Dokumentation:Die Congo-Konferenz in Berlin;französich-chinesische "Tonking-Frage" |
Freiburger Zeitung, 23.10.1884, 1. Blatt 1. Seite Die während des nächsten Monats in Berlin zusammentretende westafrikanische Conferenz dürfte bei allen Bemühungen, ihr von vorneherein engere Schranken zu ziehen, doch ein sehr ausgedehntes Arbeitsfeld vorfinden und kaum einen nach allen Richtungen hin glatten Verlauf nehmen. Das Wiener „Fremdenblatt“ sagt in dieser Beziehung: „Die Action des Fürsten Bismarck erscheint gerade um deswillen als eine um so größer angelegte und folgewichtige, denn die Behauptung der englischen Presse, daß die aufgeworfenen Fragen längst gelöste seien, ist eine durchaus irrige. Nicht eine einzige dieser Fragen, weder der principiellen noch der concret-politischen, ist in dem Sinne gelöst, daß eine europäische Verständigung erzielt, ein internationales Rechtsbewußtsein geschaffen, eine internationale Rechtsregel fixiert worden wäre. Alles ist auf diesem Gebiete contovers und wenn England aus dem schwankenden und widerspruchsvollen Zustande, der dadurch eingetreten, gewisse Vortheile gezogen hat, so ist das kein Grund für alle übrigen Staaten, einer Initiative des deutschen Reichskanzlers entgegenzutreten, die in ihren politischen und völkerrechtlichen Motiven so bedeutend ist als in ihren Zielen und die für Deutschland über die Sphäre der europäischen Continentalinteressen hinaus die Bahn zu einer lebendigen und machtvollen Theilnahme an der Entscheidung der Weltinteressen gebrochen hat.“ Deutschland. Berlin, 21. Oct. Fürst Bismarck ist mit dem Grafen Wilhelm um 4 Uhr 38 Min. hier eingetroffen. – Graf Watersleben ist zum commandirenden General des dritten Armecorps ernannt worden. Berlin, 20. Oct. Es wird bestätigt, daß England im Principe die Einladung zur Congeconferenz angenommen habe. England wünsche noch die Erörterung mehrerer Puncte. Die Nachrichten von dem Zusammentritt der Vorconferenz sind unrichtig. Die Vereinigten Staaten nahmen inzwischen ebenfalls die Einladung zur Conferenz an. Die Türkei wird auf der Conferenz nicht vertreten sein. Frankreich. Paris, 21. Oct. Die Kammer wählte heute in den Bureaux die Commission für den Tonkin-Credit. Gewählt wurden 4 Gegner der Regierung und 7 Freunde. Eine rasche Beedigung des Feldzuges wünschen auch die letzteren und sie halten die geforderten Credite für unzulänglich. „Paris“ verlangt die Blokirung des Hafens Pakoi im Golf von Tonkin, der den Chinesen zur Invasion Tonkin’s diene. („Fr. Ztg.“) Paris, 21. Oct. Der Ministerrath trat heute zusammen, um die schwebenden Fragen zu berathen. Die Minister werden heute an den Sitzungen der Bureaux theilnehmen, da in denselben die Wahl für die Tonkin-Commission stattfindet. Eine Erklärung wird Seitens der Regierung über die Tonkinfrage noch nicht abgegeben, weil Ferry unter Vorbehalt der Commission später die nöthigen Aufschlüsse geben wird. – Die Nachricht, daß für den Feldzug gegen China ein Armeecorps mobilisiert werden soll, ist unrichtig, da Briere keine Verstärkungen verlangt und, falls solche nöthig wären, dieselben aus der afrikanischen Armee entnommen werden könnten, ohne daß eine Mobilisierung in Frankreich erforderlich ist.
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