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Anthropologie, Kolonialismus und "Rassenforschung"

siehe auch die Beiträge:

Britta Lange: Die Welt im Ton - In deutschen Sonderlagern für Kolonialsoldaten entstanden ab 1915 einzigartige Aufnahmen Mehr

 

Der stark umkämpfte Eintrag zu E. v. Eickstedt bei Wikipedia

 

Zum Halbmondlager bei Wünsdorf, der Forschungsstätte v. Eickstedts, siehe auch den Film The Halfmoon Files (2007) Film-Website

 

Christoph Seidler: »Opfer ihrer Erregungen« - Die deutsche Ethnologie und der Kolonialismus (2004) Zum Text

 

Andreas Flamme (2007): Der Kolonialwissenschaftler Karl Dove und seine Zeit an der Universität Freiburg Mehr

Der Rassenkundler Egon von Eickstedt und sein Gastspiel in Freiburg (1921- 1923)

 Von Britta Lange, November 2008

Egon von Eickstedt (1892-1965) gehört zu jenen Figuren, die die deutschsprachige Anthropologie nach dem Ersten Weltkrieg nachhaltig prägten. Sein Einfluss auf das Fach hielt sich bis zu seinem Tod tief in die sechziger Jahre hinein. Seine berufliche Laufbahn begann mit seiner Dissertation, deren Material er aus Untersuchungen an kolonialen Kriegsgefangenen zwischen 1915 und 1918 bezog, und dem anschließenden systematischen Ausbau seiner Annahmen zur Rassenlehre, die ihm 1933 einen Lehrstuhl für Anthropologie in Breslau eintrug. In diesem Text soll besonders ein kleines Zwischenspiel auf seiner Karriereleiter betrachtet werden, das zwischen 1921 und 1923 in Freiburg i. Br. stattfand. Es war tatsächlich nur ein Zwischenspiel, da er hier keine größere Bedeutung erlangte, aber eben dies verweist auf größere Auseinandersetzungen innerhalb der Anthropologie.

Egon Freiherr von Eickstedt, geboren 1892 in Jersitz (Jerzyce), einem Teil der heute polnischen Stadt Posen (Poznan), studierte Medizin, Philosophie und Geowissenschaften an den Universitäten von Berlin und Frankfurt/Main. Seine Doktorarbeit wurde durch Felix von Luschan (siehe Wikipedia) betreut, Professor für Anthropologie und Ethnologie an der Universität Berlin sowie zugleich Leiter der Abteilung Ozeanien und Afrika am Berliner Völkerkundemuseum. Von Luschan fungierte während des Ersten Weltkriegs als Experte für Völkerkunde in der Preußisch Phonographischen Kommission, die im Auftrag des Preußischen Kultusministeriums zwischen Ende 1915 und Ende 1918 sprach- und musikwissenschaftliche Studien in deutschen Kriegsgefangenenlagern durchführte. Von Luschan sandte mehrere Nachwuchsanthropologen in die Lager, um nach einem standardisierten System Körpervermessungen an indischen und afrikanischen Gefangenen durchzuführen, darunter Otto Reche (siehe Wikipedia), Paul von Hambruch und Egon von Eickstedt. [1] Auch Rudolf Pöch, einen ehemaligen Schüler, der inzwischen außerordentlicher Professor für Anthropologie und Ethnographie an der Universität Wien war, lud von Luschan ein, in deutschen Lagern Internierte anthropologisch zu untersuchen.

Bei seinen Lagerstudien konzentrierte sich von Eickstedt, der Quellenmaterial für seine Doktorarbeit zusammentragen wollte, auf die Befragung und Vermessung von 76 indischen Sikhs aus dem nördlichen Punjab, die er zwischen 1916 und 1918 im Kriegsgefangenenlager Wünsdorf nahe Berlin und in deutschen Lagern in Rumänien aufsuchte. Um das Datenmaterial im anthropologischen Sinne auszuwerten, musste sich von Eickstedt, der eigentlich Völkerkundler und Geograph war, nach dem Krieg in die Methoden der physischen Anthropologie einarbeiten, die zu dieser Zeit maßgeblich durch die Statistik bestimmt waren – wobei er es allerdings ablehnte, sich auf die Pfade der vor allem von Eugen Fischer betriebenen Erbbiologie zu begeben (s.u.). Seine Dissertation, die trotzdem einen geographischen Schwerpunkt aufwies, reichte er schließlich 1920 bei Prof. Norbert Krebs (1876-1947) [2] an der Universität Frankfurt/Main ein. Felix von Luschan veranlasste, dass die Arbeit anschließend unter Reduktion des geographischen Teils unter dem Titel „Rassenelemente der Sikh“ in der Zeitschrift für Ethnologie (1921) publiziert wurde. [3]

cover eickstedt

Titelseite von: "Rassenelemente der Sikh.

Mit einem Anhang über biometrische Methoden.

Von Dr. Egon von Eickstedt, Assistent am geographischen Institut Freiburg i. Br."

Bezeichnenderweise ist das Porträt - ebenfalls in einem Kriegsgefangenenlager aufgenommen - dem Buch "Unsere Feinde" entnommen.

Der Autor identifizierte mit komplizierten grafischen Methoden mehrere „Rassenmerkmale“ in jener Gruppe, die er zunächst für „homogen“ gehalten hatte. Obwohl von Eickstedt ethnographische Werke zitierte, argumentierte er in seiner Arbeit hauptsächlich auf dem Boden der physischen Anthropologie. Sie beruhte auf der Vermessung von menschlichen Körpern nach genormten Vorgaben, auf deren Ergebnisse dann statistische Verfahren angewendet wurden – ungeachtet der Tatsache, dass die in den Kriegsgefangenenlagern internierten Sikhs keine repräsentative Auswahl von Menschen aus dem nördlichen Punjab darstellten. Von Eickstedt diente das in seiner Empirie aus vielen Ebenen anzweifelbare Vorgehen dazu, von den äußeren Erscheinungsmerkmalen auf die „Rassenzugehörigkeit“ zu schließen. Anthropologie bedeutete für ihn somit die Erstellung von so genannten „Rassendiagnosen“ – womit er sich im Fahrwasser der in den 1920er Jahren zunehmend an Einfluss und Popularität gewinnenden, menschenverachtenden deutschen Rassenkundler befand. Im diesem Kontext eröffnete ihm seine Dissertation den Weg in eine wissenschaftliche Karriere, die mit den Rassenvorstellungen der Nationalsozialisten weitgehend konform ging.

Eickstedt und Eugen Fischer

Nach seiner Promotion arbeitete Eickstedt als Assistent am Institut für Menschenkunde in Berlin, um dann ab April 1921 für etwa zwei Jahre nach Freiburg im Breisgau zu gehen. Prof. Krebs hatte ihn zunächst für ein bis zwei, dann noch einmal für zwei Semester ans Geographische Institut der Universität berufen. Nebenbei widmete sich von Eickstedt der Auswertung von weiteren an Kriegsgefangenen erhobenen Daten – „die Korsen und die Serbischen Zigeuner“. „Auch Prof. Fischer, der letzthin einen interessanten Vortrag über den Einfluss des Milieus auf die Schädelform hielt (in der hiesigen Naturforschenden Gesellschaft) sah [er] hie und da.“ [4]

Eugen Fischer galt als die zentrale Figur bei der Einführung vererbungswissenschaftlicher Fragen in die deutsche Anthropologie (siehe Wikipedia). Bahn brechend war seine Arbeit über die „Rehoboter Bastards“ (1913) gewesen, in der er dargelegt hatte, dass die Vererbung komplexer morphologischer Merkmale beim Menschen einem einfachen Mendel-Erbgang wie bei Erbsen folge [5] , dass also nicht der gesamte „Rassentypus“ vererbt würde, sondern lediglich einzelne Merkmale. Die Grundlage für Fischers Überlegungen bildete die Überzeugung, dass sich die Menschheit wie das Tierreich in „Rassen“ unterteilen lasse, dass diese klar zu definieren und über die aufkommende Vererbungslehre auch eindeutig zu verfolgen und letztlich zu programmieren seien. Menschen waren dabei für ihn Forschungsmaterial, auf das er im Rahmen eines staatlich gebilligten Rassismus – etwa im Rahmen der Zwillingsforschung – ungehindert zugreifen konnte. Nach außerordentlichen Professuren in Würzburg und Freiburg wurde Eugen Fischer 1918 Ordinarius für Anatomie und Direktor des Anatomischen Instituts in Freiburg.

cover Fischer

Von Eickstedts Beziehung zu Eugen Fischer war weder besonders eng noch besonders herzlich. Der Kontakt intensivierte sich im Lauf des Jahres 1923, als von Eickstedt dazu aufgefordert worden war, in der anatomischen Sammlung zu arbeiten. [6] Obwohl er gegenüber von Luschan mehrmals betonte, dass er persönlich mit Fischer gut auskomme, waren die fachlichen Differenzen groß:

„Fischers Sammlung, die ich hier aufbaue, wird demnächst fertig geordnet sein. So sehr nett F. persönlich ist, so wenig habe ich wissenschaftlichen Gewinn von ihm. Er betont stets, dass ich zur von Luschanschen Schule gehöre und hält auf das vorsichtigste mit Literatur-Ansichten, Plänen mir gegenüber zurück. Für ihn hat Anthropologie nur als Anatomie Sinn. Völkerkundliche und anatomische Richtung stehen sich jetzt wieder schroff gegenüber und leider scheint in Berlin die letztere wieder Oberhand zu gewinnen. […] Für Fischer komme ich als Ihr Schüler und als Nichtanatom ja [als Habilitand] gar nicht in Frage, wie von Anfang an ja auch klar betont wurde.“ [7]

Fischer gab der deutschen Anthropologie eine biologische Richtung, die sich weiter zementierte, als er 1927 den Lehrstuhl für Anthropologie an der Universität Berlin übernahm sowie gleichzeitig die Leitung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin. [8] Beide Institutionen arbeiteten aktiv in der faschistischen Rassenlehre mit. In den Kreis von Eugen Fischer und seine vererbungswissenschaftlichen Interessen reihten sich auch die deutschen Anthropologen Theodor Mollison und Rudolf Martin ein.

Demgegenüber stand die „von Luschan’sche“ oder so genannte „neo-klassische“ Anthropologie, die die Vererbungswissenschaft und die Theorie, „Rasse“ beim Menschen als Ausdruck unterschiedlicher Erbanlagen aufzufassen, ablehnte. Stattdessen berief sie sich eher auf die klassischen Methoden der Anthropometrie. Gerade von Luschan bestand darauf, Anthropologie immer im Zusammenhang mit Ethnologie zu betreiben, wie er aus gegebenem Anlass von Eickstedt gegenüber klarstellte:

„Dass Prof. Eugen Fischer sich meiner ganzen Richtung gegenüber ablehnend verhält, ist mir nichts Neues. Dasselbe tut in erhöhtem Maße noch Rudolf Martin, der mir im Herbst 1921 in Gegenwart meiner Frau ganz offen und rückhaltslos erklärt hat, ich hätte die Anthropologie in Berlin rouiniert, weil ich mich zuviel auch mit Völkerkunde beschäftige. Das ist natürlich eine Ansicht wie eine andere, die ich niemandem übel nehme, am wenigsten Kollegen wie Fischer und Martin, die ich sonst sehr hoch schätze. Nur teile ich persönlich diese Ansicht gar nicht und kann mir auch nicht vorstellen, wie ein Anthropologe ganz ohne solide ethnographische Kenntnisse die wirklich großen Probleme der Anthropologie je wird lösen können.“ [9]

Von Eickstedt hatte in seiner Generation wenige Mitstreiter. Eine wichtige Bezugsperson für ihn war aber der Anthropologe Bernhard Struck, mit dem er sich beim Abfassen seiner Doktorarbeit ausführlich in Dresden ausgetauscht hatte [10] und dessen Dissertation über die Kopfform in Mittelafrika auf reiner Schädelvermessung basierte. [11] In Reaktion auf von Luschans oben zitierten Brief befand von Eickstedt, dass man dem anderen Lager – also den der Völkerkunde gegenüber abfällig eingestellten Anthropologen Fischer, Martin und Mollison – entschlossen gegenüber treten müsse:

„Noch ist das durchaus nicht zu spät [….] Es wäre ein großes Unglück für die Anthropologie, wenn sie [die vererbungswissenschaftliche Richtung] sich allein unumschränkt durchsetzen würde, so sehr ich im übrigen anatomisch und medizinisch gerichtete anthropologische Arbeiten für etwas Nützliches halte.“ [12]

Tatsächlich liest sich aus von Eickstedts Briefen an von Luschan heraus, dass Fischer seine Habilitation in Freiburg aus den genannten Gründen nicht zuließ. [13] So musste sich von Eickstedt nach neuen Möglichkeiten umsehen.

Ab 1924 arbeitete er für kurze Zeit als Leiter der Anthropologischen Abteilung am Naturhistorischen Museum in Wien, wo der deutsche Anthropologe Otto Reche (der ebenfalls Kriegsgefangenenstudien betrieben hatte) kurz zuvor als ordentlicher Professor für Anthropologie und Ethnologie die Nachfolge des 1921 verstorbenen Rudolf Pöch angetreten hatte. Von Eickstedt nahm anschließend eine Assistenzstelle in der anthropologisch-prähistorischen Staatssammlung in München an, wo er mit Theodor Mollison in Verbindung stand. Von 1926 bis 1929 bereiste er als Leiter einer großen Forschungsexpedition Indien, Ceylon, Birma und die Andamanen-Inseln. Seine Publikationen darüber [14] trugen ihm nicht nur internationale Beachtung ein, sondern er hielt über diese Indien-Expedition auch den Eröffnungsvortrag auf der ersten Zusammenkunft der 1929 neu gegründeten Gesellschaft für Völkerkunde. [15]

Eine zweite Expedition nach Indien folgte zwischen 1937 und 1939, die sich auch auf China, die Philippinen, Malaysia und Indonesien erstreckte und deren Ergebnisse von Eickstedt in seinem Buch „Rassendynamik von Ostasien“ [16] verwendete.

Eickstedts Hinwendung zur ‚geisteswissenschaftlichen’ Rassenkunde

Abweichend von seiner früheren Meinung, dass menschliche „Rassen“ lediglich durch anatomische und physiologische Merkmale gekennzeichnet seien, vertrat er ab Mitte der 1920er Jahre die Auffassung, dass sich „Rassen“ auch durch seelische Eigenschaften auszeichneten. Seine geänderte Position kam der geisteswissenschaftlich geprägten Rassenforschung, der so genannten „Somatomorphologie“ nahe. Diese stand in Verbindung zu der von Leo Frobenius begründeten Kulturmorphologie, welche die „Rasse“ als Ausdruck einer überindividuellen „Kulturseele“ deutete. Damit stand die Somatomorphologie im klaren Gegensatz zur Vererbungswissenschaft unter Eugen Fischer. Von Eickstedt konzentrierte sich weiterhin auf die systematische Erfassung und Beschreibung physischer Merkmale am Menschen, betrieb also Morphologie. In den 1930er Jahren modifizierte er seinen geisteswissenschaftlichen Rassenforschungsansatz, der ihm viel Kritik durch die Kollegen eingetragen hatte, zugunsten eines „ganzheitlichen“ Ansatzes, der Morphologie, Physiologie und Psychologie von Menschengruppen im räumlichen und zeitlichen Wandel untersuchte. Mit diesem Konzept unterschied sich die Breslauer Anthropologische Schule nach wie vor von den stark vererbungswissenschaftlich geprägten Schulen, geriet aber weder mit diesen noch mit der geltenden Rassenlehre des Nationalsozialismus in ernsthafte Konflikte. [17]  

Ab 1928 fungierte Egon von Eickstedt als Privatdozent am neu gegründeten Anthropologischen Institut der Universität Breslau, 1933 wurde er dort zum ordentlichen Professor ernannt. Er gilt als Begründer der „Breslauer Schule“ in der deutschen Anthropologie. Nach seiner Ernennung ersuchte von Eickstedt, der das nationalsozialistische Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses begrüßte und sich ab 1933 vehement für die „Reinhaltung“ des deutschen „Volkskörpers“ einsetzte, um Aufnahme in die NSDAP. Dass dieses abgelehnt wurde, hing unter Umständen damit zusammen, dass von Eickstedt den Begriff „arische Rasse“ ablehnte und stattdessen den Begriff „nordische Rasse“ verwendete. Zugrunde lag dem Konflikt jedoch keine grundsätzliche ideologische Diskrepanz, denn gleichzeitig kooperierte von Eickstedt auf praktischer Ebene mit den Institutionen des NS-Staates. Überzeugt verteidigte er die deutsche Erb- und Rassenpolitik und rechtfertigte sie vor dem Ausland.  Während seiner Lehrtätigkeit arbeitete er eng mit dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP und dem 1933 eingerichteten Reichssippenamt zusammen, in dessen Auftrag er „Abstammungsgutachten“ erstellte, die über den Grad der „Rassenreinheit“ Auskunft geben sollten – ähnlich wie der Anthropologe Otto Reche. Obwohl dieser ebenso wie Eugen Fischer von Eickstedts Position zum Teil scharf kritisierte, stellt sich die Haltung des Breslauer Professors nicht weniger rassistisch und menschenverachtend dar. Seine grundlegende Befürwortung der Existenz, Relevanz und Hierarchie von menschlichen Rassen manifestierte sich auch in weiteren Taten: 1934 begann Eickstedt mit seiner Schülerin und Assistentin Ilse Schwidetzky eine Reihe von groß angelegten rassenkundlichen Untersuchungen in Schlesien. 1935 gründete er die Zeitschrift für Rassenkunde. Seit den 1930er Jahren galt von Eickstedt den Deutschen als anthropologischer Experte in „rassischen“ Fragen, was sich maßgeblich auch aus seinen Studien in Asien und über Afrika begründete. Gerade über diese explizit „völkerkundliche“ Ausrichtung mag sich unter anderem begründen, dass von Eickstedt seine Karriere über das Ende des NS-Staates hinweg fortsetzen konnte: als Anthropologe der „Völker“ der Welt, statt als ausgewiesener Vererbungstheoretiker, ungeachtet der Tatsache, dass er ebenso wie die Anhänger der genetischen Erblehre eine mit inhumanen Annahmen und Mitteln operierende faschistische Rassenlehre unterstützt hatte. Nach seiner Flucht aus Breslau 1945 und einer kurzen Internierung in Leipzig folgte Egon von Eickstedt einem Ruf an die Universität Mainz, wo er sich gemeinsam mit Schwidetzky beim Aufbau eines neuen anthropologischen Instituts engagierte. 1949 begründete er die Zeitschrift für Rassenkunde neu unter dem Namen Homo. Zeitschrift für die vergleichende Biologie des Menschen. Mehrere Forschungsreisen in den 1950er und 1960er Jahren führten ihn nach Spanien, Marokko und in den Mittleren Osten; 1961 wurde er emeritiert. Seine Nachfolgerin in Mainz wurde Ilse Schwidetzky. [18] Von Eickstedt starb 1965.

Zur Autorin: Das aktuelle Forschungsprojekt von Britta Lange lautet "Gefangene Stimmen. >Fremde Völker< in historischen Tonaufnahmen am Beispiel der deutsch-österreichischen Kriegsgefangenenprojekte 1915-1918". Es geht von dem historischen Befund aus, dass Egon von Eickstedts und Felix von Luschans Aktivitäten im Ersten Weltkrieg eingebunden waren in eine breite anthropologisch-ethnologische Forschungstätigkeit in den Kriegsgefangenenlagern. Es wird durchgeführt an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Forschungsstelle Sozialanthropologie. Kontakt: britta.lange@oeaw.ac.at


[1] Vgl. dazu u.a. Andrew D. Evans: Anthropology at War. World War I and the Science of Race in Germany, Dissertation Indiana University 2002.

[2] Prof. Norbert Krebs wechselte in diesem Jahr von Frankfurt nach Freiburg i. Br., um hier Direktor des Geographischen Instituts zu werden. 1925 gehörte er zu den Gründern der u.a. prokolonial ausgerichteten Geographischen Gesellschaft Freiburg, siehe Heiko Wegmann: (2007): „Die Welt ist mein Feld“ – Die koloniale Vortragstätigkeit der Geographischen Gesellschaft Freiburg ab 1925, unter: http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/GeographischeGesellschaft1925.pdf

[3] Egon von Eickstedt: “Rassenelemente der Sikh”, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 52, 1920/21, S. 317-394. Zu von Eickstedts Untersuchung vgl.: Britta Lange: “AfterMath: Anthropological data from POW-camps”, in: Reinhard Johler/Christian Marchetti/Monique Scheer: Doing Anthropology in Wartime and Warzones 2009 (in Vorbereitung).

[4] V. Eickstedt aus Freiburg an v. Luschan, 1.1.1922; Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass von Luschan, Akte von Eickstedt.

[5] Vgl. Eugen Fischer: Die Rehoboter Bastards und das Bastardisierungsproblem beim Menschen, Jena 1913.

[6] Siehe dazu Daniel Möller: Die Anthropologische Schädelsammlung Freiburg (Alexander-Ecker-Sammlung), Rekonstruktion von Herkunft und Erwerbungskontext der Schädel, Magisterarbeit an der Uni Freiburg 2008, und Editorial der Zeitschrift iz3w: Geteilte Geschichte, geraubte Erinnerung - Über die Freiburger Schädelsammlung und die Rückgabe von Kulturgütern, Nr. 307 Mehr; siehe auch: Bitte von Anatomie-Direktor Eugen Fischer an deutsch-koloniale LeserInnen um menschliche und tierische Schädel aus den ehemaligen Kolonien, Deutsche Kolonialzeitung, Heft 1 / 1921, Artikel

[7] Eickstedt aus Freiburg an von Luschan, 12.5.1923; Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass von Luschan, Akte von Eickstedt.

[8] Vgl. u.a. Niels C. Lösch: Rasse als Konstrukt. Leben und Werk Eugen Fischers (=Europäische Hochschulschriften 737), Frankfurt/Main 1997.

[9] Von Luschan an Eickstedt, 9.6.1923; Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass von Luschan, Akte von Eickstedt.

[10] Für seine Dissertation etwa übernahm Eickstedt den Terminus „Kombinationstafel“ aus einer Arbeit des Kollegen. Vgl. Bernhard Struck: „Somatische Typen und Sprachgruppen in Kordofan. Ein Beitrag zur Methodik der Typenanalyse“, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 52/53, 1920/21, S. 129-170.

[11] Vgl. Bernhard Struck: „Versuch einer Karte des Kopfindex im mittleren Afrika“, in: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 54, 1922, S. 51-113. Struck wurde 1927 zum Professor an die Friedrich-Schiller-Universität in Jena berufen und war ab 1940 Leiter der "Kolonialen Fachgruppe Völkerkunde" beim Reichsforschungsrat.

[12] Eickstedt aus Freiburg an von Luschan, 27.6.1923; Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass von Luschan, Akte von Eickstedt.

[13] Andreas Lüddecke stellt ebenfalls fest, dass von Eickstedt sich mit Fischer bereits nach kurzer Zeit gründlich überworfen habe. Vgl. Andreas Lüddecke: Rassen, Schädel, Gelehrte. Zur politischen Funktionalität der anthropologischen Forschung und Lehre in der Tradition Egon von Eickstedts, Frankfurt/Main 2000, S. 65.

[14] Seine Publikationen über die „Negritos“ und „das Negritoproblem“ erschienen unter anderem im Anthropologischen Anzeiger, im Ethnologischen Anzeiger und in der populärwissenschaftlichen Umschau.

[15] Egon von Eickstedt: “Überblick über Verlauf und Arbeiten der Deutschen Indien-Expedition 1926-1929”, in: Tagungsberichte der Gesellschaft für Völkerkunde 1929, Band 1, Leipzig 1930, S. 63-84.

[16] Egon von Eickstedt: Rassendynamik von Ostasien. China und Japan, Tai und Kmer von der Urzeit bis heute, Berlin 1944.

[17] Vgl. hierzu: Michael Vetsch: Ideologisierte Wissenschaft. Rassentheorien deutscher Anthropologen zwischen 1918 und 1933, Diplomarbeit Universität Bern, 2003.

[18] Zu ihrem Einfluss vgl. Andreas Lüddecke: Rassen, Schädel, Gelehrte. Zur politischen Funktionalität der anthropologischen Forschung und Lehre in der Tradition Egon von Eickstedts, Frankfurt/Main 2000. Zur Breslauer Schule zählten neben von Eickstedt und Schwidetzky auch Rainer Knußmann, Wolfram Bernhard, Hubert Walter und Friedrich W. Rösing.

 

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