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Peking: Tsung-li-Yamen lässt Ultimatum unbeantwortet, Gerüchte über die Zerstörung der Gesandtschaften und die Ermordung des deutschen Gesandten Freiherr von Ketteler

Freiburger Zeitung, No.139, Dienstag, 19.06.1900, Tagesausgabe, Seite 1

Zur Lage in China
wird gemeldet aus London, 16. Juni. Nach einer Meldung des Daily Expreß aus Shanghai erließen die Gesandten am Montag ein Ultimatum an das Tsung-li-Yamen, das unter Androhung des gewaltsamen Eindringens der Truppen die Oeffnung der Thore verlangte, aber unbeantwortet blieb. Eine weitere Botschaft in gleichem Sinne hatte ein ähnliches Schicksal. Seitdem stocken die Nachrichten. Der Berichterstatter des Expreß will von 1500 Mann russischer Truppen wissen, die mit sechs Positionsgeschützen unabhängig von den vereinigten Entsatztruppen von Port Arthur vor Peking eingetroffen seien. – Aus Tientsin 16. Juni, meldet Wolffs Telegraphenbureau: Die hiesigen Fremdenniederlassungen sind ausreichend geschützt; in der Chinesenstadt traten aber Boxerbanden auf. Die drei Kapellen sind niedergebrannt. Unter der eingeborenen Bevölkerung ist Schrecken verbreitet. Zwischen hier und Longfeng wurden zwei Eisenbahnbrücken von den Boxern unfahrbar gemacht. Eine Abtheilung ist zur Wiederherstellung dieser Brücken bereits abgegangen. Die Zerstörung der Eisenbahn über Longfeng unterbrach den Vormarsch der Entsatztruppen. Inzwischen ist eine deutsche Abtheilung auf dem Landwege nach Peking weiter marschiert. – Aus Shanghai, 16. Juni, meldet Daily Expreß, Peking werde von 100000 Mann kaiserlicher Truppen vertheidigt. Die Thore seien geschlossen, auch mit modernen Kanonen besetzt.
Ein sensationelles Telegramm bringt schließlich das Londoner Bureau Lassan. Es meldet aus Hongkong vom Samstag 4.30 Nachmittags: Ein Telegramm aus [Fortsetzung nächste Seite]


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Freiburger Zeitung, No.139, Dienstag, 19.06.1900, Tagesausgabe, Seite 2

[Fortsetzung von voriger Seite] Tientsin theilt mit, daß alle Gesandtschaften in Peking zerstört sind und der deutsche Gesandte Freiherr von Ketteler ermordet ist. Das Kriegsschiff […] mit [...] Füsilierern segelte heute Morgen, das Kriegsschiff Undannted sofort nach Empfang der Nachricht ab. – Englische Nachrichten aus China bedürfen bekanntlich sehr der Bestätigung. Uerberdies liegt, wie Wolffs Bureau mittheilt, an unterrichteter Stelle in Berlin […] Bestätigung des Inhalts dieser sensationellen Depesche vor. Der Vertreter des Bureau Lassan sei bis jetzt der alleinige Gewährsmann. Aus Petersburg wird dazu telegraphiert: Die hiesige Regierung hat keinerlei Bestätigung der angeblichen Nachricht von der Zerstörung der Gesandtschaften und der Ermordung des deutschen Gesandten in Peking. Auch aus Washington wird gemeldet: Da keine Bestätigung der Sensationsmeldung vorliegt, und da vom Gesandten Conger, den amerikanischen Konsuln in Nordchina und dem Admiral Kempff keine dahingehenden Nachrichten vorliegen, so misst man der Lassan Meldung keine Glaubwürdigkeit bei. Der Umstand, daß man von Kempff seit gestern nichts weiß, giebt indeß doch zu ernsten Befürchtungen Anlaß, und wenn nicht die telegraphische Verbindung mit Kempff bald wieder vorhanden ist, soll ein schnelles Schiff von Manial nach Taku [?] abgehen, um Nachrichten über die Lage zu holen. Staatsvertreter Hag und Kriegssekretät Root hatten am 16. d. M. mit […] eine Besprechung über die Frage der Entsendung von Truppen. Man beschloß, daß, falls die Verbindung mit Kempff nicht alsbald wiederhergestellt wird, Truppen von Manila zur Verstärkung des amerikanischen Kontingents abgesandt werden sollen.


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Freiburger Zeitung, No.139, Dienstag, 19.06.1900, Tagesausgabe, Seite 3

Neuestes und Telegramme.
Der Aufruhr in China.

>Dublin, 17. Juni. Das Wolffsche Telegr.-Bureau […]: Nach einer in Folge amerikanischer Aufträge vom kaiserlichen Konsul in Tientsin vom 17. […] Vormittags ausgestellten Depesche ist dort nach den […] gestern eingetroffenen Dampfernachrichten von der Zerstörung der Gesandtschaften und der Ermordung des deutschen Gesandten nichts bekannt.
+ London, 17. Juni. Das Reutersche Bureau meldet aus Shanghai: Nach Mittheilungen aus den Kreisen der Ausländer sollen 10 000 chinesische Soldaten, welche vor Peking standen, die Fahne verlassen und sich den Boxern angeschlossen haben. Die chinesischen Banken in Tschinkiang schlossen gestern aus Furcht vor den Boxern ihre Bureaus.
London, 17. Juni. Das Reutersche Bureau ist zu der Mittheilung ermächtigt, daß Japan im Begriffe stehe, 1000 Mann nach Taku zu senden.
× London, 18. Juni. Daily Mail meldet, Japan beschloß, 3000 Mann nach China zu senden.
Die Times meldet aus Tientsin vom 14. Juni: In der Nacht kam es zu ernsten Ausschreitungen gegen die Fremden: Hunderte von chinesichen Christen, die bei Ausländern dienten, wurden ermordet. Die Ausländer sammelten sich unter dem Schutze der fremden Wachmannschaften.


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