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Dieses Interview wurde am 21.10.2009 online gestellt. |
Zum Problem der Schädel von Namibiern in deutschen Archiven
HW: Wie waren die Reaktionen in Namibia auf die ersten Meldungen über die Schädel? Die Reaktionen waren Entsetzen und Unglauben. Natürlich ist dieser Teil unserer gemeinsamen Geschichte, also die Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit und die Überführung von Toten bzw. Teile der Toten in das deutsche Kaiserreich zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken, in Namibia bekannt. Die hervorragende Arbeit, die der Redakteur Markus Frenzel vom mdr bei der Suche nach den noch in deutschen Instituten gelagerten Schädeln, u.a. aus Namibia, leistete, hat den Prozess wieder in Gang gebracht. HW: Im Oktober 2008 wandten sich traditionelle Führer der Herero und Nama an ihre Regierung. Sie sollte von der deutschen Regierung die Rückgabe der Schädel und die Übernahme aller damit verbundenen Kosten verlangen. Die Namibische Regierung hat daraufhin mit der Deutschen auf bilateraler Ebene hinsichtlich der an der Charité entdeckten Schädel aus Namibia Kontakt aufgenommen. Außerdem wurde erörtert, wie die Suche und Identifizierung nach weiteren, noch in deutschen Institutionen verbliebenen menschlichen Überresten erfolgreich durchgeführt werden kann. Das Auswärtige Amt hat uns dankenswerter Weise dabei unterstützt, mit den richtigen Ansprechpartnern zusammen zu treffen. In Namibia wurde ungefähr zur gleichen Zeit ein federführender Ausschuss im Ministerium für Kultur gegründet. Außerdem wurde ein Konsulationsprozess mit den betroffenen Gemeinschaften, vertreten durch ihre jeweiligen traditionellen Repräsentanten, in die Wege geleitet, um die weiteren Schritte zu besprechen und zu koordinieren. HW: Wie waren die Reaktionen der Charité und des Freiburger Uniarchivs? Wurden von deren Seite Kooperationen in die Wege geleitet? Nachdem der Beitrag auf ARD gesendet worden ist, versicherte uns der Vorstand der Charité, eine eigene Recherche eingeleitet zu haben, um die Herkunft der in ihrer Sammlung befindlichen Schädel zu bestimmen. Außerdem wurde der dringende Wunsch geäußert, die menschlichen Überreste für eine ehrenvolle Bestattung nach Namibia zurückzuführen. Wir sind übereingekommen, während des in Namibia stattfindenden Konsultationsprozesses weiterhin Kontakt zu halten. Weder die Universität Freiburg noch andere Institutionen haben mit uns Kontakt aufgenommen. HW: Es gibt mit Sicherheit noch weitere Sammlungen in Deutschland mit namibischen Schädeln. Sind Ihnen Initiativen bekannt, dies systematisch zu untersuchen? HW: Die namibische Regierung hatte zunächst verkündet, die Schädel auf dem “Heroes Acre“ bei Windhoek bestatten zu wollen. Wie reagierten die traditionellen Gemeinschaften darauf? Die ehrenvolle Bestattung der Schädel am Heroes Acre ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Noch beraten sich die traditionellen Vertreter und die Entscheidung, zu der die betroffenen Gemeinschaften am Ende ihres Konsultationsprozesses gelangen, wird das weitere Vorgehen der Regierung bestimmen. HW: Schweden, Groß Britannien und andere Länder haben in den letzten Jahren Schädel an Australien zurück gegeben und Australien fordert dies auch von Deutschland. Gibt es eine Kooperation zwischen der Rückgabe fordernden Ländern? Nein, noch gibt es diesbezüglich keine Zusammenarbeit. Die deutsche Regierung hat ihre Zusage gegeben, uns bei der Identifizierung und Rückführung namibischer Schädel, die heute, mehr als 100 Jahre später immer noch hier in den verschiedenen Institutionen lagern, zu unterstützen. Auf diesem eingeschlagenen Weg wollen wir gemeinsam weitergehen. Siehe zur weiteren Entwicklung nach dem Interview auch folgende Presseartikel:
Siehe zum Thema anthropologische Schädelsammlungen auf freiburg-postkolonial.de:
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