DokumentationThronrede in England zum Sudan, zu Ägypten und anderen Kolonialreichen; Congo-Konferenz in Berlin |
Freiburger Zeitung, 25.10.1884, 1. Blatt 1. Seite Das englische Parlament wurde gestern mit einer Thronrede eröffnet. Ein Telegramm des „W.T.B.“ gibt folgenden Auszug aus der Thronrede: Die Beziehungen zu den auswärtigen Regierungen seien die freundschaftlichsten. Die Nachrichten aus dem Sudan ließen zwar einigen peinlichen Ungewissheiten Raum, doch verdiene die Energie und der Muth Gordon’s bei der Vertheidigung Khartums die wärmste Anerkennung. Der Vormarsch der englischen Truppen nach Dongola bezwecke, Gordon und diejenigen, welche ihm treue Unterstützung geleistet haben, zu befreien. Die Thronrede sagt dann weiter: „In Egypten habe ich alle Mühe aufgewandt, um eine Besserung der dortigen Lage herbeizuführen; ich habe die egyptische Regierung in der schwierigen finanziellen Lage, welche durch den Mißerfolg der Londoner Conferenz hervorgerufen wurde, unterstützt. Zusammen mit der Kap-Regierung bin ich beschäftigt, Mittel zu erwägen, welche nothwendig sind, der Convention mit dem Transvaallande die erforderliche Achtung zu sichern. Die Operationen im Sudan werden einen neuen Credit nothwendig machen.“ Englische Blätter veröffentlichen den Wortlaut einer Rede, die Charles Dilke am 15. d. M. vor einer liberalen Versammlung in Manchester gehalten hat. Ueber die Beziehungen Englands zu Deutschland und Frankreich äußerte sich der Redner in folgendem Sinne: „Ungeachtet thörichter Zeitungsartikel werde England nicht zu Feindseligkeiten weder gegen Deutschland noch gegen Frankreich getrieben werden. Es sei Raum genug für Alle in der Welt. Frankreich, welches sich einst mit Spanien in die Welt getheilt und welches seinen Antheil an England verloren habe, versuche, wahrscheinlich mit größeren Kosten als die Sache werth sei, Kolonieen an Stelle der verlorenen wieder zu gewinnen. Auch von deutschen Kolonien habe England nichts zu fürchten. Frankreich habe jetzt bezüglich aller Kolinieen, die es etwa in Zukunft am Congo gründen möge, seine Zustimmung zu genau denselben politischen Grundsätzen ertheilt, die England schon versucht hätte festzustellen. Es habe der absoluten Freiheit des Handels auf dem Congo und auch der Errichtung einer internationalen Commission zugestimmt, in welcher die verschiedenen Mächte im Interesse Aller vertreten sein würden. England könne gegen derartige Vorkehrungen nichts einzuwenden haben, die England thatsächlich selbst ursprünglich in Anregung gebracht hätte. England könne auch daran nichts aussetzen, daß Deutschland, wenn es wünsche, Kolonieen besitze. Handels-Niederlassungen jedoch an den heißen Küsten von Afrika oder auf tropischen Inseln der Südsee könnten niemals mit Töchterländern, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit Kolonien wie Canada, Neu-Seeland oder wie die sechs großen Schwesterkolonieen von Australien und das dazu gehörige Tasmanien rivalisiren. Das britische Reich habe Eigenthümlichkeiten, die nicht nachgeahmt werden könnten. Englisches Blut und englische Sprache würden die herrschende Stellung in der Welt behalten. Englands Lage und der Charakter des englischen Volkes bewirkten, daß es die stärkste Macht der Welt sei. England könne vielleicht einmal an Macht überholt werden, aber in diesem Falle würde es nur durch seine eigenen Kinder, die seine Sprache sprächen, geschehen. *** Die Vereinigten Staaten Nordamerikas, die sich an frühern europäischen Berathungen nicht betheiligten, haben die Einladung zur Congoconferenz grundsätzlich angenommen. Eine schriftliche Antwort auf die Einladung konnte, da letztere erst Mitte October ergangen ist, noch nicht eintreffen. Den Ausschlag in Washington wird nach einer Correspondenz der „Köln Ztg.“ der Umstand gegeben haben, daß es sich nicht um Entscheidungen über strittige Gebietsfragen, sondern um die Anerkennung von Grundsätzen des öffentlichen Rechtes, namentlich im Interesse der Handelsfreiheit, handeln wird, deren Feststellung und Anerkennung dem gemeinsamen Interesse aller Staaten entspricht. Was Englands grundsätzliche Annahme betrifft, so soll sie von dem Ausdruck der Befriedigung über die beabsichtigte Conferenz begleitet gewesen sein. England hatte nur einige Aufklärungen über einzelne Puncte gewünscht, und eine vorläufige Verständigung darüber wurde nicht bezweifelt. Man glaubt jetzt, daß nicht nur Oesterreich, Rußland, Italien, sondern auch die scandinavischen Staaten schon der Eröffnung beiwohnen werden, wenn das auch noch nicht ganz zuverlässig festgestellt ist. Daß übrigens anfänglich eine spätere Einladung jener Mächte in der mehrfach angedeuteten Weise beabsichtigt war, soll auch aus dem an die unmittelbar betheiligten Saaten gerichteten Einladungsschreiben hervorgehen, das gewiß später in die Oeffentlichkeit gelangen wird.
Paris, 23. Oct. Es heißt, Campenon werde die Ermächtigung nachsuchen, schon jetzt eine gewisse Anzahl Bataillone in der durch das Gesetz über die Organisation der Colonialarmee vorgesehenen Weise zu formieren. – Ferry erklärte sich damit einverstanden, die vollständigen Protokolle der früheren Tonkincommission der jetzigen vertraulich mitzutheilen. – Die „Ag. Havas“ hält es für möglich, daß eine Macht die Initiative zu einer Vermittlung zwischen Frankreich und China ergreife, doch stehe noch nichts fest. |