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Freiburger Zeitung, Sonntag, 19.09.1852, Nr. 223, Tagesausgabe, 3. Seite
Theater.
Freiburg, 18 Sept. Gestern gab der Neger Ira Aldridge in hiesigem Theater den „Othello“. Die berichte der „Rheinischen Blätter“ sowie der „Allgemeinen Zeitung“ über Aldridges Leistungen machten sehr gespannt, doch waren die Räume des Theaters ziemlich leer, da die Theater-Anzeige zu spät verbreitet wurde. Unsere Erwartungen sind weit übertroffen. Ira Aldridge ist ein großes Talent und hat gewiß in allen, die dem Gange des Stücks zu folgen im Stande waren, einen tiefen Eindruck hervorgebracht.
Daß ein Neger, geboren am Ufer des Senegal, ein Meisterwerk des größten englischen Dramatikers, in Freiburg in englischer Sprache aufführt, ist ein eigenes Zeichen unserer zeit, ein beweis vom Siege der Humanität. Was der Geist Großes geschaffen, das ist das Eigentum aller Menschen, die es erwerben wollen, seien sie Schwarze oder Weiße, nördlich oder südlich vom Aequator geboren.
Iras Großvater war ein Negerkönig, wurde aber gestürzt, weil er Kriegsgefangene nicht vertränken, sondern auswechseln lassen wollte. Iras Vater ward von einem Missionär erzogen und Prediger des göttlichen Wortes. Er kehrte in die Heimath zurück, um das Reich des Vaters wieder zu erobern, wurde aber in der ersten Schlacht geschlagen. Auf der Flucht gebar ihm sein Weib einen Sohn unsern Ira, der bis zum 9. Jahre in seiner Heimat blieb, und erlebte frühe schon tragische Scenen. Der Vater gelangte endlich nach New-York und ward hier Geistlicher bei den Negern. Ira zeigte in der Schule großes Talent für Declamation und als er einmal ein Theater sah, war eben seine Zukunft entschieden. Er ging nach England, betrat die Bühne, zeichnete sich namentlich in Shakespeare’schen Rollen aus und macht jetzt mit einer kleinen Bande, wie Rachel, eine Kunstreise durch Deutschland.
Die gestrige Vorstellung des Othello war ergreifend, die Größe der Leidenschaft ist wohl nie besser dargestellt worden. Nur möchte man hin und wieder dem Manne zurufen: Waß ist das Gesetz aller Schönheit. Man muß eben an amerikanische und englische Nerven denken, die stark angeschlagen werden wollen, bis sie in Bewegung kommen.
Das Stück ist sehr abgekürzt: wer das Englische nicht versteht, möge vor dem Theater die deutsche Uebersetzung lesen. Die Mimik ist so ergreifend, dass er dann alles versteht.
Morgen wird Othello noch einmal gegeben und verdient, dass das Publikum ihm zahlreich beiwohnt. Auf Othello folgt ein Lustspiel: The paddlok, so plastisch, ausdrucksvoll und verständlich, dass die Kenntnis der englischen Sprache nicht nötig ist.
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