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Eine deutsche Zeitung in Kiau-Tschou - Nr. 1 der Deutsch-Asiatischen Warte

Freiburger Zeitung Nr. 6 vom 08.01.1899, Tagesausgabe, 1. Seite

Aus aller Welt

Eine deutsche Zeitung in Kiau-Tschou. Nr. 1 der Deutsch-Asiatischen Warte, Amtlichen Anzeigers des Kiau-Tschou-Gebietes, ist soeben auf unsern Redaktionstisch gelangt. Das interessante Blatt trägt das Datum: Tsintau, 21. November 1898 und ist von Picker und Pickardt in Tsintau gedruckt und verlegt. Die Zeitung macht, was Ausstattung, Druck und Illustrationen betrifft, vorläufig einen noch primitiven Eindruck. Aber, welche Schwierigkeiten waren auch zu überwinden! Was der technische Betrieb an Maschinen und Materialien verlangt, mußte weither aus China, Japan und Deutschland herbeigeschafft werden. In Ermangelung europäischer Arbeiter galt es, aus Schanghai und dem Innern der Provinz Schantung chinesische Setzer und Drucker zu gewinnen, und selbst aus dem Seebataillon mußten mit freundlicher Genehmigung der Vorgesetzten mehrere brave Jünger der schwarzen Zunft beispringen, um die Fertigstellung der Zeitung zu ermöglichen, die dem deutschen Leser manchen interessanten Einblick in die Lebensverhältnisse unserer jüngsten Kolonie gewährt. Aus dem Anzeigentheil ersehen wir, daß es schon sehr zivilisirt zugeht drüben in Kiau-Tschou. Da existirt neben dem den Gebr. Krippendorf gehörigen Hotel Aegir, das stets disponible Fremdenzimmer empfiehlt, das Hotel zum Bairischen Haus der Gebr. Heimann aus München. Jeden Sonn- und Feiertag findet hier Concert der Hauskapelle und Aufführung von komischen Szenen, Duetten, Solis ec. statt. Warme und kalte Speisen gibts zu jeder Tageszeit; Spezialität: Bairische Leberknödl! Auch im Restaurant und Wintergarten Aegir wird sonntäglich großes Streichconcert abgehalten, ausgeführt von der Kapelle des Kaiserlichen 3. Seebataillons. Prima dunkles Kulmbacher trinkt man im Restaurant Trendel, und die Eröffnung einer Weinstube wird von De Souza angekündigt! Damit das Bild einer modernen Zeitung vollständig ist, fehlen auch zwei Heiratsgesuche nicht. Der textliche Theil enthält des Lesenswerthen manches. Ueber die Einweihung des Diederichsteines wird ausführlich berichtet, die Lage in Peking besprochen. Ein Artikel über schwere Mißhandlungen durch Eingeborene, ein kurzer Lebensabriß des Admirals von Diederichs, Nachrichten provinzieller und lokaler Natur vervollständigen den Inhalt des Blattes, das auch zwei amtliche Verordnungen des Gouverneurs Rosendahl über Landerwerb und Erhebung von Steuern und Abgaben in dem deutschen Kiau-Tschou-Gebiet publizirt. Damit auch dem Bedürfnis der Frauenwelt Genüge gethan werde, wird für die nächste Nummer der Beginn eines höchst spannenden Romans Die Jagd nach dem Glück angekündigt. Der Bezugspreis des Blattes beträgt vierteljährlich 5 Mk. für Deutschland, bei Zusendung durch Kreuzband direkt von der Expedition 60 Pf. mehr. Wer das Blatt, gleich von der ersten Nummer ab bis Ende März beziehen will, bestellt es am besten unter Einsendung von 7 Mk. bei dem Potsdamer Bureau, Viktoriastraße 63. Wir wünschen der Kollegin in Tsintau alles Glück und eine recht große Zahl von Abonnenten. Denn mit Recht meint sie ja selvst in ihrem ersten Leitartikel:

Singt die Nacht´gall noch so schön,
Ohne Regenwürmere kann sie nicht bestehn.


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