Pressedokumentation auf www.freiburg-postkolonial.deFriedrich Rosset - Über den aus Freiburg stammenden ägyptischen General-Gouverneur von Darfur (Teil 3) |
Freiburger Zeitung, Nr. 86 vom 11.04.1879 (Tagesausgabe), 3. Seite Lebensbilder aus Afrika (Fortsetzung) El Fascher, 26. September. Im Eingang dieses Briefes klagt Rosset bitter darüber, seit 4 Monaten von den Seinigen keine Nachricht mehr erhalten zu haben, worauf er doch mit Sehnsucht harre, mitten unter feindlicher Bevölkerung, Tag und Nacht des Lebens nicht sicher, ganz einzig auf sich selbst angewiesen, inmitten der großen Verantwortlichkeit der Verwaltung eines Landes größer wie Bayern, das der Regierung gewissermaßen noch feindlich gegenüber stehe; keinen einzigen Vertrauensmann habe er zur Seite, Misstrauen umgebe ihn vielmehr überall; er habe nun doch die Leute seines einmonatlichen Aufenthalts in Fascher durchblicken gelernt. [Vermöge einer früher von Rosset an die Seinigen hierher gerichteten Nachricht hatte derselbe eine Reise vor, vermöge welcher ihn in vielen Wochen keine Briefe erreichen konnten. Dies Project änderte sich jedoch, ohne daß man es in Freiburg wissen konnte, und als dann, jener Berechnung zufolge, wieder Briefe hier nach einander an ihn abgingen, kamen sie (vermöge der großen Entfernung in ganz anderer Richtung) leider nicht mehr vor seinem Tode in dessen Hände.] Er fährt dann fort: „Kaum war ich einige Tage hier, kam denn auch wirklich Herun aus seinem Schlupfwinkel von den Gebirgen herunter und sammelte Leute, um mich hier in Fascher anzugreifen; ich erfuhr es jedoch rechtzeitig und organisirte meinen Plan, um denselben von mehreren Seiten anzugreifen. Die Truppen sind nun an ihren Bestimmungsorten eingetroffen und haben vorgestern das erste Treffen gehabt. Dieselben brachten mir gestern den Kopf des ersten Ministers von Herun, sowie viele Gewehre und zwei Fahnen. Den Kopf ließ ich auf einem langen Spieß auf dem öffentlichen Marktplatz auspflanzen, wo er drei Tage zur Schau ausgestellt sein wird. Ich habe 2000 Thaler auf den Kopf des Herun selbst gesetzt und Beförderungen der Officiere versprochen, wenn man mir denselben lebend einliefere.“ „Herun hat seine Spione hier, die ihm Alles mittheilen, was bei uns vorgeht. Tag und Nacht kommen Leute, die mir neue Nachrichten bringen; nie kann ich ruhig schlafen, da hiebei natürlich auch mein Gemüth zu sehr angegriffen ist. Gott sei Dank, befinde ich mich bei All diesem gesund und wohl und hoffe, meine schwierige Aufgabe zu lösen. — Mehrere hundert Sklaven habe ich schon befreit und die Führer festnehmen lassen. In einigen Tagen werde ich das erste Todesurteil unterschreiben müssen und zwar gegen einen Hauptmann der irregulären Truppen. Derselbe hatte über 500 Sklaven geraubt, viele getötet, ganz Dörfer geplündert. Ich werde denselben standrechtlich erschießen lassen. — Von Gordon Pascha erhalte ich mit jeder Post Briefe. Kürzlich wurde mir per Telegramm officiell angezeigt, daß ich von Se. Majestät dem König von Italien den Kronenorden erhalten habe als Anerkennung für die Unterstützung und Hilfeleistung, welche ich der am Anfang dieses Jahres durch Chartum gekommenen italienischen geographischen Expedition nach Zentral-Afrika angedeihen ließ. – In wenigen Tagen reise ich weiter und zwar nach Dara, Hofer el Rahas (im äußersten Süden von Darfur), Kulkul und Kakabia und wird diese schwierige Reise wenigstens 3 Monate in Anspruch nehmen; als Begleitung brauche ich wenigstens zwei Compagnien Soldaten und 40 Reiter.“ - [Nach Mittheilung aus Kairo sei es nicht der Kronen-Orden gewesen, der Rosset verliehen wurde, sondern das Commandeur-Kreuz des Mauritius-Lazarus-Ordens und sollte der am 12. November in Kairo abgegangene Afrika-Reisende Matteuci ihm diese Auszeichnung überbringen.] El Fascher, 9. October. „Morgen setze ich also meine Reise nach Dara und weiß Gott wohin fort, immer noch ohne zu wissen, wie es Euch, meine Lieben, geht. Ich komme nun meist in ganz unbekannte Gegenden, somit aus dem Postbezirk und werde wahrscheinlich lange auf Nachricht warten müssen u. s. w. Ich befinde mich, Gott sei Dank, gesund und wohl, habe aber überaus viele Beschäftigung. Heute greifen nun unsere Truppen, etwa 800 Mann mit einer Kanone, den Herun an, der sich noch auf seinem Gebirge befindet. Ich selbst habe den Plan angegeben, denselben bei Nacht zu überraschen und bin nun begierig, wie die Geschichte ausgehen wird.“ Hätte ich nur ein einziges Bataillon deutscher Soldaten mit guten Officieren, so wäre ich schon längst fertig, allein mit solch’ elenden Soldaten wie die meinen, kann man nicht viel ausrichten. Gleichwohl machten dieselben vor 8 Tagen, als Herun ebenfalls angegriffen wurde, Gewehre, 4 Fahnen ec. zur Beute, töteten 75 Mann und nahmen zwei Häuptlinge, welche sie hierher brachten, gefangen; den anderen Tag unterschrieb ich ihr Todesurteil und wenige Stunden nachher wurden sie auf dem Marktplatz aufgeknüpft. Gott verzeihe mir, wenn ich unrecht gehandelt habe, aber Krieg ist Krieg und ich muß Ruhe im Land haben.“ „Gordon Pascha steht mit mir in lebhafter Correspondenz, ist mit meinen Regierungshandlungen einverstanden und hat sich beim Vicekönig lobend darüber ausgesprochen; dasselbe that er meiner Gattin gegenüber, die er oft besucht. Gott möge mir in meiner schweren Aufgabe beistehen, im festen Vertrauen auf ihn will ich auch das Schwerste zu vollenden suchen. Ich kann mir schmeicheln, daß ich bei den Eingeborenen und den Soldaten ziemlich beliebt bin, natürlich habe ich auch meine Feinde, denn allen kann man es nicht recht machen.“ „Ich habe nun drei hübsche Reitpferde und vier Reitkameele; jeden Abend von 5-6 Uhr reite ich aus, begleitet von Cawassen, Soldaten und Officieren und zweimal die Woche lasse ich vor meinem Hause die Musik spielen. – Und dennoch würde ich diese großen Ehren gelegentlich gerne wieder mit einem rührigen Leben in meiner Heimath, mitten unter den Meinigen vertauschen, mich an den Delikatessen der schlichten heimatlichen Kost, Obstfrüchten u. dergl. erlaben, von denen ich gar nicht mehr weiß, wie sie schmecken, und die ich nur, wenn ich einmal davon träumte, glaube genossen zu haben!“ El Fascher, 26. October 1878. „Vorgestern kam ich wieder von meiner (12tägigen) Reise nach Dara, wo ich mich 8 Tage aufgehalten habe, zurück. Von Gordon Pascha kommen häufig Nachrichten; Briefe und Gratulationen aus aller Herrn Länder erhalte ich, nur von meinen Eltern bleiben die Briefe aus. Ihr macht Euch keinen Begriff von den Strapazen, Entbehrungen, Unannehmlichkeiten und Aergernissen, welche ich in einem feindlichen Lande auszustehen habe, woneben ich auch noch keine Nacht ruhig schlafen kann. Wenige Zeilen von Euch würden wenigstens mein so sehr angegriffenes Gemüth auf einige Stunden beruhigen.“ „Meine Reise nach Dara war sehr mühsam und ich hatte viel mit den mich begleitenden Soldaten auszustehen. Ich machte die ganze Tour hin und her zu Pferd (10 Stunden täglich). Während der Nacht stellte ich Wachen und Vorposten aus, machte 3-4 mal die Runde und fand richtig alle schlafend; so war es jede Nacht, was dann mir natürlich schlaflose Nächte und Verdruß genug bereitete; es fehlt an guten Offizieren.“ „Am Schlimmsten war mir der Mangel an gutem Trinkwasser. Denkt Euch ein von der Regenzeit zusammengelaufenes Wasser, das man in Vertiefungen der Erde auffängt und das eine große Lache darstellt; seit Monaten ist dasselbe täglich von der glühenden Sonnenhitze erwärmt und mit allen möglichen Wasserpflanzen überzogen, hat eine dunkelblaue Schmutzfarbe und einen fauligen Geschmack, ein Wasser, aus welchem alle Ochsen, Kühe, Ziegen, Pferde trinken — Das wäre nach fünfstündigem Ritt im heißen Sonnenbrand meine Erquickung! Alle 8-10 Stunden findet man solche Lachen! Wie entbehrt man da das Nilwasser!“ „In Dara wurde ich wieder großartig empfangen. Alle Bezirksvorsteher der ganzen Umgebung vom Süden Darfur’s waren gegenwärtig und hatten mich eine Stunde vor Darfur abgeholt, alle zu Pferd in den reichsten Costumen mit dem Scepter in der Hand und dem wildesten Aussehen. Die ganze Truppe sprengte mit verhängtem Zügel, die Scepter und die breiten Schwerter in die Höhe schwingend, auf mich zu, als Zeichen ihrer Unterthänigkeit.“ „Im Fort von Dara angekommen fand ich das Militär aufgestellt, die Flaggen wurden aufgezogen und Kanonensalven abgegeben. Ich machte mich sogleich an die Regierungsgeschäfte, rief die Bezirksvorsteher vor und vereinbarte mit denselben, wie viel Steuer jährlich an die Regierung zu bezahlen ist. Geld gibt es in diefen Gegenden nicht; Baumwollenzeug bildet Geld; ein Stück wird in 36 kleine Stücke geschnitten für den Kleinhandel. Die Steuer dieser Leute besteht in Dourra (Korn zum Brod), Baumwollenzeug, Butter, Ochsen, Strohdecken. - Von den Regierungsangestellten habe ich viele entlassen und für Dara die Regierungsaufgaben von jährlich 50000 Pfund auf 20000 reducirt: ein Gleiches werde ich für Fascher und Kulkul thun. Ich beeile mich so viel möglich, mit meiner schwierigen Aufgabe fertig zu werden. Dem Sklavenhandel habe ich einen herben Schlag versetzt: alle Bezirksvorsteher sind unter Androhung strenger Strafen beauftragt, keine Sclavenzüge mehr durchgehen zu lassen.“ „Für heute kann ich nicht mehr schreiben, indem ich noch sehr schwach bin, ich lag gestern den ganzen Tag, bin aber heute etwas besser, hoffentlich werde ich nun bald Briefe von Euch erhalten.“ - Dies sind Friedr. Rossets letzte Zeilen. Achtzehn Tage später war unser braver Landsmann leider seinem aufreibenden Berufe erlegen. Die in der Zwischenzeit — wie schon bemerkt — in größerer Anzahl von seiner Familie dahier an ihn abgegangenen Briefe hatten ihn aus den angegebenen Gründen bedauerlicherweise nicht mehr erreicht, hatten seine in jedem Briefe mit dem lebhaftesten Farben ausgemalte Sehnsucht nach Mitteilungen aus der Heimath nicht mehr zu stillen vermocht. Unseres Erachtens ist Fr. Rosset’s so höchst betrübender vorfrüher Tod (durch Dysenterie) aus dem Zusammentreffen so vieler erschöpfender Einflüsse unschwer zu erklären. Wenn es bis zum vorletzten Briefe sich auch günstig über sein Befinden ausspricht, so war er doch während seines seit 1869 dauernden Aufenthaltes in Aegypten viel von den dort herrschenden Fiebern heimgesucht gewesen, was man ihm auch während seines Besuches im elterlichen Hause hier (1872) an seiner Gesichtsfarbe wohl anzusehen vermochte. Derselbe hatte sich dann allerdings in seiner zu Chartum eingenommenen Stellung als deutscher und englischer Vicekonsul in diplomatische Geschäfte tüchtig eingelebt, was sich ja am allersichersten aus der ihm von Gordon Pascha, beziehungsweise der äqyptischen Regierung übertragenen so höchst wichtigen Mission als Zivilgouverneur von Darfur ergab. Allein bei der Gewissenhaftigkeit des Verstorbenen lässt sich denken und auch aus allen seinen Briefen deutlich entnehmen, wie ihn die große Verantwortlichkeit seiner neuen Stellung in Anspruch nahm, wie er derselben ängstlich und mit Aufopferung gerecht zu werden trachtete, wußte er doch, daß zunächst dort Aller Augen auf ihn gerichtet waren, ob es ihm gelinge, der äqyptischen Regierung durch die von ihm in Aussicht genommene Organisation der Zivil- und Militärverwaltung (- welch’ letztere ihm, wenn auch nicht dem Namen nach, so doch in der Sache selbst gleichfalls oblag) auch glücklich und dauernd zu erhalten und die — wie begreiflich widerspenstigen Anhänger der früheren Dynastie vollends zu bekämpfen, kurz die Bevölkerung an die neue Regierung zu fesseln und anhänglich zu machen. Zu solchen für Rosset doch früher in diesem Sinne ungewohnten Regierungssorgen kam dann die fortwährende unmittelbare Gefahr bezüglich der Angriffe Herun’s, die schlaflosen Nächte wegen der Sorglosigkeit des Militärs, vor allem der Officiere, welche gewiß eher als der Gouverneur selbst dafür zu sorgen gehabt hätten, daß die auf Wache befindlichen Soldaten nicht neben ihren Gewehren schliefen und sich letztere sorglos wegnehmen ließen. Nun zu all’ Diesem noch die vielen Beschwerden auf der Reise, Durchnässung, die ungewohnte Kost, ganz besonders Mangel an frischem Wasser. Vermöge früherer Fieberanfälle und dadurch bedingter Magenleiden ertrug Rosset gar keine geistigen Getränke, hatte sich dieselben vollständig abgewöhnt und war nun während seiner letzten Expedition (nach Dara) ganz auf den Genuß fauligen Wassers angewiesen. Dies Alles konnte zuletzt die kräftigste Constitution untergraben, die Stärkste Natur zum erliegen bringen. (Schluß folgt.)Zur Übersicht 1879 der Pressedoku | Scan der Originalseite auf Server der UB-Freiburg | nach oben Voriger Artikel über Friedrich Rosset zurück | nächster Rosset-Artikel weiter Übersicht:
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