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Angriff der Boxer auf die Eisenbahnlinien; Regierungstruppen flüchten vor Boxern; weitere ausländische Truppen treffen in Tientsin ein, Angst vor einem Angriff von 1500 Boxern auf Tientsin, Förderer der Boxer in der cinesischen Regierung

Freiburger Zeitung, No. 131, Freitag, 08.06.1900, Tagesausgabe, Seite 1

Der Boxer-Aufstand in China
zieht weitere Kreise. Nach einer Meldung der Central News aus Shangai veröffentlicht der Shangai Mercury folgendes Telegramm aus Tientsin: Die Spannung wächst. Die Station Wang-Chang ist verbrannt und die Peking Eisenbahn zerstört. Ein von Tientsin drei englische Meilen entferntes Dorf ist von den Boxern angegriffen und verbrannt, zwei belgische Ingenieure sind ermordet worden. Gestern Abend drohte ein Angriff auf Tientsin, doch war jede Vorkehrung zum Schutze der Ausländer getroffen. Man hat in Tientsin die Nachricht erhalten, daß die Missionare in Pastingsu in Sicherheit sind. Die chinesischen Beamten verhalten sich ganz gleichgiltig. Wie das Burau Dalziel aus Shanghai mittheilt, erklärt die China Gazette auf Grund höchster Autorität, die Kaiserin-Witwe habe der Regierung befohlen, lieber Europa zu trotzen, als gegen die „Boxer-Bewegung“ vorzugehen. Verhaftungen sind bis jetzt nicht vorgenommen worden. - Reuters Korrespondent in Tientsin meldet vom 5.: „Ich besuchte Huangtsu in Begleitung von Eisenbahningenieuren. Wir fanden die Stadt niedergebrannt. Auch, ist der Versuch gemacht worden, 2 Brücken zu zerstören. Der Befehlshaber der chinesischen Truppen, welche die Bahn bewachen, meldet, 200 Mann seien davongelaufen und hätten die anderen 50 Mann im Stich gelassen. Letztere hätten gut gefochten und mehrere Boxer getödtet. Die Soldaten, welche weggelaufen waren, sollen in dem durchbrochenen Gelände abgeschnitten sein. Die Verluste sollen 60 Mann betragen. (Die Depesche sagt nicht, auf welcher Seite.) Wir bargen 2 Leichen, welche entsetzliche Verletzungen hatten. Wir sahen Banden von Boxern durch das Land streifen; dieselben griffen jedoch Eisenbahnzüge nicht an. Alle chinesischen Bahnbediensteten verlassen ihre Posten; obwohl Truppen zu ihrem Schutze abgesandt wurden, so hat sich diese Maßregel doch als nutzlos erwiesen. Auch die zum Schutze von Fengtai beordneten Truppen von 250 Mann sind gestern geflohen, als sie die Nachricht von den Vorgängen bei Huangtsu erhielten. - Aus Berlin, 6. Juni, meldet die Frkf. Ztg.: Aus Anlaß der neueren Meldungen aus China sind die Chefs der Geschwader mit Vollmachten versehen, die ihnen umfassende Befugnisse zum Eingreifen geben. Es ist möglich, daß auch ein Oberbefehlshaber für die verschiedenen dort anwesenden Schiffe der Mächte ernannt wird. - Washington, 6. Juni. (Reutermeldung.) Admiral Kempf telegraphiert aus Taku: Ein Gefecht hat begonnen. Ich landete noch 50 Matrosen und ein Bataillon Seesoldaten. - Shanghai, 6. Juni. Die Daily Mail meldet von hier: 2000 Kosaken erhielten Befehl nach Peking zu gehen.


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Freiburger Zeitung, No. 131, Freitag, 08.06.1900, Tagesausgabe, Seite 3

Der Kampf der Boxers.
Tientsin, 6. Juni. Das Bureau Reuter meldet: Die Eisenbahnverbindung war gestern unterbrochen, weil die Brücken zerstört waren. Gestern sind 13 englische Seesoldaten mit einem Marinegeschütz, 50 Amerikaner und 74 Japanesen von Taku hier eingetroffen.
Tientsin, 6. Juni. Gestern ist von Kosakenpatroullen nach Tientsin die Meldung gebracht worden, daß 1500 Boxer sich anschicken, auf Tientsin zu marschieren, von dem sie noch 40 Kilometer entfernt sind. Da die deutsche Kolonie einen schon in der Nacht möglichen Angriff besorgte, wurden auf ihre Bitten zwei Offiziere und vierzig Mann vom Iltis zum Schutze der Kolonie ausgeschifft. Alle Nachrichten aus dem Innern stimmen darin überein, daß die Bewegung der Boxer sich nicht gegen die eine oder andere europäische Nation, sondern gegen alle Europäer überhaupt richtet, auf deren gänzliche Vertreibung es die mit den europäischen Machtverhältnissen gänzlich unbekannten Leiter der Bewegung abgesehen haben. Nach einer Pekinger Meldung der Times wären die neuerlichen Ermordungen von Europäern unzweifelhaft auf die Mitschuld des chinesischen Kabinets bei den Boxerwirren zurückzuführen. Ein am 8. Juni ergangener Geheimbefehl habe den Soldaten untersagt, auf die Boxer zu feuern. Die in Huangtsan gefallenen Soldaten hatten keinen Widerstand geleistet. Sie wurden nur getödtet, weil sie die Bahn bewachten. Unter den Hauptfördereren der Boxer sind Prinz Tuan, der Vater und Hfutung, der Gouverneur des Thronerben, sowie Tsungfurhsiang, Befehlshaber der Kanfusoldaten, Horden, die seit langem die Sicherheit der Europäer in Tschili bedrohen.


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