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Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 4)

Freiburger Zeitung, Nr. 87 vom 13.04.1879 (Tagesausgabe), 2. Seite

Lebensbilder aus Afrika

(Schluß)

Bedauern müssen wir es auf das Lebhafteste, daß es diesen jungen Deutschen von solcher Befähigung und Energie, der sich vom einfachen Kaufmann zu so bedeutender und einflußreicher Stellung emporzuschwingen wußte, nicht vergönnt war, außerdem auch noch länger seine Kräfte der Abschaffung der Sklaverei zu widmen, für welch’ schöne Mission er so begeistert war und welcher er gerne die Ruhe und Sicherheit seiner früheren Stellung – zunächst wenigstens auf ein Jahr, für welches er sich von der deutschen und englischen Regierung als deren Viceconsul Urlaub erbeten hatte – zum Opfer brachte.
Unser braver und tapferer Landsmann, dem wir in diesen Zeilen die ihm mit vollstem Recht gebührende Erinnerung widmen wollten, hat sich aber auch — abgesehen von seiner übrigen ehrenvollen Thätigkeit — noch ein bleibendes Verdienst um die gegenwärtige so sehr im Aufblühen begriffene Wissenschaft der Ethnographie und Anthropologie erworben, indem er vermöge seiner seit frühsten Jugend bekundeten Liebe für Natur- und Völkergeschichte schon während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in Chartum und genugsam angeregt durch seinen intimen Verkehr mit andren Afrika-Reisenden (Gessi, Schweinfurth, Nachtigall, Junker ec.) für sich und in Verbindung mit seinem Bruder Karl Wilhelm sich eifrig bemüht hatte, interessante naturhistorische Gegenstände, dann Waffen, Gerätschaften u.s.w. der Bevölkerung Mittelafrika’s zu sammeln, die er – noch vor seiner Abreise von Chartum nach Darfur im Juli 1878 — nach seiner Heimath Freiburg dirigieren ließ.
Diese interessante und höchst seltene Sammlung, aus welcher – laut Bestimmung des Verstorbenen – die erste Auswahl dem ethnographischen Museum der Universität Freiburg vorbehalten ist, enthält zufolge der schon längst von Rosset hierfür eingesandten Liste eine Reihe Waffen, Geräthe, Schmuck, Musikinstrumente u.s.w. folgender Völkerschaften von Nubien (Chartum) an bis zum Aequator und darüber hinaus: Bari-Reger (um den 5. nördl. Br., zwischen Sobat-Fluß und Aequator), Niam Niam- Neger (nordwestl. v. Aequator), Gegend von Uganda (10“ nördl. Br., am nordwestlichen Ufer des Victoria-Nyanza Sees), Tikitiki (ein Zwergstamm jener Gegend), Schilluk-Neger (10° nördl. Br., Gegend von Faschoda, links und rechts am Nil), ferner aus den Ländern der Bongo, Dinka, Madi, Niambara, Unyoro, Bor, Monbuttoo, vom Albert-Nyanza See, endlich auch noch Schädel verschiedener dortiger Völkerstämme für die Schädelsammlung hiesiger Universität, die wohl jetzt schon als eine der bedeutendsten derartigen Sammlung gilt.
Einen gewissen Eindruck, den die Leser wohl zugleich mit uns aus allen Mittheilungen Rosset’s gewonnen haben werden, möchten wir zum Schluss noch recht klar hervorheben.
So nahe am Aequator, in Gegenden Afrika’s, von welchen vor nicht gar langer Zeit in öffentlichen Blättern noch wenig die Rede war, gestalten sich mit dem Eindringen europäischer Bildung nun auch Lebensbilder ganz eigenthümlicher Art, gemischt aus den allerursprünglichsten Verhältnissen der Urvölker Afrikas’s und aus den von Europa hinübergedrungenen Fortschritten in Kunst, Technik, Fabrikation u.s.w. – Lebhaft genug tritt uns dies vor Augen, wenn wir uns — zufolge der obigen Beschreibung – die eqyptischen Truppen vergegenwärtigen, wie sie in ihrer zum Theil überaus ärmlichen Kleidung mit Kanonen und Hinterladern ausgerüstet gegen die benachbarten Stämme in den Krieg ziehen und anderseits ihre Musikcorps das Ohr des Commandanten durch europäische Opernmelodien ergötzen.
Mehr und mehr werden sich Schritt für Schritt die ursprünglichen, für die einzelnen Länder charakteristischen Verhältnisse der Eingeborenen verwischen. Für ihre Bildung und Gesittung mag dies freilich in mancher Beziehung recht gut sein, allein für das Verständnis der Urzustände der Völker wird es dereinst, wenn einmal Alles möglichst nivellirt ist, von allerhöchstem Werthe sein, auch ein Bild ihres ursprünglichen Lebens und Treibens vor Augen zu haben, während unterdessen Andere die allmälig aussterbenden Sprachen der einzelnen Stämme studieren und vergleichen. — Es geht dies Alles viel rascher vor sich, als man glaubt. Erst dieser Tage vernahmen wir aus dem Munde eines jungen Naturforschers, welcher die Reise um die Erde – nicht um die Welt, wozu Sonne, Mond und Sterne gleichfalls gehören – mitgemacht hatte, daß man vielleicht schon binnen zehn Jahren nichts mehr von ursprünglichen Waffen und Gerätschaften gewisser Inselbevölkerungen Oceaniens werde erhalten können, welche doch erst vor 100 Jahren von den ersten europäischen Seefahrern besucht wurden. Recht viele Leute bei uns, von denen man dies nach dem sonstigen Bildungsstande nicht erwarten sollte, haben zwar hiefür heutzutage leider auch noch nicht die geringste Empfänglichkeit, verrathen für Derartiges auch nicht das geringste Interesse.
Wenn sich aber seiner Zeit die Bilder des jetzigen Lebens, statt blos in Zeichnungen der Reisewerke aufbewahrt zu bleiben, in leibhaftiger Gestalt in ethnographischen Museen der Nachwelt präsentieren, so wird dies ohne Zweifel den Werth derjenigen Lehranstalten erhöhen, welche sich noch rechtzeitig solcher Belehrungsmittel bemächtigt hatten und es werden dann auch die Namen derjenigen Männer um so mehr mit Ehren genannt werden, welche — wie unsere hiesigen Bürgerssöhne Friedrich und Karl W. Rosset, sodann schon früher auch Dr. A. Bogt – während ihrer Reisen in fernen Erdtheilen der Anhänglichkeit an die Lehranstalten und wissenschaftlichen Institute ihrer Heimath sichtbaren Ausdruck verliehen haben durch Einsendung wertvoller Geschenke vom Schauplatz ihrer außereuropäischen Wirksamkeit.
Es ist wohl noch nicht alle Hoffnung verloren, dass auch Reisetagebücher dereinst sich noch vorfinden und in die Hände der Seinigen gelangen; es wäre aus denselben wohl noch manche interessante Einzelheit über die von ihm besuchten Völkerstämme von Zentralafrika, überhaupt auch dies oder jenes wichtigere Lebensereignis zu berichten.


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Übersicht:

  • Ernennung des Freiburgers Friedrich Rosset zum ägyptischen General-Gouverneur von Darfur, Freiburger Zeitung, 06.09.1878, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 1), Freiburger Zeitung, 09.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 2), Freiburger Zeitung, 10.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 3), Freiburger Zeitung, 11.04.1879, Artikel
  • Friedrich Rosset - Über den General-Gouverneur von Darfur (Teil 4), Freiburger Zeitung, 13.04.1879, Artikel
  • Ethnographische und Schädelsammlung von Friedrich Rosset aus dem Sudan in Freiburg eingetroffen, Freiburger Zeitung, 05.06.1879, Artikel