nach den neuesten Anordnungen folgende: Die fünf zum Kreuzergeschwader
gehörenden Schiffe Hansa, Hertha, Kaiserin Augusta, Gefion und Irene
haben 2030 Mann an Bord; die beiden Kanonenboote Iltis und Jaguar zählen
an Besatzung 242 Mann; Kanonenboot Tiger hat die Fahrt von Kiel nach
Ostasien gestern angetreten. Die Kiautschoubesatzung in Tsingtau und
den verschiedenen Lagern kann mit der Chinesen-Kompagnie auf etwa 2000
Mann angegeben werden, und der Ablösungstransport setzt sich aus weiteren
1200 Mann zusammen. Im Ganzen unterstehen mithin dem Chef des Kreuzergeschwaders,
Vize-Admiral Vendemann, und dem Gouverneur in Tsingtau, Kapitän zur
See Jaeschke, gegenwärtig etwa 5500 Mann, die sich auf die einzelnen
Schiffe, die Landungs-Detachements und die Besatzungstruppen der Kolonien
vertheilen.
> London, 19. Juni. Reuters Bureau meldet aus Tschifu:
In Folge der Beschießung flog ein Pulvermagazin in die Luft. Das britische
Kriegsschiff Algerine ist beschädigt, 2 Offiziere und 4 Mann verwundet.
+ Paris, 19. Juni. In Marinekreisen verlautet: zwei
weitere französische Kriegsschiffe gingen nach China.
× Washington, | 19. Juni. Ein Regiment in Manila hat
den Befehl erhalten, sofort nach China zu gehen.
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